Als letzte Mahlzeit wünschte er sich Pepperoni-Pizza und Zitronenlimonade. Am Mittwochabend um 23.38 Uhr amerikanischer Ostküstenzeit wurde Roger Keith Colemans Tod amtlich festgestellt. Der Bergmann aus der Kleinstadt Grundy war der 248. Verurteilte, der auf dem elektrischen Stuhl des US-Staates Virginia hingerichtet wurde. Vor elf Jahren soll Coleman seine 19jährige Schwägerin Wanda McCoy brutal vergewaltigt und ermordet haben. Er beteuerte bis zuletzt seine Unschuld. Vergeblich.
Vergeblich blieben auch alle Bemühungen von Anwälten und Priestern, den Hinrichtungstermin zumindest aufzuschieben. 14 TV-Übertragungswagen fuhren vor dem Gefängnis auf, Menschen mit brennenden Kerzen in den Händen hielten Mahnwachen ab. Tausende von Bürgern riefen den Gouverneur des Staates an oder schrieben Briefe, um einen möglichen Justizirrtum zu verhindern. Gouverneur Wilder hätte Coleman begnadigen können. Er tat es nicht.
Wilder überzeugten offenbar mehr jene 247 Briefe aus Grundy, in denen Colemans Tod gefordert wurde. Für seine Mitbürger war der heute 33jährige von Anfang an der Schuldige. Das Urteil fiel schnell, in einem Indizienprozeß. Der arbeitslose Coleman hatte kein Geld, sich einen teuren, auf Mordsachen spezialisierten Anwalt leisten zu können. Erst als sich Wochen vor der Hinrichtung die Medien für den Fall zu interessieren begannen, fanden sich Anwälte, die Colemans Sache übernahmen; umsonst, beziehungsweise zum Preis des Ruhms.
Gegen Coleman sprachen vor allem ein Bluttest und seine Vergangenheit. Mit 17 Jahren war er wegen versuchter Vergewaltigung an seiner Lehrerin verurteilt worden. Für ihn sprach eine Reihe von Indizien, die erst nach dem Prozeß in die Diskussion kamen. Den Aussagen von Zeugen zufolge, die ihn am Tatabend an anderen Orten sahen, hatte er höchstens eine halbe Stunde Zeit, ein Wäldchen zu durchqueren, durch einen Bach zu waten und die Tat zu vollbringen. Vor allem: Seine Schuhe und Socken waren trocken. Doch sein junger Pflichtverteidiger versäumte die Frist zum Wiederaufrollen des Prozesses - um einen Tag. Unter Hinweis auf diesen formalen Fehler lehnte es auch der Oberste Gerichtshof ab, das Urteil zu revidieren.
Am Mittwochmorgen wurde Coleman heimlich nach Richmond, in die Hauptstadt von Virginia, transportiert. Er unterzog sich einem Test am Lügendetektor. Gouverneur Wilder hatte ihm das nahegelegt. Eventuell, deutete er an, könnte er bei positivem Ausgang des Tests seine Meinung revidieren. Kreidebleich, schweigsam, offenbar völlig am Ende wurde Coleman anschließend ins Gefängnis zurückgebracht. Der Automat sagte: Coleman lügt. Die Anwälte verwiesen auf den Streß, unter dem der Todeskandidat stand. Seit Wochenbeginn habe er insgesamt kaum zehn Stunden geschlafen. Rund um die Uhr gab Coleman Interviews. Auf allen Kanälen, in allen Zeitungen war sein Bild.
Im Gefängnis begannen die Vorbereitungen für die Hinrichtung. Coleman durfte sechs Stunden mit seiner Freundin Sharon Paul zusammen sein, beobachtet nur durch ein verspiegeltes Fenster. Die beiden hatten sich aufgrund einer Anzeige des Häftlings 1983 kennengelernt. Aus einer Brieffreundschaft wurde Liebe. Erst im März hatten sie sich zum ersten mal die Hand geben können.
Um 18 Uhr rasierten Beamte Colemans Kopf und Handgelenke kahl. Dann kam die Henkersmahlzeit.
Für 23 Uhr (fünf Uhr am Donnerstagmorgen nach mitteleuropäischer Zeit) war die Hinrichtung angesetzt. Bis zur sprichwörtlich letzten Minute konnte Coleman auf einen Aufschub hoffen. Erst um 22.59 Uhr entschied der Oberste Gerichtshof endgültig: kein Aufschub. Mit 7:2 Stimmen. Coleman wurde auf dem Todesstuhl festgeschnallt, eine Lederkappe über seinen Kopf gezogen. Eine halbe Stunde nach dem Spruch des Gerichtes jagten zwei Stromstöße durch Colemans Körper. Ein Krankenwagen transportierte seinen Leichnam ab.
Schon angeschnallt auf dem Stuhl meldete der Verurteilte sich ein letztes Mal zu Wort. Von einem Zettel las er ab: "Heute nacht wird ein Unschuldiger ermordet. Wenn eines Tages meine Unschuld bewiesen sein wird, hoffe ich, daß die Amerikaner die Ungerechtigkeit der Todesstrafe erkennen, so wie das alle anderen zivilisierten Länder schon getan haben. Meine letzten Worte gelten der Frau, die ich liebe: Liebe ist ewig. Ich liebe Dich, Sharon."
