Uwe Knüpfer
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US-Haushaltsstreit, neueste Runde: Schnitt ins Fleisch

8/12/1995

 
Im Jahr 2002 will die Regierung in Washington keine neuen Schulden mehr machen. Darauf haben sich Präsident Clinton und der von seinen republikanischen Widersachern beherrschte Kongreß geeinigt.

Das klingt großartig, taugt prächtig als Munition für den US-Präsidentschaftswahlkampf. Er sendet ein willkommenes Signal an die Finanzmärkte der Welt, tut dem Vertrauen in den Dollar und die US-Wirtschaft gut. Das ist das Gute, das sich über Washingtons Drama "Balanced Budget" sagen läßt.

Einigkeit herrscht über das Ziel, doch mitnichten über den Weg dorthin. Im November haben die Republikaner, um den Präsidenten in die Ecke zu drängen, für Tage die Regierung außer Gefecht gesetzt. Sie können es jederzeit wieder tun. Am 15. Dezember schon geht Clintons Regierung erneut das Geld aus.

Mit der Vorlage seines eigenen 7-Jahr-Sparprogramms wollte Clinton nun demonstrieren: Ich bin zu Kompromissen bereit. Mit der Betonung auf: ich. Das Drama geht in die nächste Runde; es ist längst nicht die letzte.

Ob die USA 2002 einen ausgeglichenen Bundeshaushalt haben werden oder nicht, steht in den Sternen; egal, wie der Streit in diesem Jahr endet. Zu viele Faktoren sind unbekannt: das  künftige Wirtschaftswachstum, die Inflationsrate, die Entwickluing der Steuereinnahmen. Klar scheint nur, wer am Wegesrand zurückbleiben wird: Alte Menschen mit kleinen Renten, junge Mütter ohne eigenes Einkommen, Umweltschutzprogramme, verkommende Innenstädte; Beispiele nur.

Das müßte so nicht sein, gäbe es nicht politische Tabus, die weder Clinton noch die Republikaner in einem Wahljahr sich anzufassen getrauen. Steuererhöhungen sind igittigitt. Im Gegenteil, Steuergeschenke müssen her. Der Militärhaushalt wird nicht nur nicht angetastet, sondern erhöht. Subventionen für Firmen, die mit ihren Spenden so manchen Politikerwahlkampf erst führbar machen, bleiben sakrosankt.

So scheinen die USA willens, sich tief ins eigene Fleisch zu schneiden, um zu beweisen, wie gesund sie sind.

Avanced Mirco Devices vor Großinvestition in Dresden: neue Chipgeneration soll Profite zurückbringen

8/12/1995

 
Ein Pionier des Silicon Valley kommt nach Sachsen. Jerry Sanders, Gründer und Boß von Advanced Micro Devices Inc. ( AMD), des viertgrößten amerikanischen Herstellers von Mikroprozessoren, will am 14. Dezember in Dresden höchstpersönlich verkünden, worauf die sächsische Landesregierung seit langem hofft: den Bau einer Fabrik zur Herstellung der nächsten Generation von Computerchips.

In Sunnyvale bei San Francisco wie in Dresden werden Details der Entscheidung derzeit behandelt wie ein Staatsgeheimnis: "No comment.". Zu oft schon wurde die Investition annonciert, zu oft verstrichen angekündigte Fristen. 1400 Arbeitsplätze soll das Werk nach Dresden bringen, verkündeten die Regierungen in Bonn und Dresden schon vor der letzten sächsischen Landtagswahl. Im Gespräch war eine Investitionssumme von rund 1,9 Mrd DM.

Doch AMD war noch nicht so weit. Es fehlte der Chip, der in Dresden produziert werden könnte. Marktführer Intel ist seinem schärfsten Konkurrenten AMD mit der fulminanten Einführung des Pentium-Chips, eines Mikroprozessors der fünften Generation, davongeeilt. AMD setzte weiter auf seinen 486er Chip, ein Computerhirn der vierten Generation. Die Preise für 486er verfielen 1995 aber schneller, als von AMD erwartet, und Sanders' Unternehmen war entgegen vollmundigen Versicherungen bisher nicht in der Lage, Intel mit einem Pentium-ähnlichen Chip Paroli zu bieten.

Die Folge: Der Kurs der AMD-Aktien fiel steil; von rund 40 auf derzeit rund zwanzig Dollar. Das, obwohl andere Produkte des Unternehmens sich weiter gut verkauften. AMDs Umsätze stiegen im dritten Quartal 1995 gegenüber dem Vorjahreszeitraum um neun % auf 590,4 Mio Dollar. Aber wegen des Preisverfalls der 486er Chips schrumpften die Gewinne - ein ungewohntes Erlebnis für den erfolgsverwöhnten Mr. Sanders.

