Uwe Knüpfer
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Geld rein, Klappe zu

13/1/1990

 
ZuWoran es den Universitäten wirklich fehlt: an Geist und guten Professoren

Aktualisiert 13. Januar 1989  07:00 Uhr  Von Uwe Knüpfer

Rund 250 000 Studienempfänger strömten zu Beginn des Wintersemesters in die heruntergewirtschafteten bundesdeutschen Hochschulen – viel mehr als je zuvor. Das weiß inzwischen jeder, der in Deutschland Zeitung lesen kann, denn alle haben es berichtet – von Bild über Spiegel bis zur ZEIT – bebildert, bestaunt. Und so hat auch jeder Verständnis für die armen Studenten und ihre Professoren, die zusammengepfercht in ihren Hörsälen streiken. Der deutsche Katastrophen-Voyeur hat ihnen ein Kämmerlein in seinem weiten Herzen freigemacht, nahe dem für die Hühner aus den Legebatterien. Er hat ein neues Notstandsgebiet entdeckt, den Campus.

Die Zahl 250 000 ist frei erfunden. Es war im 26. September des alten Jahres, das neue Semester hatte noch nicht begonnen, in Bonn tagte die Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung. Den Vorsitz in dieser normalerweise gepflegt gelangweilten Runde aus Bildungsbürokraten und -politikern führte Jürgen W. Möllemann, der Bundesbildungsminister. Da die reguläre Tagesordnung an jenem Tag – wie meist – beim besten Willen keine Schlagzeile versprach, erteilte der Vorsitzende sich selbst das Wort zu einer Philippika gegen alle Abwarter, Abwiegler und Abwäger. Er machte das „Affentheater“ – so stand es am nächsten Tag auch brav in den Zeitungen – nicht länger mit, hier mit den Ländern über irgendwelche Kautelen oder Kompetenzchen zu feilschen, derweilen draußen 250 000 junge Menschen zusätzlich in die Hörsäle drängten, viel mehr als je zuvor. Wer auf diese spektakuläre Zahl nicht spektakulär reagiere, werde bald sein blaues Wunder erleben.

Die versammelten Minister und Staatssekretäre der Wissenschafts- und Kulturressorts in den Ländern wunderten sich zum einen über den Kenntnisstand des Kollegen aus dem Bund, denn verläßliche Studentenzahlen gibt es immer erst etwa zwei Monate nach Studienbeginn. Zum anderen staunten sie über die Art, wie sie angeblafft wurden – an einem Ort, wo Sottisen sonst das Äußerste sind, was man einander zuwirft. Der eine oder andere Dienstherr der Hochschulen machte sich noch die Mühe, auf die Anstrengungen hinzuweisen, die seine Regierung durchaus schon eingeleitet habe, um den vielen Studierenden gerecht zu werden ... Das sei alles Kleinkram, belehrte ihn der Vorsitzende, ein Zwei-Milliarden-Programm müsse her, und er, Möllemann, werde die Hälfte davon schon beschaffen, wenn die Kollegen aus den Ländern vorher die andere Milliarde auf den Tisch legten. Nein, mit dem Kanzler oder Herrn Stoltenberg habe er noch nicht gesprochen, aber, wie gesagt, über Kinkerlitzchen solle man doch bitte schweigen, wo von einer nationalen Aufgabe die Rede sei.

Der „Neue Studentenboom“ war geboren, noch ehe es ihn gab. Pünktlich zum Vorlesungsbeginn schickte jeder Chefredakteur, der sich auf seinen scharfen Themen-Riecher viel zugute hält, Photographen und Reporter in die nächste Alma mater. Fündig zu werden, fiel denen nicht schwer, denn die Anfängervorlesungen quollen tatsächlich über, wie jedes Jahr um diese Zeit und besonders im Modefach der Saison, der Betriebswirtschaftslehre. Und so lachte dem Zeitungsleser am nächsten Morgen allüberall der Student mit dem Klappstuhl gequält entgegen.

Für die Studenten begannen herrliche Wochen. Nach entbehrungsreichen Jahren ohne öffentliche Aufmerksamkeit und Zuneigung war endlich ihre Meinung zur Ausbildungssituation gefragt, und wie. Natürlich wußten sie die richtige Antwort: Katastrophal!

Sie wären nicht die Blüte ihres Jahrgangs, wenn die Studienanfänger nicht sofort begriffen hätten: Jetzt ist action gefragt. Als hellwache Medien-Demokraten formierten sie sich prompt zur „Neuen Studentenbewegung“. Es begann mit vereinzelten Streiks, die kaum anders verliefen als jedes Jahr zu dieser Zeit. Nur mit zwei kleinen Unterschieden: Diesmal wurde die Rektoratsbesetzung in Duisburg, die im vorigen Jahr selbst vom örtlichen Anzeigenblatt verschlafen worden wäre, noch in Hamburg und Frankfurt mit einem wollüstigschaudernden „Na-bitte!“ medienmäßig registriert; und die Akteure wirkten diesmal viel zuversichtlicher und fröhlicher als sonst – und wurden bald auch zahlreicher.

Im Gegensatz zur „Alten Studentenbewegung“ betrat die neue eine bereits gut ausgeleuchtete Bühne vor einem ergriffen wartenden Publikum. Der Auftritt gelang, der Applaus brandete von taz bis FAZ und zurück. Besonders beglückt zeigte sich das Frankfurter Blatt: Endlich eine Studentenbewegung, wie man sich den Schwiegersohn wünscht: zielstrebig und brav, das Machbare stets im Blick, großen Theorien abhold, selbstbewußt und dabei heiter. Und dann noch Hand in Hand mit den Herren Professoren! Herzerquickend. Erst als zu den artigen Forderungen nach mehr Professoren und größeren Hörsälen auch solche nach einer Veränderung der Paritäten in den Gremien kamen, hob die FAZ leitartikelnd ihren Zeigefinger: Kinder, folgt nicht den linken Verführern!