Murphy Brown ist populärer als Dan Quayle. Dan Quayle gibt es wirklich; er ist Vizepräsident der Vereinigten Staaten von Amerika. Er ist ein Anhänger überkommener Werte, also das, was man einen Konservativen nennt. Außerdem sieht er gut aus. Aber Murphy Brown sieht besser aus.
Murphy Brown gibt es nicht wirklich. Murphy Brown, das ist so etwas wie eine amerikanische Lindenstraße. 38 Mio Amerikaner sahen zu Beginn dieser Woche zu, wie die Hauptperson der Fernsehserie, Murphy eben, ein Baby bekam. Was heißt, sie sahen zu? Sie litten mit - so wie ein werdender Vater vor der Tür zum Kreißsaal.
Was schon deshalb nötig war, weil Murphys Baby zwar einen "Erzeuger" hat, aber keinen Vater. Murphy Brown, gespielt von Candice Bergen, ist eine alleinerstehende, erfolgreiche Fernsehjournalistin, die sich vorgenommen hat, Karriere und Mutterschaft unter einen Hut zu bringen, ohne Mann.
Das ist in Amerika nicht ungewöhnlich. Die meisten Frauen hier sind berufstätig oder wären es gern, gäbe es nicht eine hohe Arbeitslosenquote. Auch Dan Quayles Frau hat einen Beruf erlernt, Anwältin. Neulich hat sie sogar einen Spionageroman geschrieben. Um, wie sie sagte, die Haushaltskasse etwas aufzubessern. Dabei versucht ihr Gatte schon, Dienst- und Privatreisen so geschickt zu kombinieren, daß er auf wechselnden Plätzen seinem Hobby, dem Golfspiel, frönen kann, ohne die Reisekosten zu bezahlen.
Am Dienstag war er in Kalifornien. Nicht um Golf zu spielen, wie es hieß, sondern um die Schäden der Unruhen in Los Angeles in Augenschein zu nehmen. Anschließend erklärte er, das alles hätte nicht so kommen müssen - die Plünderungen, die Morde dort -, wäre die amerikanische Familie noch intakt. So wie seine eben. Und es sei "nicht hilfreich", wenn im Fernsehen Reklame gemacht wird für ein Familienleben ohne Vater.
Quayle spielt nicht nur Golf, er macht auch Wahlkampf. Für George Bush, der im November als Präsident wiedergewählt werden will. Mit Dan Quayle an seiner Seite. Die Familie hochzuhalten, glaubte Quayle, glauben auch Bushs Berater im Weißen Haus, ist wählerwirksam. Auf jeden Fall ist es preiswerter, als teure Arbeitsbeschaffungsprogramme aufzulegen für die verwahrlosten Innenstädte.
Kaum waren Quayles Worte hinausgetragen worden in die Nachrichten, brach eine Welle der Empörung über Washington zusammen. Murphy Brown ist eben populär. Die Fernsehnation wünscht ihr und ihrem Baby nur das Beste, und daß sie es schafft, allein. Vielleicht wünschen ihr manche auch, daß sie doch noch einen Ehemann findet. Dann aber keinen wie Dan Quayle. Der war noch nie beliebt, jetzt ist unten durch.
Quayle beeilte sich, am nächsten Tag den Schaden wiedergutzumachen. "Ich habe größten Respekt vor alleinerziehenden Müttern. sie sind wahre Helden," bereute er. Und Bush-Sprecher Fitzwater verkündete hochoffiziell, die Murphy-Brown-Show stehe für Werte, "die wir für gut halten". Schließlich hat Murphy nicht abgetrieben.
Bush kann von Glück sagen, daß sein Gegner bei der Wahl im November Bill Clinton heißen wird oder vielleicht auch Ross Perot. Aber wer weiß, was 1996 sein wird. Für die Republikaner möchte dann gerne Quayle ins Rennen gehen.
Wenn die Demokraten klug sind, stellen sie Murphy Brown als Gegenkandidaten auf.
Wieder ist ein Mensch in den USA von Amts wegen umgebracht worden. Erst vor wenigen Wochen starb Robert Harris in einer kalifornischen Gaskammer. Auch damals protestierten viele Amerikaner, obwohl Harris zweifellos ein Mörder war. Am Donnerstagmorgen nach europäischer Zeit starb Roger Coleman auf dem elektrischen Stuhl des Staats Virginia. Und das, obwohl erhebliche Zweifel an seiner Schuld bestanden.
Für Colemans Schuld sprachen Indizien, gegen seine Schuld sprachen andere Indizien. Im Zweifel für den Angeklagten, das ist ein Rechtsprinzip, das und die alten Römer lehrten, das Eingang gefunden hat in die Rechtsprechung aller zivilisierten Staaten der Welt. Es gilt auch in den USA, aber, wie sich zeigt, nicht immer, nicht für jeden.
Wäre Roger Coleman nicht arm, arbeits- und ahnungslos gewesen, hätte er frühzeitig einen erfahrenen Anwalt gehabt - er würde noch leben. Wäre sein Hinrichtungstermin nicht in ein Wahljahr gefallen, Roger Colemann könnte noch leben.
Sein Tod auf dem elektrischen Stuhl ist ein erneuter Beweis dafür, wie barbarisch, wie unmenschlich, wie unzivilisiert die Todesstrafe ist. Vielleicht hilft er, in den USA die Diskussion über die Sinnhaftigkeit dieser Strafe erneut zu entfachen, und nicht nur dort.