Im Oktober gestand Sanders ein - es fiel ihm schwer genug - aus eigener Kraft nicht schnell genug einen Pentium-ähnlichen Chip in die Produktion bringen zu können. Rettung erhofft er sich nun von der übernahme eines kleinen Chipentwicklers, NexGen. Die übernahme soll Anfang 1996 abgeschlossen sein. Hinter NexGen stehen unter anderem die Computerhersteller Compaq und Olivetti. Computerhersteller können kein Interesse daran haben, daß Intel seine schon jetzt fast monopolartige Stellung am Mikroprozessorenmarkt noch weiter ausbaut.

Die Ehe mit NexGen werde AMD "in den Kampf um die Marktführerschaft für die fünfte, sechste und künftige Generationen von Microsoft-Windows-kompatiblen Mikroprozessoren katapultieren", verkündete Sanders, wieder mit der gewohnten Vollmundigkeit. Eine Abschußrampe soll in Dresden stehen.

Vorschau auf das nächste Jahrtausend: Disneys Amerika

7/12/1995

 
Im zwanzigsten Jahrhundert hat Walt Disney uns Urlaubsfreuden beschert, im 21. wird er die Amerikaner von ihren Alltagssorgen befreien. Disney übernimmt die Regierung. Micky Mouse - oder ein zeitgemäßer Nachfolger - wird US-Präsident, Pocahontas wird First Lady.

Albern? Kein Gedanke. Meinungsumfrage auf Meinungsumfrage belegt, wie unzufrieden die Amerikaner sind: mit ihren Schulen, ihren Straßen, zerfallenden Innenstädten, mit ihren Politikern. Porno im Internet, Schußwaffen auf dem Schulhof, ein Präsident in Jogging-Shorts.

In Disneyland ist alles anders. Da sind Straßen und Plätze aufgeräumt und sauber. Da ist die Welt noch in Ordnung. Jeder Angestellte lächelt. Manche singen sogar. Blut fließt nicht wirklich, Rassenhaß ist ein Fremdwort. Alle Autoritäten sind sympathisch, alle Gebrauchsanweisungen verständlich, und Abfall recycelt wird auch.

Warum soll man nur im Urlaub genießen, was man im Alltag so schmerzlich vermißt? Disney hat die Marktlücke erkannt und expandiert. Demnächst kann man unter den Fittichen des Konzerns Konferenzen abhalten, sich weiterbilden (im Disney Institute), heiraten gar. Eine Disney-Sportarena ist in Vorbereitung und ein Zoo, in dem sich sogar Tiere tummeln, die ausgestorben sind. Schon entsteht in Florida eine ganze Stadt nach Art der Maus; von der Türklinke bis zum Rathaus: alles von Disney.

Vor dort ist es nur ein winziger Schritt zur übernahme der ultimativen Verantwortung. Debatten über Natoreform oder Nafta-internen Normenabgleich, sie werden unterhaltsam und lehrreich, wenn von Disney orchestriert. Das Kapitol zu Washington wird die größte Besucherattraktion der Welt, komplett mit Wasserrutsche und Geisterbahn. Keine Sexskandale mehr und keine First-Lady-Ohrgehänge, die nicht zum Lippenstift passen.

Onkel Dagobert übernimmt die Finanzen der Nation, und deutsche Politiker werden noch öfter nach Washington reisen. Neu wäre: Ihre Kinder kommen gerne mit.

Die Panzerknacker und Klaas Klever spielen die Rolle der Opposition.

Die Finanzierung? Kein Problem. Steuern werden abgeschafft. Im Weißen Haus entsteht ein Gift Shop, Ausländer sind als zahlende Gäste willkommen. Jeder Amerikaner kauft bei Erreichen des konsumfähigen Alters einen Lifetime Disney Pass, und zwar gerne, berechtigend zur Teilnahme an Präsidentschaftswahlen. Die blieben auch weiterhin ein Vergnügen, nur mit noch mehr Musik und Gejohle.

Die Wahlbeteiligung wird steigen. Nie war Demokratie so schön.

Frankieboy zum Achtzigsten: "Es war wie Magie"

6/12/1995

 
Frank Sinatra sei wie ein alter Onkel, den man furchtbar lieb hat, aber zu Weihnachten doch nicht gern am Tisch hat. So stand es im Magazin Newsweek. Nun, Frankieboy hatte es nie leicht mit Journalisten. Mit einigen hat er sich geprügelt. Womöglich täte er es heute noch - "My way" -, würde er nicht am 12. Dezember achtzig.