Da fügte es sich gut, daß just in dieser Zeit die Regierungschefs aus Bund und Ländern dem Bundesbildungsminister und den Studenten ein schönes Weihnachtsgeschenk einzupacken versprachen: ein – tatsächlich – Zwei-Milliarden-Programm. Gestreckt auf sieben Jahre. Ordentliches Protestieren sei eben erfolgreich, schrieben einige Kommentatoren flink – und stellten ihr eigenes Licht gehörig unter den Scheffel.

Die Aktivisten unter den Studenten rochen zwar den Braten und forderten flugs zwei Milliarden jährlich. Doch ist noch sehr die Frage, was im neuen Jahr übrig sein wird von der neuen Bewegung der Studenten. Hochschulleitungen, die nun die gerufenen Geister auch gern wieder in der Flasche hätten, haben noch kurz vor Ausrufung der akademischen Weihnachtspause sedierend gedroht, womöglich ein ganzes, im Streik vertanes Semester nicht anerkennen zu können. Das wird auf die angehenden Schwiegersöhne (und -töchter) seine Wirkung doch wohl nicht verfehlen. Denn, mein Gott, wenn es jetzt kein Ende hätte mit dem Protest, wenn es weiterginge: Was dann alles aufbrechen könnte! Zwar tragen deutsche Professoren ihren Talar heute zumeist nur bei Festlichkeiten im Ausland – Muff ist aber immer noch genug darunter.

Daß Geld es ist, was bundesdeutschen Hochschulen noch am wenigsten fehlt, wird jeder Gastdozent aus dem Ausland, jeder Humboldt-Stipendiat bestätigen. Aber vielleicht würde ja, wenn wieder mehr an und über Hochschulen diskutiert würde, darüber gesprochen, warum die meisten akademischen Studienordnungen noch immer so aussehen, als sei es die einzige Aufgabe der Universität, ihre Professoren zu reproduzieren. Wo doch weit mehr als 90 Prozent aller Hochschulabsolventen dermaleinst alles mögliche tun und sein werden, nur das eine nicht: deutscher Professor.

Oder es würde darüber gesprochen, warum Generationen angehender Juristen nach der ersten Orientierungsphase in tatsächlich vollen Hörsälen zu den Repetitoren pilgern. Oder darüber, warum es unter den rund 25 000 Professoren so wenige von Weltruf gibt – und auch nur wenige, die ihre Studenten begeistern können und wollen.

Denn es stimmt schon, daß es die angehimmelte Hochschulautonomie nicht gibt, deren Verlust immer dann besonders elegisch beklagt wird, wenn es über den Staat zu zetern gilt, dessen bürokratische Organe gelegentlich ihrer Pflicht nachkommen, den Fluß der Milliarden Mark an Steuergeldern hinein in die Hochschulen mehr oder weniger penibel zu kontrollieren oder (Pfui Teufel!) in Einzelfällen sogar in Frage zu stellen. Ansonsten gibt es nur die alltägliche Autonomie des Hochschullehrers, insbesondere desjenigen mit dem C4-Gütesiegel. Acht Wochenstunden während des laufenden Semesters (das gottlob nie lange dauert) muß er in der Regel der Lehre widmen. Worüber und auf welche Art, ist fast vollständig ihm überlassen. In der restlichen Zeit forscht er wahrscheinlich.

Hochschulleitungen gelingt es im besten Fall, die zahlreichen Partikularinteressen der Hochschulangehörigen zu bündeln durch Addition und Vorlage der Rechnung beim großen Nährer Staat. Oder sie verkörpern sich in starken Rektoren oder Präsidenten, welche als leicht barocke Figuren die hinter ihnen stehende „öffentliche Körperschaft“ repräsentieren wie konstitutionelle Monarchen. Der akademische Mittelbau darf sich um die Einheit von Forschung und Lehre kümmern und seinen Frust in der Personalvertretung artikulieren. Die Studenten sollen studieren.

Im „Dossier“ der ZEIT war jüngst die originelle Behauptung zu lesen, die Ausrufung des Bildungsnotstandes durch Georg Picht in den sechziger Jahren habe den massiven Ausbau der Natur- und Ingenieurwissenschaften und den damit einhergehenden Verfall der rühmlichen deutschen Geisteswissenschaften zur Folge gehabt. Kann schon sein, daß Verfall das richtige Wort ist. Sollte es ihn geben, hinge er aber sicher nicht damit zusammen, daß es in der Bundesrepublik heute zu wenig Philosophen, Philologen oder Pädagogen – im akademischen Sinne – gäbe. Das Gegenteil ist der Fall: Nie gab es in diesem Lande so viele davon. Die Zeit des gigantischen Ausbaus der Hochschulen war auch die Zeit des großen Lehrerausbildungsschubs – und die der Aufblähung der Philosophischen Fakultäten.

Dennoch kommt kaum einer der Gedanken, die sporadisch die Welt bewegen, wenigstens die bundesdeutsche, aus den Studierstuben der Universitäten. Woran mag es liegen, daß ein einziger Aufsatz von – sagen wir: Hans Magnus Enzensberger – mehr anregende Ideen enthält als zehn geisteswissenschaftliche Dissertationen heute üblicher Art? Auch darüber könnte gesprochen werden, wie über vieles mehr.

Wahrscheinlich wird aber überhaupt nicht gesprochen. Am Ende müßte man sonst womöglich Konsequenzen ziehen. Wahrscheinlich werden „Neuer Bildungsnotstand“ und „Neue Studentenbewegung“ genauso enden wie andere Saison-Phänomene auch: Geld rein, Klappe zu.

Schade wär’s.

  • Quelle DIE ZEIT, 13.1.1989 Nr. 03
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Junge Leute: Stehen da und stellen Ansprüche

1/1/1990

 
Stehen da und stellen Ansprüche von Uwe Knüpfer

Aktualisiert 22. Juni 1984  08:00 Uhr  Unter der Überschrift „Zur Strafe auf die Uni“ sang die junge Studentin Claudia Duchene das Klagelied der unfreiwilligen Studenten, die die Hörsäle bevölkern und doch viel lieber etwas ganz anderes lernen würden (ZEIT Nr. 25). Der Vorspann zu diesem Beitrag ließ Distanz, ja Ironie erkennen („ja, sie sind übel dran, die jungen Menschen ...“). Er hat diese Antwort provoziert.