Glaubt man den Bürgern, die sich zu Wort melden, war eine große Mehrheit gegen die Hinrichtung. Die meisten Politiker in den USA glauben aber lieber der schweigenden Mehrheit.
In letzten Meinungsumfragen - vor der Hinrichtung Colemans - bekannten sich drei von vier Amerikanern zur Todesstrafe. Viele Bürger haben den Eindruck, auf den Straßen ihrer Städte regiere nicht das Recht, sondern die Gewalt. Straßenkriminalität ist allgegenwärtig, jedenfalls da, wo die Armut zuhause ist. Die Polizei erscheint allzuoft ohnmächtig, die Justiz zahnlos, verstrickt in Paragraphen.
Seit den Unruhen in Los Angeles hat Amerikas Waffenindustrie Hochkonjunktur. Viele Bürger glauben, der Staat könne sie nicht genügend schützen. Sie kaufen sich Pistolen und Gewehre, um sich im Notfall selber verteidigen zu können.
In dieser Situation will der Staat, wollen Politiker beweisen, daß die Justiz doch funktioniert. Daß der Staat sich von tricksenden Anwälten nicht erweichen läßt. Wer sich als politscher Amtsinhaber in den USA in diesen Tagen nicht hart zeigt im Umgang mit dem Verbrechen, kann seine Hoffnungen auf Wiederwahl begraben. Auch deshalb mußte Roger Coleman sterben.
Kein gutes Haar hat die Washington Post an Dornröschen gelassen. Der Verriß war schrecklich. "Verhängnisvoll, oberflächlich, hölzern, flach" - mit solchen Attributen im Dutzend bedachte die Hauptstadtzeitung der USA den Auftritt des Stuttgarter Balletts im Kennedy Center. Dabei war das getanzte Märchen doch als glanzvoller Höhepunkt einer Werkschau deutscher Kultur gedacht.
James Wolfensohn, der Chef des Kennedy-Centers, hatte die Idee. Von ihm stammte auch der hochtönende Titel "Tribute to Germany", von dem sich der Musikkritiker der Washington Post so wenig betören ließ wie von den Tanzkünsten der hochgepriesenen Stuttgarter Truppe. 1,7 Mio DM hat das Bonner Auswärtige Amt dazugetan, um seit März bis zum Sommer in und um Washington die Erinnerung an Deutschland wachzuhalten.
Ein Mehrfaches haben Sponsoren hinzugefügt, von der Lufthansa bis zu einem namhaften schwäbischen Automobilkonzern (der hier Wert darauf legt, auch als Produzent flugfähiger Waffen erkannt und gewürdigt zu werden; die USA sind schließlich auch dafür ein Markt).
Wolfensohn hatte das Festival als Dank gedacht "für die vielen Geschenke, die Deutschland der Welt gegeben hat." Neben dem Kennedy-Center beteiligen sich die Nationalgallerie, die Kongreß-Bibliothek und rund ein Dutzend amerikanischer Universitäten und Institute. Für die Hochschulen bot sich die günstige Gelegenheit, deutsche Professoren zu einem Vortrag einfliegen zu lassen, ohne die Reisekosten selber tragen zu müssen.
Die University of the District of Columbia hörte sich an, wie in Bielefeld über die "Aufklärung als Politisierung - Politisierung der Aufklärung" gedacht wird, die Gallaudet University interessierte sich für die "Beteiligung Behinderter am akademischen Leben - ein Vergleich zwischen Deutschland und den USA."
Publikumswirksamer freilich sind die große Käthe-Kollwitz-Ausstellung in der Nationalgallerie, waren die Auftritte des Stuttgarter Balletts, der Dresdener Staatskapelle und vor allem des Berliner Theaters des Westens. Dessen "Ufa Revue" bietet" Bombenstimmung" im doppelten Wortsinn.
Die Ohrwürmer der Nazizeit werden gesungen, schöne Menschen tanzen in aufregenden Kulissen, niemand kann sich der Faszination dieser perfekten Unterhaltung entziehen, unsere Eltern und Großeltern nicht und auch nicht das amerikanische Publikum von heute. Erstaunen und Verstörung waren die Folge bei den gefeierten Auftritten des Berliner Theaters. Die Truppe verstand es, immer wieder, wenn es am schönsten wurde, die Kurve zu nehmen und hinzuweisen auf die Grauen der Nazizeit, auf Judenverfolgung und Krieg.
Die unterhaltungsverwöhnten Amerikaner grämt, daß im eigenen Land schon lange kein richtig zugkräftiges, intelligentes Musical mehr neu auf die Bühne gebracht wurde. Auch daher erklärt sich das Interesse an der deutschen Produktion. Und mit Erstaunen wurde zur Kenntnis genommen, wie technisch vollkommen deren Darbietungen waren. Von Deutschen ist man Tiefsinn gewohnt. Daß er gepaart wird mit perfektem Entertainment, das verblüfft.
So wie immer, so wie früher ist dagegen, was ein Washingtoner Sprechtheater als Einblick in die aktuellen dramatischen Künste deutscher Bühnen präsentiert: neben Schillers "Die Räuber" vor allem Rainer Werner Faßbinders "Katzelmacher". Was immer "Mr. Fassbinder’s" besonderen Genius ausgemacht haben könnte, stellte die Washington Times erschüttert fest, "es sind nicht seine Dialoge". Das Stück wäre nicht schlechter gewesen, hätten die Darsteller den Mund gehalten, meinte der Kritiker. Ein anderer nannte "Katzelmacher" schlicht ein "unerfreuliches kleines Stück".