Tatsächlich. 80. Und er singt noch immer, manchmal jedenfalls. Seine Fans zittern dann mit: Denn dann und wann vergißt Frankie schon mal eine Zeile. Bei einem Konzert im März '94 brach er auf der Bühne zusammen. Macht nichts, er steht immer wieder auf.

Frank Sinatra war zeitlebens hart im Nehmen, hart im Geben, hart im Trinken. Im Alter ist er ruhiger geworden, nun gar schon seit vielen Jahren mit derselben Frau verheiratet. Ein Familienpatriarch ist er geworden, thronend über einem staattlichen Clan.

Bei einer fast dreistündigen Gala zu seinen Ehren saß er zumeist still dabei - Stillsitzen konnte Sinatra früher nie, schon in der Schule nicht, die er deshalb vorzeitig verließ. Diesmal  sah und hörte er andere singen; junge und alte Bekannte: von Ray Charles bis Sinead O'Connor. Auch Bob Dylan gab Frankie die Ehre.

Sinatra hat es immer verstanden, Gräben zu überbrücken. Er war mit John F. Kennedy befreundet - und mit Richard Nixon. Er verehrte Franklin Roosevelt - und Ronald Reagan. Er begann seine Schauspielerkarriere als Tralalasänger - und bekam einen Oskar für seine ernsthafte Rolle in "From Here to Eternity". Er veralberte in jungen Jahren mit Schuhcreme im Gesicht schwarze Musikanten - und stand mit Bravour auf gegen Rassismus und Intoleranz. Er brillierte als Familienvater und als Casanova.

Wenn jemand wegen seiner Hautfarbe oder seines Namens beschimpft oder ausgelacht wird, das kann Sinatra nicht leiden. Das war ihm die Lehre seiner Jugend in Hoboken, wo "Itacker" es schwer hatten in einer Nachbarschaft, die Iren kontrollierten. Vielen blieb Sinatra bis heute als Mafioso-Freund verdächtig, allein schon wegen seines Namens. Sinatra, das klingt so schön sinister.

"Ich habe zeit meines Lebens für Mafiosi gearbeitet," gab Frankie mit der ihm eigenen Direktheit zu: "In Nightclubs. In Vegas. Ich und alle anderen auch."

Mehr aber auch nicht. Darauf besteht er. Mit dem jungen, schmächtigen Sänger im Mafiafilm "Der Pate", der angeblich Sinatra nachgezeichnet ist, will er nicht verwechselt sein.

Der brave Junge von nebenan aber war er nie. Als Kind war er - "wie jeder" - Mitglied einer Straßengang. Sinatra: "Wenn mich jemand "dreckiges kleines Schwein" gerufen hat, gab es nur eins: Brich ihm die Knochen. élter geworden, habe ich begriffen, daß man es so nicht tun sollte. Ich begriff, daß man es durch Erziehung tun soll - vielleicht mit ein paar Ausnahmen."

Robert Mitchum über Sinatra: "Er ist ein Tiger."

In den Vierzigern war Frankieboy "Die singende Sensation", Held unruhiger Träume ungezählter junger Mädchen (die in den USA damals "Bobby-Soxers" hießen). Sinatra war der erste Sänger, um dessentwillen Krawalle ausbrachen, vor dessen Auftritten Stühle angeschraubt werden mußten. "Meine ganze Wirbelsäule vibriert, wenn Du singst," schrieb ihm eine Verehrerin, eine unter Millionen. 1944 galt Sinatra, Enkel mittelloser Einwanderer, als der bestbezahlte Mann der Welt.

Musiker, die mit ihm auftraten und ihn nicht kannten, fragten sich: Was finden die Frauen an diesem knochigen Hänfling? Bis Sinatra zu singen begann. "The Voice" haben sie ihn deshalb getauft: Die Stimme. Viel später dann noch: "Ol' Blue Eyes".

Seine erste Ehe zerbrach unter dem Ansturm der Verehrerinnen, speziell unter dem von Ava Gardner. "Wir fuhren zu einem kleinen gelben Haus im Nichols Canyon," erinnerte sich die Diva später,  "und schliefen miteinander. Und, oh, Gott, es war wie Magie."

Marlene Dietrich hat Sinatra "den Mercedes Benz der Männer" genannt.

Welcher Mann würde von solchen Zeugnissen nicht träumen.