Die Jungen verstehen die Alten nicht, und den Alten fehlt das Verständnis für die Jungen. Das ist nichts Neues. Seitdem das verkrampfte „Gespräch mit der Jugend“ abgelöst wurde durch Helmut Kohls lockeres Lächeln mit der Jugend (von den CDU-Plakaten herab zu uns Wählern), darf man sich endlich wieder so richtig herrlich nichtverstehen. Die gezwungene Suche nach Gründen, das Vorgeben und Erheischen von „Verständnis“, das alles braucht nicht mehr zu sein. Seitdem keine Steine mehr fliegen, können und dürfen auch die Alten Vorurteile und tiefsitzendes Unverständnis wieder pflegen und – äußern. Die Jungen haben von dieser lieben Gewohnheit ohnehin niemals gelassen. Das „Gespräch mit der Jugend“, ja das war in aller Munde. Aber wer von den Jungen wollte das „Gespräch mit dem Alter“?

Wo also eine junge Studentin heute über Perspektivlosigkeit klagt, von der vermeintlich schönen, ihr aber verschlossenen Welt des Handwerks träumt, da darf ein gestandener Mann mit Lebenserfahrung (und sei es ein Redakteur) sich auch wieder öffentlich belustigen über diesen ihren Mangel an Optimismus, an Initiative, an Kampfgeist. Zur Freude seines Publikums, des älteren also: Wie jämmerlich wirkt doch eine Jugend, die jammert!

Sicher, junge Menschen haben es heute schwer: Arbeitslosigkeit, Lehrstellenmangel, Verlust des Fortschrittsglaubens. Aber junge Menschen hatten es doch immer schwer. Und wer will, wer wirklich will, der beißt sich durch. Der biß sich immer durch. Wenn ich keine Lehrstelle finde, wie ich sie mir wünsche, mit Selbstverwirklichung am Arbeitsplatz und so weiter, dann suche ich mir halt einen Job, und sei es als Büglerin, und mache das Beste draus. Wo Gedränge herrscht, da gilt es, Nischen zu entdecken. Etwa im Dienstleistungsbereich, wo Möglichkeiten schlummern, an die lange niemand laut zu denken wagte. Es geht bei uns ja – Gott sei Dank! – nicht allen schlecht.

Vielen geht es sehr gut. Und endlich dürfen sie das auch wieder zeigen. In einem Magazin für Feinschmecker beklagte sich ein Journalist kürzlich darüber, daß Mann auf Reisen niemanden finde, der ihm seine Hemden bügelt. Ganz anders in Amerika. Dort stürzen sich die Menschen willig auf jede Art von Arbeit, für die man bezahlt. Auch wenn sie vorher studiert haben oder sonstwas waren. Keine Spur von Dünkel.

Alles Gute kommt von drüben wieder. Mag sein, die erzieherische Kraft der Rezession beschert auch uns erneut Stubenmädchen und Brötchenjungen, willige Büglerinnen wie dankbare Schuhputzer. Die Jugend muß nur wollen!

Aber noch will sie nicht, noch bestätigen Ausnahmen nur die traurige Regel. Statt dessen beklagt sie sich, weil sie die strahlende und sorgenfreie Welt der Werbung, in der sie großgeworden, nach der Schule in der Wirklichkeit nicht wiederfindet.

Großgeworden sind die heute 20jährigen bekanntlich mit einer Pädagogik, die zu glauben lehrte, Konkurrenz sei böse, Solidarität gut. Und wo immer sie hinkamen, war die Welt schon fertig. Es wurde ihnen beigebracht, daß Ansprüche stellen muß, wer etwas bekommen will. Daß man sich, so man sucht, nach Wegweisern zu richten hat.

Ein Schüler der Sekundarstufe II lernte doch nicht, einfach nur so gut zu sein, auf irgendeinem als interessant empfundenen Gebiet. Daß es ebenso nützlich wie schön sein kann, aus einem vorgeebenen System auszubrechen, auf eigene Faust, Eigenes zu suchen, dieser ihm vielleicht schon von der Natur mitgegebene Gedanke wurde einem solchen Schüler doch mit zäher pädagogischer Geduld und gründlich ausgetrieben. Punkte zu sammeln sei wichtig, lernte er, egal in welchem Fach. Ein durchtriebenes System der Leistungsbewertung zu durchschauen und auszutricksen, das lernte er. Sich später nahtlos einzufügen in das Volk der Antragsteller und der Steuerbetrüger.

Und jetzt steht er da, studiert irgend etwas, das ihn nie interessierte: Doch eben dieser Fachbereich stand ihm offen – und dumm wäre er gewesen, diese Chance etwa nicht zu nutzen. Und plötzlich sind all die schönen Kanäle verstopft.

Einen Job will er haben, einen gutbezahlten noch dazu, in einem Beruf, der ihm Spaß macht? Lächerlich. Träumt womöglich gar schon jetzt von einer sicheren Pension! Der „nahtlose Übergang vom Bafög zur Rente“, Sie wissen?

Der gestandene Ältere aber, der längst schon auf einem gutdotierten Arbeitsplatz sitzt, wie es seiner akademischen Ausbildung entspricht, klopft sich lachend auf die Schenkel. Etwas Schadenfreude ist dabei, durchaus. Endlich sind die Jungen mal düpiert und nicht die Alten. Stehen da und stellen Ansprüche an die Wohlstandsgesellschaft, die sie doch so verachtet haben.

Das Kapitel aus dem Roman vom Generationskonflikt hat ein Happy-End, vorerst. Kriegt doch im Grunde jeder das, was er so gerne wollte: die Alten eine Jugend, die aufschaut und strampelt, sich anstrengt und buckelt, die Jugend eine Aufgabe: zu vergessen, was sie lernte, und mit eigenen Händen ganz was Neues aufzubauen.