Erfreulicher fand - jedenfalls das Publikum - für welche Geschenke deutscher Kultur sich die Jerry Schneider Band aus Chilton, Wisconsin, bedankte. Sie bot "traditional German polkas, waltzes, and schottisches", dazu Tanz. Der Eintritt war frei, die Stimmung prächtig.
Es wäre eine Kleinigkeit gewesen für eine tüchtige Frau, aber ein großer Schritt für die Menschheit. Kathryn Thornton hatte trainiert und war bereit. Sie wollte mithelfen, den Fernseh-Satelliten hoch oben im Weltraum wieder richtig zu biegen. Dann war es doch wie immer: Die Frau durfte zusehen und bewundern. Hinausgeschickt ins feindliche Leben (Leben? Im Weltall?) wurde ein Kollege, ein Mann.
Weil der Mann größer ist und stärker, sagt die Nasa. Wer wollte ihr da widersprechen? Schon bei den Neandertalern gingen die großen, starken Männer auf die Bärenjagd, derweil ihre zarten Frauen daheim in der Höhle den Abwasch besorgten.
Irritierend ist nur, daß es im Weltraum doch auf Kraft gar nicht ankommen soll. Ist dort nicht alles schwerelos? Ein winziger Stups nur, hat uns Jules Verne schon beigebracht, und tonnenschwere Stahlkolosse wirbeln davon.
Was haben wir uns von der Raumfahrt nicht alles erhofft, früher, als sie uns das Staunen lehrte! Alle Probleme dieser Erde weit hinter uns zu lassen, befreit von jedem Ballast der Geschichte neuen, schöneren Welten zuzustreben. Welten, wo es keinen Hunger mehr gibt, keine Armut, keinen kleinlichen Zank. Vor allem nicht darum, wer den Abwasch macht.
Merkwürdigerweise war in der einschlägigen Literatur nie die Rede davon, daß es in der schönen, neuen Welt der Raumfahrt auch keine Kriege mehr geben könnte. Im Gegenteil. Wahrscheinlich wimmeln die Galaxen ja von feindlichen Wesen. So wie Rußland früher voller Bolschewiken war, nur noch viel schrecklicher.
Was mich auf die Idee bringt: Vielleicht haben wir Männer ja die Raumfahrt nur erfunden, damit wir weiter Bären jagen gehen können - in Zeiten, wo die Frauen unten auf der Erde mehr und mehr die Meinung vertreten, jetzt sollten mal wir den Abwasch erledigen. Die Geschichte der Raumfahrt: Ist sie nicht eine Geschichte männlicher Heldentaten? Schon die Form der Rakete deutet es an.
Und jetzt kommt diese Kathryn Thornton und will uns auch noch dieses Spielzeug nehmen! Was hätte ihr Kollege denn tun sollen, während sie draußen im All in die Geschichte der Frauenbewegung einging? Aufräumen, abwaschen, bewundern? Nein, das geht zu weit. Der Nasa sei Dank. Zum Glück sitzen dort noch richtige Männer am Schlatpult.
Und Frau Thornton hätte es wissen müssen. Auch der Mann im Mond ist schließlich unbeweibt. Oder war das ein Märchen?
"Houston, ich glaube, wir haben einen Satelliten." Mit dieser trockenen Erfolgsmeldung löste Astronaut Daniel Brandenstein im Nasa-Kontrollzentrum einen Freudensturm aus. Nicht nur den Raumfahrtmanagern fiel ein Stein vom Herzen, die ganze Nation atmete durch.
Was wie ein Routine-Raumflug begann, drohte zu einem neuen Reinfall für die gebeutelte US-Raumfahrtindustrie zu werden. Noch immer sitzt der Weltraumbehörde Nasa der Schreck der Challenger-Katastrophe in den Knochen. Die Raumfähre dieses Namens -. zu deutsch: Herausforderer - explodierte 1986 kurz nach dem Start. Alle Besatzungsmitglieder starben.
Die Endeavour-Crew sollte der Nation und der Welt beweisen, erstens daß die gewaltigen Kosten der bemannten Raumfahrt sich rentieren, zweitens: daß es noch gute Nachrichten gibt in diesen Zeiten der Politskandale und Krawalle. Endeavour heißt so viel wie: große Kraftanstrengung.
Der Auftrag: einen Intelsat-Fernseh- und Telefonsatelliten, der außer Kontrolle geraten war, wieder in eine höhere Umlaufbahn zu bringen. Dazu mußte der Satellit eingefangen und mit einem neuen Raketensatz versehen werden. Zweimal scheiterte das Fangmanöver. Dann, am dritten, am letztmöglichen Tag, setzte die Nasa alles auf eine Karte.
Statt wie bisher höchstens zwei verließen drei Astronauten die Geborgenheit der Fähre und machten sich tentakelgleich an deren Außenhülle fest. Synchron griffen sie nach dem trudelnden Flugkörper. Es dauerte Stunden, bis ihn unter Kontrolle gebracht hatten. Auf keinen Fall durfte dabei eine der scharfen, aufgeheizten Kanten des Satelliten den verletzlichen Raumanzug eines Astronauten berühren. Alles ging gut.
Da die Ausstiegsluke der Endeavour nicht für drei Personen eingerichtet ist, mußten die Astronauten zusammengequetscht wie Sardinen in einer Dose verharren, 9o Minuten lang. Ein Computerfehler hatte das Rendezvous mit dem Satelliten unerwartet verzögert.