Die Alliance mit Gardner war nur kurz und eruptiv - Sinatra werden mehrere Selbstmordversuche nachgesagt. In späteren Romanzen behielt er einen kühleren Kopf. Gardner folgten, unter anderen, Lauren Bacall, Juliet Prowse, Mia Farrow. Mia war zwanzig, Frankie 50, als sie heirateten. Die Ehe war von kurzer Dauer. Sinatra hatte es vorhergesagt: Aber einen Versuch sei es wert.

Ruhe und Beständigkeit hatte er damals, es waren die wilden Sechziger, in seiner Männerfreundschaft mit Dean Martin und Sammy Davis Jr. gefunden. Er war der Führer des Rudels, er war "The King of the Strip", der Glitzer- und Spielerwelt von Las Vegas, geworden.

1971 dankte der König ab, aber nur für kurze Zeit. Mit "Strangers in the Night" kam er zurück, und wie.

Als er siebzig wurde, war Sinatra längst "eine amerikanisiche Legende". Seinen 75. Geburtstag feierte er mit einer Welttournee. 1993 drängten sich seine Nachfolger als Helden der Jungmädchenträume, mit Sinatra im Duett zu singen. Im Januar bringt er eine neue Platte heraus: "Everything happens to me."

Alles fliegt ihm zu.

Das amerikanische Deutschlandbild 1995 - Deutschland ist Kohl

1/12/1995

 
1995 war das Jahr, in dem Helmut Kohl der entscheidende Sprung gelang. Sein Name, seine unverwechselbare Silhouette fanden Eingang in jene kleine Galerie von Berühmtheiten, die eine Mehrzahl fernsehtüchtiger Amerikaner auf Anhieb erkennt. Deutschland, so scheint es von hier aus, ist Kohl.

Zumal in Good Old Germany ansonsten nicht viel passiert zu sein scheint. In die US-Schlagzeilen geriet es allenfalls als Standort von US-Truppen, wenn die sich auf den Weg nach Bosnien machten. Ansonsten: Ruhe. Verklungen ist der Mauerfall-Jubel. Halbwegs vergessen scheinen auch Rostock, Hoyerswerda und Wuppertal; die überfälle auf Ausländer. Christos Riesenparty am Verpackten Reichstag fügte sich glänzend ins harmonische Bild.

Und über allem schwebte Kohl. Der Super-Kanzler, gerade aus US-Sicht längst eine historische Figur, ist nun schon so lange an der Macht, daß er gemessen an den kurzen Aufmerksamkeitsspannen amerikanischer Reporter und Medienverbraucher schier unsterblich scheint, politisch betrachtet. Seit die Bundesregierung gegen Ausländerfeindlichkeit vorgeht statt sie als Mittel zum Wählerfang auf der Rechten zu instrumentalisieren, seit des Kanzlers gelungenem Auftritt in Israel zumal, ist auch die Kohl-Kritik im jüdischen Lager verstummt.

In die amerikanische Walhalla sofort erkennbarer Gesichter stoßen Ausländer nur höchst selten vor. Mutter Teresa ist das gelungen, dem Papst, Yassir Arafat und Fidel Castro natürlich.

Sollte der Kanzler 1996 abdanken müssen, dürfte er keine Mühe haben, in den USA lukrative Werbeverträge zu finden. Aber beeilen müßte er sich. Wie gesagt: Die Aufmerksamkeitsspanne ist kurz.

Friedensfürst aus Arkansas

1/12/1995

 
Ausgerechnet Bill Clinton. Ein Jahr vor dem Ende seiner (ersten?) Amtszeit sammelt der US-Präsident Punkte als erfolgreicher Außenpolitiker, als Friedensstifter in Bosnien, Nordirland, Nahost und Haiti. Das war ihm nicht in die Wahlurne gelegt.

1992 schlug Clinton Golfkriegssieger George Bush dank des Versprechens, sich mit ganzer Kraft um die Innenpolitik zu kümmern. Als Gouverneur eines US-Bundesstaates - seiner Heimat Arkansas - wußte Clinton, woran das politische System der USA krankt. Von der Welt draußen schien er hingegen wenig zu wissen und wenig wissen zu wollen. Bushs Republikaner machten sich über den Konkurrenten aus dem Hinterland mit dem Spruch lustig, Clinton habe seine außenpolitischen Erfahrungen wohl im "International House of Pancakes" gesammelt, der Niederlassung einer Fast-Food-Kette.