Uwe Knüpfer

  • Quelle DIE ZEIT, 22.6.1984 Nr. 26

Kein Herz für Kinder

1/1/1990

 
Korrespondenten der New York Times in vielen Ländern der Welt haben ausgeschrieben, wie es Fremden mit Kindern dort ergeht. Sie geben ihren Lesern Tips, wohin sie als Touristen mit ihren Sprößlingen zu deren Unterhaltung gehen können.

In London empfiehlt sich ein Besuch im Zoo, in Moskau der Gang ins Puppentheater. In China, so erfahren wir, kann man immerhin prächtiges Kriegsspielzeug erwerben, wenn auch keine Wegwerfwindeln. Toll für Kinder sind Griechenland und Spanien. Probleme entstehen in Moskau, schon allein, weil es dort keinen McDonald’s gibt. Dabei sind die Russen im Grunde kinderlieb. Ganz anders als wir Deutschen. Für New York Times-Korrespondent James M. Markberg zählt die Bundesrepublik zu jenen Ländern, die eine amerikanische Familie auf Reisen besser meidet: ‚Wenn Sie mit Ihren Kindern eine schöne Zeit in diesem Teil der Welt erleben wollen, nehmen Sie sie mit nach Holland. Dort lieben sie Kinder.“

Nicht daß es in Deutschland keine Attraktionen gäbe: Da wäre immerhin die Fußball-Bundesliga – die aber dummerweise ausgerechnet im Sommer pausiert. Doch in dieser Jahreszeit, schreibt Markham, entschädigt die Kleinen eine Bootsfahrt auf dem Rhein oder ein Museumsbesuch: „Das Deutsche Museum in München ist ein Smithsonian im Kleinformat.“

Auch seien die Parks schön und zahlreich hierzulande; das wär’ schon was: „Doch die Rasenflächen sind für Hunde gedacht und nicht für Kinder.“

Außer in den ihnen zugewiesenen Reservaten, so sieht es der Autor, sind Kinder in Deutschland im Grunde allerorten unerwünscht. Und nur ein langes deutsches Hauptwort scheint ihm „schrecklich“ genug, dieses Verhalten treffend zu benennen Kinderfeindlichkeit.

„Wenn meine Kinder mit dem Bus zur Schule fahren, treffen sie regelmäßig auf ältere Deutsche, die sie herumstoßen, quetschen und ihnen den Sitzplatz streitig machen; lachen die Kinder oder werden sie beim Scherzen laut, werden sie mit barschen Drohungen zur Ordnung gerufen – jedenfalls wird der Versuch unternommen.“

Zwar klebten sich die Deutschen gerne Aufkleber an ihre Autos, die behaupten, der Fahrer besitze „Ein Herz für Kinder“, aber „ihre aggressive Fahrweise führt zu fürchterlichen Unfällen mit Kindern im Straßenverkehr“.

An Kreuzungen und Übergängen mit Ampeln sollten sich Touristen daher besser deutschen Gewohnheiten anpassen, rät Markham: stehenbleiben, warten, sich nach den Signalen richten. Aber auch nur dort, denn: „Die einzige Möglichkeit für einen Touristen, mit der allgegenwärtigen Kinderfeindlichkeit klarzukommen, besteht darin, die Einheimischen einfach zu ignorieren. Wenn ältere Menschen mittels böser Blicke versuchen, Ihre Kinder zu bändigen, blicken Sie genauso böse zurück!“ Uwe Knüpfer

  • Quelle DIE ZEIT, 20.7.1984 Nr. 30

Tee: Abwarten wird teuer

1/1/1990

 
Steigender Verbrauch treibt die Preise

Aktualisiert 17. August 1984  08:00 Uhr 

Von Uwe Knüpfer

Horst Fischer beugt sich leicht hinunter zu der henkellosen Tasse aus weißem Porzellan, führt sie zügig zum Mund und saugt den Tee mit einem laut schlürfenden Geräusch in sich hinein. Jetzt hebt er den Kopf, den Blick ins Nirwana gerichtet, bewegt den Schluck sichtlich in seinem Mundraum hin und her und gibt dabei dreimal rasch hintereinander ein Geräusch von sich, das sich als eine Mischung aus Grunzen und Glucksen nur unvollkommen beschreiben läßt. Neben ihm steht, auf Rollen, ein hoher Kupfereimer. Hierin landet die verbrauchte Probe – wie ein ausgekauter Priem.

„Ist in Ordnung“, sagt Horst Fischer. Er ist Teataster – „Teeprobierer“ übersetzt er selbst – bei der Tee-Im- und Exportfirma Hälssen und Lyon im Hamburger Freihafen. Fischers Probier-Kontor ist vollgestopft mit Blechdosen und einer bunten Vielfalt von Teetüten und -tütchen aus aller Welt – soweit sie Tee produziert. An der Wand hängt eine Tafel mit den wichtigsten Devisenkursen, stets auf dem aktuellen Stand. Während Horst Fischer schluckt und gluckst und spuckt, entscheidet er für seine Firma über Ausgabe oder Nichtausgabe mitunter sechsstelliger Beträge. „Ich muß heute schmecken, was der Kunde in einem halben Jahr kaufen will“, beschreibt er sein Geschäft.

Anders als ihre Kollegen in der Kaffee-Branche schließen Teehändler nur in Ausnahmefällen feste Lieferverträge mit Tee-Exporteuren oder Plantagen ab. In der Regel führt der Weg des Tees vom Erzeuger zum Verbraucher über Auktionen; in London, vor allem aber in Kalkutta und anderen Metropolen des Fernen Ostens. Diese Börsenplätze haben eine gewaltige Hausse hinter sich. Länger als ein Jahr kletterten die Teepreise am Weltmarkt auf immer neue Rekordmarken; seit Mai etwa halten sie sich auf hohem Niveau.

Die deutschen Teetrinker haben davon aber bislang kaum etwas zu spüren bekommen. Auch nachhaltige Preisbewegungen am Weltmarkt erreichen den Verbraucher hierzulande erst viele Monate später, mit stark abgeschwächter Wirkung. Dennoch: Anfang 1984 erhöhten einige Marken ihre Preise um rund zehn Prozent, und Experten rechnen mit weiteren Anhebungen noch im Laufe dieses Jahres. Langfristig wird Tee teurer, denn weltweit wird Jahr für Jahr mehr davon getrunken. Einer Ausweitung der Produktion guter Tees sind aber ökologische Grenzen gesetzt.