Es hätte bequemer sein können in der Luke, wäre Kathryn Thornton, die Astronautin an Bord, mit ausgestiegen. Aber Kommandant Brandenstein entschied in letzter Minute, nicht sie, sondern ihr wesentlich stattlicherer Kollege Tom Akers sollte den Job tun: weil er stärker ist, hieß es.
Der Satellit wiegt 4,5 Tonnen. Allerdings nur auf der Erde, im All ist er schwerelos.
Zum Trost durfte Frau Thornton später allein einen Demonstrationsspaziergang im All unternehmen, als erste Mutter, der dies Glück vergönnt war, wie die Nasa eilends verbreitete.
Die Firma Intelsat zahlt der Nasa für die Reparatur 93 Mio Dollar. Für Intelsat ein gutes Geschäft. Einen neuen Satelliten ins All zu schicken, wäre dreimal so teuer gewesen, hieß es.
Die Nasa geht von Gesamtkosten des Fluges in Höhe von 363 Mio Dollar aus. Unabhängige Raumfahrtexperten halten das für geschönt. Die tatsächlichen Kosten beliefen sich auf rund eine Mrd Dollar, sagen sie.
Am liebsten läßt er sich "Chief" nennen. Darin ist alles enthalten: Boss, Anführer, Häuptling. Daryl Gates, 64, durchtrainiert, braungebrannt, blauäugig, muß furchtbar gelitten haben seit den Unruhen von Los Angeles. Weniger, weil der Auslöser der Krawalle die Tatsache war, daß vier seiner Männer einen schwarzen Verkehrssünder blutig geprügelt haben. Nein, Gates litt darunter, in den Augen der öffentlichkeit versagt zu haben. Der Polizeichef von Los Angeles war auf einer Party, als das Plündern begann.
Jetzt schlug Gates zurück. Höchstpersönlich, im schwarzen Polizeidreß, die Pistole locker an der Seite, überwachte er die Verhaftung eines jungen Schwarzen. "Chief Gates," soll Damian "Football" Williams, 19, gestaunt haben, "ich dachte, Sie gehen." Gates muß im Sommer sein Amt vorzeitig niederlegen, wegen der Prügelbilder von seinen Beamten. "Ich sagte," so schilderte der Noch-Polizeichef die Verhaftungsszene kurz darauf in einer eilig einberufenen Pressekonferenz: "Ja, Football - aber Du gehst zuerst."
Noch zwei weitere Schwarze wurden verhaftet, einer stellte sich freiwillig. Die vier sollen es gewesen sein, die den weißen Lkw-Fahrer Reginald Denny am ersten Tag der Unruhen, 90 Minuten nach dem Freispruch für die vier weißen Polizisten, aus seiner Fahrerkabine gezerrt, geprügelt, getreten und ausgeraubt haben. Wie vor einem Jahr die brutale Verhaftung des Schwarzen Rodney King wurde auch diese Prügelszene gefilmt. Kaum ein Amerikaner, der sie nicht in- und auswendig kennt.
Gates hat seinen ganzen Ehrgeiz darangesetzt, die Täter zu identifizieren und zu erwischen. Tagelang patroullierten Polizeistreifen durch jene Straßen, wo der Vorfall sich ereignete. Sahen die Beamten einen verdächtig wirkenden jungen Schwarzen, sprangen sie aus dem Auto, zwangen den Verdächtigen, Schuhe und Socken auszuziehen und drohten zu schießen, wenn sie nicht auf der Stelle die Namen der Männer erführen, die über Denny hergefallen sind.
Mark Jackson, WilliamsØ älterer Bruder, auch er wurde erst verhaftet, dann aber wieder freigelassen, schilderte die Jagdszenen so: "Das Schlimmste war, daß meine vierjährige Tochter danebenstand, als sie mir ihre Pistolen an den Kopf drückten. Die Kleine schrie, "Bitte bringt meinen Daddy nicht um!"
Kaum einer, der nicht gutheißt, daß die Täter geschnappt und bestraft werden, die Denny fast zu Tode schlugen. Nur kommt durch die Umstände der Verhaftung und durch GatesØ provozierendes Auftreten auch die Erinnerung wieder hoch an den Freispruch für die weißen Polizisten. Zu sehr gleichen sich die Bilder, zu auffällig ist zugleich der eine, aber entscheidende Unterschied.
Zweimal wurde ein Autofahrer gestoppt, zweimal wurde ein Hilfloser erbarmungslos malträtiert, zweimal waren die Täter zu vieren. Nur: Einmal war das Opfer schwarz, die Täter waren weiß und wurden freigesprochen. Dann war das Opfer weiß, die Täter waren schwarz, und die Polizei demonstrierte Härte.
"Die vier Bullen sind freigekommen, aber welche Chance hat mein Bruder, freizukommen," fragt Jackson, Wut im Blick, und fügt hinzu: "Jeder kennt die Antwort. Er ist schwarz."
Cassandra Johnson, eine schwarze Bürgerechtlerin, sieht das ähnlich: "In den Vierteln der Schwarzen ist die Polizei eine Besatzungsmacht." Wie sie befürchten jetzt viele Politiker, daß GatesØ Polizeiaktion alle Anstrengungen torpedieren könnte, die von den Unruhen zerrissene Nation wieder zusammenzuschweißen.