Kandidat Clinton tat wenig, diesem Eindruck entgegenzuwirken. Und auch in den ersten zwei Jahren als Präsident verließ er selten das Land und vermied es, allzu auffällig Reden zur Außenpolitik zu halten. Er bemühte sich um Reformen im Innern, hatte Erfolg mit einigen, scheiterte mit seinen ehrgeizigsten: Vor allem die großangelegte Gesundheitsreform kam nicht zustande. Die Wähler zahlten es Clinton und dessen Demokraten heim und verschafften den oppositionellen Republikanern im Herbst 1994 Mehrheiten in beiden Häusern des Kongresses. Seither kann Clinton innenpolitisch kaum mehr handeln, nur noch reagieren.

Seither hat er Gefallen daran gefunden, zu seiner Außenpolitik sichtbar zu stehen. Erst jüngst hat Clinton daheim eine große Rede wider den Isolationismus gehalten. Sein Credo ist: Die Welt braucht ein starkes Amerika, und Amerika ist nur stark, wenn seine Interessen sich mit seinen Grundsätzen decken. Ist mit anderen Worten die Verschwisterung von Interessenpolitik und gutem Gewissen.

Doch ein engagierter Außenpolitiker war Clinton schon zuvor; es fiel nur kaum auf. Clintons lautverkündete Arkansas-Begeisterung  ließ vergessen, daß dieser Präsident in Oxford studierte, daß er als Teenager Diplomat werden wollte. Im Gegensatz zu vielen seiner Landsleute wußte Clinton schon immer genau, wo Bosnien liegt.

Er ist ein Kind des amerikanischen Wirtschaftswunders. Geboren 1946 in der hintersten Provinz, großgezogen von einer frühverwitweten Mutter, boten ihm gute Schulen - und sein eigener Ehrgeiz - die Chance zum sozialen Aufstieg. Clinton wurde groß in einer Zeit, in der es Mittelschicht-Amerikanern beständig besser ging, und in der nichts unmöglich schien.

Er ist ein "Boomer", in Europa würde man sagen: ein 68er. Er ist der erste US-Präsident, der nach dem Zweiten Weltkrieg geboren wurde. Er protestierte als Student gegen den Vietnamkrieg und trickste sich am Wehrdienst vorbei - weshalb ihm viele Landsleute heute das Recht absprechen, GIs auf den Balkan zu schicken.

Als Teenager hatte Clinton es daheim mit einem trinkfreudigen und gelegentlich gewalttätigen Stiefvater zu tun. Großgewachsen, wie er war, sah er sich früh in der Rolle des Beschützers seiner Mutter und seines jüngeren Stiefbruders. Psychologen leiten daraus Clintons Hang zum Schlichten, seine Sehnsucht nach Harmonie und Anerkennung ab.

(Die Legende will es, daß Clinton spätestens als 15jähriger entschlossen war, eines Tages Präsident der USA zu werden. Als Pfadfinderführer gab er Präsident Kennedy die Hand. Das Fotos wurde drei Jahrzehnte später berühmt.

Auf jeden Fall arbeitete Clinton früh und zielstrebig an einer politischen Karriere. Zurückgekehrt  von den Eliteuniversitäten der Ostküste und Englands - und begleitet von Hillary Rodham aus Chicago - wurde er 1976 zum Generalstaatsanwalt  - Attorney General - von Arkansas gewählt. Zwei Jahre später wurde er, 32jährig,  der jüngste Gouverneur der USA.

In Arkansas, einem der ärmsten und rückständigsten der 50 US-Bundesstaaten, profilierte sich Clinton in seinen insgesamt zwölf Amtsjahren als Gouverneur vor allem als Bildungspolitiker.)

Clinton ist belesen und detailversessen. Sein Charme kann überwältigend sein. Als Chef wird er von manchen verehrt, von anderen gefürchtet. Er ist ein "workaholic". Er schreibt sich seine wichtigsten Reden selbst; wie jene, die er am Grab von Yitzhak Rabin hielt, des ermordeten Ministerpräsidenten Israels.

Schon in Arkansas machten bei jeder Wahl Gerüchte über angebliche Seitensprünge und sonstige Windigkeiten Clintons die Runde. Sie alle tauchten im Präsidentschaftswahlkampf 1992 wieder auf, zur "Charakterfrage" gebündelt.

Seit Nixon wurde kein US-Präsident von einem Teil des Volkes so leidenschaftlich gehaßt wie Clinton. Auf einem Kongreß von Waffenfreunden verkauften sich vor kurzem T-Shirts glänzend, auf denen stand: "Wo ist Oswald, wenn man ihn braucht?"  Lee Harvey Oswald war der Mann, der Kennedy erschoß.

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