Im Hamburger Hafen, dem bedeutendsten Tee-Umschlagplatz des Kontinents, lagern ständig rund zehntausend Tonnen dieses haltbaren Genußmittels. Damit kämen Deutschlands Teetrinker ein halbes Jahr lang aus. Aber nicht nur die Händler – also Importeure – sondern auch die Packer – also Vermarkter – halten Lager. Markentees sollen nämlich immer gleich schmecken. Der Geschmack der Blätter wechselt aber von Erntewoche zu Erntewoche, von Plantage zu Plantage. Mischungen wie die „ostfriesische“ oder die „englische“ müssen deshalb ständig neu zusammengesetzt, zusammengeschmeckt werden. Das besorgen die Teataster. Teure Tees verschneiden („blenden“) sie mit preiswerteren, neu angelandete mit schon länger gelagerten Vorräten.

Die hohen Zinsen der letzten Jahre haben die Lagerhaltung verteuert. Viele Packer (nicht Händler!) räumten daher ihre Lager. Auch deshalb konnten sie ihre Preise lange halten.

In Deutschland trinken fast nur Kenner Tee. Deshalb kaufen deutsche Händler in Indien und Sri Lanka stets die besten – und damit teuersten – Sorten und Ernten auf. Die meisten Kenner leben in Ostfriesland. Ein Fünftel aller importierten Tees endet in friesischen Aufgüssen. Teebeutel werden dort nur selten verwandt, und auch bundesweit konnten sie ihren Marktanteil von fast fünfzig Prozent in letzter Zeit nicht mehr vergrößern. Auch der Boom der künstlich aromatisierten Kirsch-, Whisky- und-so-weiter-Tees scheint vorüber. In Skandinavien, Italien und Amerika beginnt er erst, zur Freude der deutschen Händler.

Ein halbes Pfund Tee brüht der statistische Durchschnittsdeutsche pro Jahr auf, drei Kilogramm der Ostfriese, noch mehr verbrauchen nur Briten und Iren.

Seit die Opec-Länder zu Geld gekommen sind, steigt der Teeverbrauch auch im Nahen Osten; In Saudi-Arabien etwa verzehnfachte er sich beinahe zwischen 1977 und 1981. Folgenschwerer noch für den Welt-Teemarkt ist das Bevölkerungswachstum im wichtigsten Erzeugerland, in Indien. Die Inder trinken jährlich etwa um so viel mehr Tee, wie die Bundesdeutschen insgesamt verbrauchen. Allerdings nehmen die armen Inder, anders als die reichen Araber, vor allem mit billigeren Sorten vorlieb, sogenannten „bread-and-butter-teas“. Deren Preise sind denn auch an den Auktionsorten am kräftigsten gestiegen, zumal während des indischen Exportverbots für schlichte, Sorten, das im Dezember 1983 verhängt und erst im Mai angesichts außerordentlich reichhaltiger neuer Ernten wieder aufgehoben wurde.

In Sri Lanka, dem zweitwichtigsten Tee-Exportland, ist die Produktion rückläufig. Nach der Verstaatlichung der Teeplantagen kamen oftmals Personen in leitende Funktionen, die die Kunst des Teeanbaus schlechter beherrschen als die des politischen Ränkespiels. Zudem gehen den ceylonesischen Plantagen die Facharbeiter aus. Die geibten Teeverarbeiter und Pflückerinnen gehören nämlich der tamilischen Minderheit an. Ihre Vorfahren wurden von britischen Plantagenbesitzern einst von Indien her nach Ceylon umgesiedelt. Heute bemühen sich die Regierungen beider Länder um eine Rücksiedlung der Tamilen. Die Folge: Auf den Plantagen arbeiten neuerdings Angehörige der singhalesischen Bevölkerungsmehrheit, und inzwischen erledigen auch Männer hier und dort die traditionelle Frauenarbeit des Pflückens.

Männer und Frauen traten im April auf vielen Plantagen Sri Lankas gemeinsam in den Streik. Sie setzten durch, daß beide Geschlechter jetzt gleich bezahlt werden. Der Tagelohn beträgt seither umgerechnet 2,20 Mark; Kinder bekommen etwas weniger.

Sri Lanka bezieht rund dreißig Prozent seiner gesamten Exporterlöse aus dem Teegeschäft. Der Staat verdient gleich dreifach: Als Plantagenbesitzer und durch das Erheben von Steuern und Zöllen. Es leben außerdem vom Tee: Broker an den Auktionsorten, Exportfirmen und europäische Händler. Dennoch entfallen von einer Mark, die ein deutscher Verbraucher für Tee ausgibt, nur 25 Pfennig auf die Kosten der importierten Ware. Weitere 25 Pfennig gehen für Kosten und Gewinn des Packers drauf 16 Pfennig kassiert der deutsche Fiskus. Und 34 Pfennig schließlich sind für den Händler reserviert, der den abgepackten Tee dem Verbraucher verkauft. Helmut Grösser vom Deutschen Teebüro: „Die große Handelsspanne ist leider nötig, weil Tee keinen Umsatz hat.“

Die deutsche Teekultur im Blick, könnte Grösser auch von einem Teufelskreis sprechen. Geringer Umsatz der Branche bedeutet für sein Teebüro: vergleichsweise wenig Geld für Werbung. Und so wird die Mehrheit der Deutschen wohl nie lernen, Tee richtig zuzubereiten. Tee, so sagen Experten, könne sein göttliches Aroma nur entfalten, wenn das Wasser sauber, die Aufgußmenge reichlich bemessen und von keinem engen Tee-Ei an seiner Geschmacksentfaltung gehindert ist.

Horst Fischer, der Teeprobierer im Hamburger Hafen, kostet im Schnitt zweihundert Sorten Tee täglich. Jede davon, behauptet er, kann er wiedererkennen. Viele Worte verliert er darüber nicht. Seine Antwort auf die Frage: „Wie schmeckt denn nun der Tee, den Sie gerade getestet haben?“ entbehrt des blumigen Vokabulars seiner Kollegen von der Wein-Zunft: „Gut“.