Der Schreck über die Ereigisse von Los Angeles hat nämlich vorerst zu einem ungewöhnlichen Schulterschluß zwischen Schwarzen und Weißen, zwischen Republikanern und Demokraten geführt. Präsident Bush und führende Oppositionspolitiker haben sich gar auf einen, allerdings noch nicht finanzierten, Sechs-Punkte-Plan zur Rettung der Innenstädte geeinigt.
Mark Jackson, der erst Verhaftete, dann wieder Freigelassene, droht, eines Tages werde Gates das Lachen vergehen: "Die Banden schließen sich zusammen. Wir sind fertig mit der weißen Justiz."
Einstweilen aber lacht Gates in die Kameras und brüstet sich damit, einem der mutmaßlichen Tätereigenhändig die Handschellen angelegt zu haben.
Zeugen berichten allerdings, der "Chief" habe sich bei der Aktion im Hintergrund gehalten. Er sei erst aufgetaucht, als die bestellten Fernsehteams erschienen.
Die Demontage des Ross Perot hat schon begonnen. Der Mythos des Milliardärs aus Texas bröckelt. Dabei steht der eigentliche Kampf ums Weiße Haus in Washington erst noch bevor.
Wie zuvor dem vermutlichen Kandidaten der Demokraten, Bill Clinton, setzen nun ganze Heerscharen von Reportern dem Außenseiter aus Texas zu, durchleuchten seine Vergangenheit, nehmen jedes Staubkorn unter die Lupe, das sie unter Perots Teppich finden können.
Es ist unwahrscheinlich, daß der nächste Präsident der Vereinigten Staaten Ross Perot heißen wird. Aber: Allein daß dies denkbar wäre, allein daß die Kandidatur eines Mannes ernstgenommen wird, der vom Politikbetrieb nichts hält, sagt viel über den Zustand, in dem Amerika sich nun befindet.
Mitten im Wahljahr ist die letzte Weltmacht der Erde so verunsichert wie lange nicht mehr. Das war schon vor den Unruhen von Los Angeles so. Das hat sich durch die Unruhen verstärkt. Im Lande herrscht ein starkes Gefühl: So wie bisher geht es nicht weiter.
Die schönen Träume der Reagan-Jahre sind verflogen. Reagan, dem einstigen Schauspieler, war es gelungen, dem Volk inmitten aller Malaise immerhin das Gefühl zu vermitteln, in einem großartigen Land zu leben, wundervoll regiert zu werden. Unter Reagans Nachfolger George Bush bröckelte der Lack vom schönen Bild. Zumal die Wirtschaft, in den ersten Reagan-Jahren boomend, sich in einem langen Tunnel befindet. Nur ganz winzig ist von fern ein Licht zu erspähen.
Die Politik des schönen Scheins und der militärischen Stärke hat zwar die Sowjetunion in die Knie gezwungen, aber auch ein Amerika hinterlassen, in dessen Innenstädten sich außerhalb der Geschäftsviertel seit zwanzig Jahren nichts getan hat. In Schulen bröckelt der Putz, Brücken rosten, viele Gemeinden können kaum ihren Sheriff bezahlen. Mit Entsetzen blicken die USA in den Spiegel und erkennen ein Gesicht mit vielen Wunden und Narben.
Wieviele arm sind, wie viele obdachlos in diesem Land, wurde lange verdrängt. Wie sehr die Reagan-Bush-Jahre die Kluft vertieft haben zwischen den wenigen sehr Reichen und den vielen sehr Armen, lange wollte es niemand wissen. Jetzt rufen die Amerikaner es sich umso lauter ins Bewußtsein zurück.
In dieser Situation wächst die Sehnsucht nach "leadership", nach einer politischen Führung, die Probleme nicht schönredet und medienwirksam Themen besetzt, sondern Probleme löst und die Nation zusammenführt. Weder Bush noch - bisher jedenfalls - Clinton wird das zugetraut.
Das ist der Boden, auf dem eine Kandidatur Perot gedeihen kann. Ob der Außenseiter aus Texas nun antritt oder nicht, ob er gewählt wird oder nicht, ob er am Ende Bush mehr Stimmen wegnimmt oder Clinton - er wird tiefe Spuren hinterlassen in Washingtons politischer Landschaft. Niemand wird gewählt werden, der nicht glaubhaft Perots Botschaft aufgreift: Es muß gehandelt werden im Lande.
"Ich hatte einen Traum," hat Ross H. Perot einmal gesagt, den Traum, eine Perle zu sein: "Aber mit meinen großen Ohren, wußte ich, war das unmöglich." Zur Zeit träumt der texanische Milliardär einen neuen Traum: George Bush abzulösen im Weißen Haus, Präsident zu werden der Vereinigten Staaten von Amerika, bei den Wahlen im November. Dem scheinen zumindest Perots Ohren nicht im Weg zu stehen: In mehreren Meinungsumfragen liegt der politisch unabhängige Milliardär aus Texas derzeit vor Bush und Bill Clinton von den Demokraten.
Am Montag karrten begeisterte Perot-Anhänger mehr als 200000 Unterschriften ins texanische Landesparlament. Unterschriften von Bürgern, die Perots Namen im November auf dem Wahlzettel finden möchten. Nur knapp 55000 Unterschriften wären nötig gewesen. Aber zumindest Texas ist im Moment im Perot-Rausch. Dem Außenseiter lacht die Gunst der Stunde.