  • Quelle DIE ZEIT, 17.8.1984 Nr. 34

Nahverkehr: Eiserne Schaffner

1/1/1990

 
Aktualisiert 17. August 1984  08:00 Uhr  Passé sind jene glücklichen Zeiten, da ein Reisender in fremden Städten nur die Tram zu besteigen, dem Schaffner sein Ziel zu nennen und den geforderten Betrag zu zahlen brauchte. In Bussen geht’s ja noch. Da sitzt, sichtbar und zugänglich, ein Fahrer, und mit dem sollte sich doch reden lassen. Auf S- und U-Bahnhöfen aber stehen große, eckige, nicht immer funktionsbereite Klötze aus Metall und Plastik: Fahrscheinautomaten.

Vielleicht, weil solche Geräte einem rascheren Generationenwechsel unterliegen als wir Menschen, steht der rückständige Reisende heute so oft staunend und hilflos vor dieser weit fortgeschrittenen Fahrkartenausgabetechnik der öffentlichen Nahverkehrsunternehmen.

Die Geräte der ersten Generation, Kurbelautomaten noch, gelten Experten heute als „wenig flexibel“ und gleichen so vielen Benutzern. In den siebziger Jahren wurden sie weithin ersetzt durch Apparate, die immerhin schon verschieden wertvolle Karten auszuspucken verstanden, aber noch kein Wechselgeld. Das war die zweite Automatengeneration. In großen Städten begegnen wir heute schon den Enkeln der Kurbelgeräte. An ihnen erlaubt eine Vielzahl von Drucktasten eine reiche Fahrkartenauswahl, ein eingebauter Nadeldrucker beschriftet Blankotickets, ganz nach Kundenwunsch, zuviel eingezahlte Geldbeträge werden wieder ausgespuckt.

Möglicherweise wird die vierte Generation, die etwa für Anfang der 90er Jahre zu erwarten wäre, dem alten Schaffner wieder ähnlicher: durchaus denkbar, daß die Geräte dann sprechen können. Einstweilen helfen dem Reisenden nur Tabellen, Karten und behördendeutsche Texte bei der Beantwortung von Fragen wie diesen: In welcher Tarifzone befinde ich mich, in welcher Wabe liegt mein Fahrziel, welche Verbundstufe gilt derzeit, und welche der bis zu 17 Preisstufen ist meiner Fahrstrecke wohl zuzuordnen?

Man merkt es sofort: Bei der Planung der Verkehrsverbünde waren deutsche Tüftler am Werk. Sie ersannen Systeme, Regeln und Ausnahmeregelungen, bei deren Studium die Berufsgrammatiker der Duden-Redaktion blaß werden können.

In Stuttgart etwa richtet sich der Fahrpreis „nach der Zahl der Zonen, die bei einer Fahrt berührt werden. Ausnahme: Werden auf einer Fahrt die Kernzone und mindestens zwei Zonen des Innenrings berührt, wird eine Zone des Innenrings nicht berechnet.“ In Hamburg ist das ganz anders. Aber wiederum auch nicht so wie in Köln oder München.

Die bayerische Metropole hat ganz was Besonderes zu bieten: den Straßenunterführungstarif. Was auch immer, jedenfalls ist er preiswert: 30 Pfennig.

Als preiswert gilt auch das Lösen von Sammel- oder Mehrfachkarten, weißen oder grünen, Zeitkarten oder Verbundpässen, gelben oder grünen, oder – Gipfel des Ganzen – der Frankfurter top-ticket-Wertmarke. Guten Gewissens ist der Kauf solcher Karten aber nur Zeitgenossen zu empfehlen, die sich nach Aneignung der Grundregeln des jeweiligen Tarifwesens nun zu einem tieferen Einstieg in die Welt der Waben und Zonen berufen fühlen.

Natürlich gibt es auch Rabatte. In Berlin für Touristen, in Hamburg für Familien, in Stuttgart für Kongreßteilnehmer und im Ruhrgebiet für Arbeitslose.

Experten, die sich einen Vergleich der im Grunde unvergleichlichen Tarifsysteme zutrauen, sagen: In München ist es am billigsten. Ganz sicher gilt das für Fahrten erster Klasse; die kosten dort nichts extra.

Münchner müssen umlernen, kommen sie doch einmal ins Rheinland oder nach Westfalen. Die Verkehrsverbünde dort verlangen ihren Kunden ein gerüttelt Maß an Demut ab: Sie fordern sie zur Selbstentwertung auf. Uwe Knüpfer

  • Quelle DIE ZEIT, 17.8.1984 Nr. 34

Nicht Vater, nur Erzeuger

1/1/1990

 
Der beschwerliche Weg durch die Bürokratie von Uwe Knüpfer

Aktualisiert 31. August 1984  08:00 Uhr  Der Gesetzgeber hat es bewußt in Ihr eigenes Interesse gelegt, mit der Mutter Ihres Kindes verheiratet zu sein.“ Der Standesbeamte lehnt sich würdevoll zurück und schaut den stolzen, doch ledigen Vater auf der anderen Seite seines Schreibtisches beschwörend an. „Stellen Sie sich vor, Ihr Kind darf ja von Rechts wegen noch nicht einmal ‚Papa‘ zu Ihnen sagen! Vor dem Gesetz sind Sie nur sein Erzeuger.“

Der Ehrentitel Vater ist Ehemännern vorbehalten. Die Diskriminierung unehelich geborener Kinder wurde wirksam bekämpft, auch ledige Mütter stehen heute in vielerlei Hinsicht besser da als noch vor wenigen Jahrzehnten. Ledige Väter hingegen sind nicht nur rechtlos gegenüber ihren Kindern, sie müssen sich, haben sie mit Ämtern zu tun, Diskriminierungen und Schikanen gefallen lassen.