Normalerweise gibt es in den USA zwar viele Möchtegern-Präsidenten, aber nur zwei ernsthafte Kandidaten. Einen stellt die Republikanische Partei - es wird im November wieder George Bush sein -, einen die Demokratische - voraussichtlich Bill Clinton, den Gouverneur von Arkansas. Für Außenseiter sind die Hürden hoch. Doch Perot könnte sie meistern.
Bis heute hat der Selfmademan formell offengelassen, ob er überhaupt antreten will. "Jeder, der intelligent genug ist, diesen Job zu meistern, ist auch klug genug zu wissen, daß es der schlimmste Job der Welt ist," beschrieb er das Amt des US-Präsidenten. Andererseits hat er im Februar, in einer Fernsehshow, versprochen, er werde kandidieren, wenn, ja wenn ihn die Wähler in allen 50 Bundesstaaten aufs Podium hieven. Das heißt, wenn in jedem einzelnen Staat die jeweils verlangte Menge von Unterschriften zusammenkommt. Bisher ist das außer in Texas erst in Tennessee und Utah gelungen.
Wenn bis Ende Juni Perot wirklich in allen Staaten auf dem Wahlzettel stehen sollte, wenn also der Ruf des Volkes nach dem Mann aus Texas unüberhörbar geworden sein sollte, dann, versprach Perot, werde er 100 Mio Dollar aus seinem Privatsäckel in den Wahlkampf investieren. Schon jetzt hat er erste Berater engagiert.
Andere Kandidaten müssen Geld sammeln und den Staat zur Kasse bitten, auch Bush, um Anzeigen und Mitarbeiter bezahlen zu können. Perot ist abzunehmen, daß er dies nicht nötig hat. Allein für den Verkauf seines Unternehmens Electronic Data Systems 1984 an General Motors hat er 2,5 Mrd Dollar kassiert.
Seit Februar schossen in vielen Staaten und Gemeinden Pro-Perot-Komitees aus dem Boden. Die Fernsehanstalten reißen sich um den Eventuell-Kandidaten. Auch ohne eigene Dollars zu investieren, hat Perot so schon mehr Sendeminuten zu besten Zeiten bekommen als jeder andere Kandidat, Bush vielleicht ausgenommen. Auch die Zeitungen laufen über von Perot-Geschichten.
Stoff bietet die Vita des 61jährigen in Hülle und Fülle. "Ich bin keine Legende," kokettiert Perot mit seinem Image als Kreuzritter im Kampf gegen bürokratische Behäbigkeit und parteipolitischen Leerlauf, "ich bin ein Mythos."
Als Kind in einem Ort namens Texarcana trug er Zeitungen aus, er ging zur Marine-Akademie, wurde Verkäufer bei IBM. Dabei kam er auf die Idee, noch besser als Computer zu verkaufen könnte es sein, Computerzeiten zu verkaufen. Weil sein Arbeitgeber darauf nicht ansprang, kündigte Perot und gründete seine eigene Firma, Electronic Data Systems, angeblich mit anfangs tausend Dollar, die er sich von seiner Frau geliehen hat.
Perot führte sein Unternehmen wie ein Patriarch, steil aufwärts zum Erfolg. Trotz oder wegen seines straffen Regiments - Bärte waren verpönt, uniformierte Kleidung war vorgeschrieben - gingen aus dem Mitarbeiterstab der Firma die bis heute gläubigsten Perot-Fans hervor. "Boss" Perot geht seither der Ruf voraus, aufzuräumen, wohin er auch geht, mit einer ebenso festen wie glücklichen Hand.
Daß aufgeräumt wird, wünschen sich im Wahljahr 92 viele Wähler auch für Washington. Und Perot tut alles, sich vom ängstlichen Politik-Stil a la Bush abzusetzen. Er erwähnt zwar nie den Namen des "Amtsinhabers", läßt aber jeden merken, was er von Bush hält: ein netter Kerl, aber völlig unqualifiziert für Aufgaben, die einen ganzen Mann erfordern. Eben einen wie Perot.˙ Der zur Zeit unbeschäftigte Unternehmer bietet einfache Lösungen an, wo "die Politiker" tricksen, eiern, zögern, Kompromisse schließen. Freilich, ohne je genau zu sagen, was und wie er denn nun täte, würde er tatsächlich Präsident.
Am Anfang der Perot-Begeisterung reichte das. Es reichte, um Begeisterung zu wecken, daß der VielleichtƒKandidat versprach, er werde die Verschuldungskrise des Landes beenden. Schließlich hatte Perot doch bewiesen, daß er mit Geld umgehen kann. 400 Mrd Dollar seien locker einzusparen im Haushalt des Bundes, ließ der Texaner in frühen Interviews vollmundig fallen.
Inzwischen wird schon mal nachgefragt: Wo denn?
Seit Perot ernst genommen werden muß als Kandidat, sind die Winde rauher geworden, die ihm auf seinem erhofften Siegeszug ins Weiße Haus entgegenwehen. Wird nachgehakt, weicht der Texaner aus. 180 Mrd Dollar würden schlicht "verschwendet", behauptete Perot. Zum Beispiel wofür, in welchen Etats genau? Perot bittet um Bedenkzeit, beruft sich auf Quellen im Weißen Haus, die er erst nicht namentlich nennen will, dann doch enttarnt, und die dann prompt dementieren.
100 Mrd Dollar will er von Deutschland und Japan kassieren, versprach Perot; als Beteiligung an den US-Militärkosten in öbersee. Doch seit es sich in den USA herumgesprochen hat, wie teuer die deutsche Einigung tatsächlich ist, schwindet der Glaube, die Ausländer könnten und wollten den amerikanischen Haushalt sanieren.
Auch Perots Mythos wird neuerdings seziert. So die hundertfach nacherzählte Geschichte, wie der Texaner eigenhändig zwei Angestellte 1979 aus einem iranischen Gefängnis befreite, nachdem diplomatische Bemühungen der Regierung gescheitert waren.
Eigens hatte der Milliardär Mitarbeiter seiner Firma für ein Militärkommando @M9 @M1trainieren lassen, war mit ihnen nach Teheran geflogen. Doch die Männer kamen gar nicht zum Einsatz, erfährt man jetzt. Anti-Schah-Demonstranten stürmten das Gefängnis und befreiten alle Insassen, darunter auch die zwei Perot-Angestellten.
Auch muß sich Perot vorhalten lassen, sein Vermögen großteils dank Aufträgen aus Washington gemacht zu haben. Das verträgt sich schlecht mit dem Bild eines Mannes, der angeblich auf Steuergelder pfeift. Aus dem Weißen Haus wurde zudem geschickt gestreut, Perot sei ein enger Berater des Präsidenten Nixon gewesen, mitnichten also ein Außenseiter im politischen Getriebe der Hauptstadt.
Perot reagierte dünnhäutig auf Anwürfe dieser Art. Seither wächst der Zweifel im Lande, ob er einen wirklich harten Wahlkampf durchstehen könnte.
Der Traum von der Perle und den großen Ohren ging noch weiter. Perot erzählte davon, als ihm der britische Prinz Charles den Winston-Churchill-Preis überreichte, 1986: Er habe begriffen, so der Geehrte, daß er zwar keine Perle sein kann - wohl aber das Sandkorn, daß die Auster anregt, eine Perle zu bilden.
In den USA sind sie selbstverständlich. In Deutschland machen sie sich erst mühsam breit: getrennte Sammeltonnen für Plastikmüll, für Konservendosen, für Papier. Geregelte Katalysatoren für Autos waren in Amerika schon Alltagsgegenstände, als sie in Deutschland von vielen noch für Teufelszeug gehalten wurden. (Und seit dem Reaktorunglück von Harrisburg, einer Beinahe-Katastophe, ging kein neuer Atommeiler mehr ans amerikanische Stromversorgungsnetz.
Der Durschschnittsamerikaner ist nicht weniger umweltbewußt als der deutsche Michel. Der Begriff ôkologie hat in den Vereinigten Staaten weithin einen wesentlich besseren Klang als in den meisten Teilen der Europäischen Gemeinschaft.) Wie kommt es, daß die Europäer dennoch wie die Umweltengel wirken, die Amerikaner wie die lässigen Sünder, einen Monat vor dem Umweltgipfel der Vereinten Nationen in Rio de Janeiro?
Nur mühsam hat sich die Bush-Administration dazu durchgerungen, in Rio einer Erklärung zuzustimmen, die den weltweiten Ausstoß von Kohlendioxid begrenzt. Und das auch erst, nachdem es den US-Unterhändlern gelungen war, die Erklärung so unverbindlich zu formulieren, daß sie ähnlich leicht umgangen werden kann wie das Tempo-130-Angebot auf deutschen Autobahnen.
Wenn George Bush schließlich nach Rio reist, dann ohne jede Begeisterung, eher widerwillig. Ganz anders als der deutsche Bundeskanzler. Helmut Kohl war einer der ersten, der seine Teilnahme in Rio zugesagt hat. Kohls Engagement hat geholfen, das Ereignis aufzuwerten. Jetzt kommt die halbe Welt. Auch Bush wird am Ende kaum abseits stehen wollen. Der Formulierungskompromiß hilft ihm vielleicht gar, sich medienwirksam an die Spitze einer Bewegung stellen zu können, ohne selber zu marschieren.
(Denn in den USA herrscht Wahlkampf und im Weißen Haus das Bemühen, bloß ja nichts verkehrt zu machen. Hin- und hergerissen zwischen seinem Anspruch, der "Umwelt-Präsident" zu sein und dem selbstverordneten Ziel, alles zu tun, um amerikanische Arbeitsplätze zu sichern und zu schaffen, neigt George Bush zum Zögern. Vielleicht ist ja jeder Amtsinhaber so, dessen Wiederwahl nicht sicher ist.)
Vielen Amerikanern ist es peinlich, daß ihr Land im Vorfeld von Rio den Bremsklotz spielt. Zu Abertausenden bedrängen sie ihren Präsidenten, nach vorn zu preschen im Kampf gegen Ressourcenverschwendung, Luft-und Wasserverschmutzung.
Andererseits ist nichts so unamerikanisch wie ein kostspieliges Politiker- und Bürokraten-Tamtam ohne erkennbaren Nutzen. Das Gefühl ist verbreitet im Lande, Rio könnte mehr heiße Luft produzieren als wirksame Maßnahmen gegen den Ausstoß schädlicher Gase.
Tief wurzelt in der amerikanischen zudem der Unwille, sich von unkontrollierbaren internationalen Instanzen tadeln und gängeln zu lassen. Nach dem Motto: Unser Haus halten wir selber in Ordnung. So kann auch skeptisch sein gegenüber Rio, wer zuhause sorgsam Müll vermeidet.
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April 2020
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