Benjamin wurde zu Hause geboren. Die Hebamme bescheinigte die Geburt. Der Vater, der rechtlich keiner ist, ging zum Standesamt, um das freudige Ereignis der Behörde zu vermelden. Da sitzt er nun, diktiert den Namen der Mutter und gibt auch seinen eigenen an. „Benjamin“, fügt er hinzu, solle sein Sohn heißen. Der Beamte bedauet: „Das sagen Sie. Wir brauchen aber eine schriftliche Bestätigung der Mutter, daß sie diesen Namen will.“ Das leuchtet dem Vater ein.

Doch dann bekommt er die Geburtsurkunde, liest sie und wundert sich. Unter „Eltern“ steht dort nur der Name der Mutter, sodann: Punkt–Strich-Punkt. Noch immer frohgestimmt, erinnert er daran, daß er seinen Namen doch schon nannte „Ja, das ist auch wichtig. Wir müssen schließlich wissen, wer die Geburt gemeldet hat“, lautet die Antwort. Ob das denn ernstlich nötig sei, will der naive Vater wissen und bietet an, zur Bestätigung seiner Vaterschaft gern eine schriftliche Bestätigung der Mutter beizubringen.

Geduldig holt der Beamte aus, erläutert die Rechtslage: „Bei nicht ehelich geborenen Kindern tritt automatisch eine Amtspflegschaft ein. Das Jugendamt erhält von uns eine Nachricht und wird dann Ihre ... äh... Frau vorladen und nach Namen und Anschrift des Erzeugers fragen. Kann sie beides angeben, werden als nächstes Sie angeschrieben und ebenfalls vorgeladen. Man wird Sie dann fragen, ob Sie die Vaterschaft anerkennen. Wenn Sie ja sagen, erhalten wiederum wir vom Jugendamt darüber eine Mitteilung.“

Der Standesbeamte holt ein dickes Buch hervor, in dem die Gemeinde alle angezeigten Geburten chronologisch festhält. Er schlägt es auf: „Dort, an Rana neben dem Geburtsvermerk wird dann nachgetragen: Die Vaterschaft erkannte an der Soundso in Daunddort!“

Ob das nicht ein reichlich kompliziertes Verfahren sei, das sich in Fällen wie dem seinen gut abkürzen ließe, will der staunende Vater wissen. „Das Gesetz geht davon aus, daß bei nicht ehelich geborenen Kindern der Vater unbekannt ist.“

Soll das Kind getauft werden, zeigen sich die Kirchen flexibler als der Staat. „Das Kind kann ja nichts dafür, wenn seine Eltern in Unordnung leben“, sagt Domkapitular Max Huber aus dem schwarzen Passau.

Auch der protestantische Pastor, fragt: „Warum laßt ihr euch denn nicht konsequenterweise auch trauen?“ Die Frage sei „werbend“ gemeint, beteuert Albrecht von Mutius aus dem Evangelischen Büro in Düsseldorf. Er könne durchaus begreifen – nicht billigen –, daß viele junge Leute heute die Institution Ehe „als Fessel verstehen und nicht als eine Chance“.

Kompliziert wird es für Benjamins Eltern erst wieder bei der Lohnsteuerstelle im Einwohnermeldeamt. Sie möchten, daß Benjamin auf der Lohnsteuerkarte des Vaters eingetragen wird. „Sie sind ja nicht verheiratet!“ Der Schalterbeamte hat verdächtig lange den Bildschirm seiner elektronischen Einwohnerkartei studieren müssen. Was nun klingt wie ein Vorwurf, entspringt seiner Ratlosigkeit. Der Beamte entschuldigt sich, sucht seinen Vorgesetzten auf. Derweil wächst die Menschenschlange am Schalter.

Zurückgekehrt auf seinen Stuhl hinter der milchglasbewehrten Theke, verkündet er: „So geht das nicht. Sie müssen sich erst vom Jugendamt bestätigen lassen, daß Sie gemeinsam in einem Haushalt wohnen.“ Benjamins Mutter will das nicht einleuchten. „Wer“, fragt sie, „soll das denn wissen, wenn nicht das Einwohnermeldeamt?“ Kurzes Nachdenken seitens des Beamten, dann: „Wir kennen ja nur Straße und Hausnummer. Wie sollen wir denn wissen, ob Sie in derselben Wohnung leben?“ Einwand der Mutter: „Und woher soll das Jugendamt das wissen? Die Amtspflegschaft ist aufgehoben.“ Der Beamte ist ein freundlicher Mann, ein sehr junger übrigens dazu. „Ich telephoniere“, bietet er an, „und frag’ mal nach.“ Unmut in der Warteschlange.

Als der Beamte zurückkehrt, klärt sich der Fall nach Art der Bürger von Schilda: „Beim Jugendamt ist der Vorgang tatsächlich nicht vorhanden.“ Kunstpause. „Aber ich habe mit dem Kollegen gesprochen, er weiß jetzt Bescheid. Sie brauchen nur hinzugehen, erklären, daß Sie zusammen wohnen, und dann kommen Sie mit der Bescheinigung zurück.“ Benjamins Mutter würde gern noch fragen, warum sie eine solche Erklärung nicht an Ort und Stelle schon abgeben kann. Doch die Menge drängelt, und Benjamins Vater wiegelt ab. Er möchte das Erreichte nicht gefährden.

Uwe Knüpfer

  • Quelle DIE ZEIT, 31.8.1984 Nr. 36

Spielwiese für Bürgermeister

1/1/1990

 
Technologieparks sind zu einem neuen Statussymbol geworden

Aktualisiert  7. September 1984  08:00 Uhr  Von Uwe Knüpfer

Ideen verbreiten sich manchmal wie Gerüchte: in Windeseile. Kaum galt die Erkenntnis ab gesichert, die deutsche Wirtschaft habe auf dem Gebiet der Mikroelektronik den Anschluß verpaßt, schien auch schon ein Instrument gefunden, die Schlappe wettzumachen, den Abstand aufzuholen: Technologieparks kombiniert mit Gründerzentren. Die Idee kam aus Amerika und heißt dort science park. Berühmtheit erlangte vor allem das kalifornische Silicon Valley. Dort hatten in enger Nachbarschaft zur Stanford University schon ab 1948 junge Wissenschaftler Unternehmen gegründet, die ihnen selber Reichtum und der Region Wohlstand brachten.

Am schnellsten waren die Berliner, angeführt von Wirtschaftssenator Elmar Pieroth. Ihr Innovations- und Gründerzentrum (BIG) auf dem alten AEG-Gelände im Wedding, Ende 1983 eröffnet, wurde zum Prototyp des neuen Instruments kommunaler und landespolitischer Wirtschaftsförderung, das sich offenbar nicht beschreiben läßt ohne inflationäre Verwendung der vier Werte Technologie, Innovation, Zukunft und Gründer. Glaubt man Presseberichten und den Absichtserklärungen der Bürgermeister, ist die Bundesrepublik inzwischen auf dem Wege, sich in eine gigantische Silicon-Tiefebene zu verwandeln.

Die Heftigkeit des Gründerbooms überraschte selbst seine Initiatoren. Seit dem Frühjahr – außer BIG war noch kein Zentrum wirklich in Betrieb – mehrten sich deshalb die kritischen Stimmen. Von einer „Modewelle“ war plötzlich die Rede, von unsinnigen kommunalen Konkurrenzkämpfen um neue Prestigeobjekte in der Nachfolge von Rathäusern und Badeanstalten. Der Gründerwelle werde zügig eine Pleitewelle folgen, ließen prophetisch begabte Experten sich zitieren. Was erst als Vorbild galt – BIG in Berlin – wurde nun als einzigartig, unkopierbar hingestellt.

Die Planer all der neuen Parks, Zentren und Fabriken wollen vor allem dreierlei:

  • einen engeren Zusammenhang herstellen zwischen Forschungsinstituten und Unternehmen; durch räumliche Nähe zueinander und personelle Bindungen untereinander.
  • Firmengründungen junger Wissenschaftler und anderer Pioniere mit unternehmerischer Neigung erleichtern, die zwar zündende Ideen, aber wenig Kapital und ökonomische Erfahrung besitzen. Preiswerte Räume, technische Dienste, Beratung und Finanzierungshilfen sollen ihnen aus den Startlöchern helfen.
  • Arbeitsplätze schaffen.
Im BIG residieren gegenwärtig achtzehn junge Unternehmen. Fünfzehn ernsthafte Interessenten warten darauf, daß weitere Räume fertig werden. Die jetzigen Mieter bauen Roboter, hydraulische Steuerungssysteme, entwickeln neue Dämmstoffe oder medizinische Geräte, mit denen sich der Säuregehalt des Magensaftes messen läßt. BIG arbeitet eng mit der Technischen Universität (TU) zusammen. Nebenan sollen sich ab 1985 schon etablierte Unternehmen niederlassen – Elektronikfirmen, Computerspezialisten, Apparatebauer – und das verwaiste AEG-Gelände so in den erhofften Technologiepark verwandeln.

Programmatisch verweisen die Berliner auf die „anderen“ Gründerjahre, die nach 1871. Schon sprechen sie von der „Technologiestadt Berlin“. Alle sechs Wochen treffen sich Jungunternehmer, Finanzbeamte, Mitarbeiter der Industrie- und Handelskammer und Steuerberater am „Gründerstammtisch“. Sie alle eint eine Aufbruchstimmung, ohne die „nichts laufen würde“ (BIG-Koordinator Heinz Fiedler).

Beflügelnd wirken mag dabei der rege Besucherverkehr im BIG. In den ersten sechs Monaten seines Bestehens haben sich schon rund 2200 Menschen durch das Zentrum führen lassen, Beobachter multinationaler Konzerne ebenso wie nachahmungswillige Kommunalpolitiker.

Herbert Krist vom Institut für Systemtechnik und Innovationsforschung (ISI) der Fraunhofer-Gesellschaft in Karlsruhe schätzt, daß es derzeit bundesweit rund fünfzig ernsthaft betriebene BIG-Nachahmungsprojekte gibt – „mit sehr unterschiedlichen Qualitäten“. Mindestens hundert weitere Bürgermeister hätten die vage Absicht bekundet, ihre Gemeinden auf diesem Weg in die technologische Neuzeit zu führen. Das ISI veranstaltet Seminare, in denen es Kommunalpolitiker über „ausländische Erfahrungen bei der Gründung, Finanzierung und beim Management von Zentren für junge Unternehmer“ aufklären will.

Zumindest teilweise schon mit Leben erfüllte Gründerzentren gibt es, außer in Berlin, momentan nur in Karlsruhe und Aachen mit jeweils sieben Mietern, in Kassel (23 Mieter) und in Schwerte (drei Mieter). In Vorbereitung befinden sich beispielsweise Zentren in Hamburg, Syke, Buxtehude, Hildesheim, Hannover, Dortmund und Duisburg, Saarbrücken, Stuttgart, Ulm und Heidelberg.

Vor allem im Norden und Westen der Republik wird rege geplant. Kein Wunder, denn die Länder Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen haben Förderprogramme aufgelegt. Sie locken technologiefreudige Kommunen und Jungunternehmer mit Millionenbeträgen. Allein der Düsseldorfer Wirtschaftsminister Reimut Jochimsen hatte in diesem Jahr und zu diesem Zweck 45 Millionen Mark zu vergeben.

Wer solche Hilfen richtig zu nutzen weiß, braucht nicht viel eigenes Geld zu riskieren. Die Stadt Buxtehude, in Niedersachsen nahe bei Hamburg gelegen, hat ihr „Technologiezentrum“ so konzipiert, daß sie selbst nur ein Fünftel der Kosten tragen muß. Die Saarbrücker rechnen mit EG-Zuschüssen aus dem Programm zur Rekultivierung von Industriestandorten. Die Landesregierung von Baden-Württemberg arbeitet noch an einem Konzept für „Technologiefabriken“. Schon in wenigen Monaten soll aber auch im Südwesten den Gemeinden das neue Instrument kommunaler Wirtschaftsförderung mit mehr als nur mit guten Worten schmackhaft gemacht werden.

Die Jungunternehmer selbst erhalten Geld vom Bundesminister für Forschung und Technologie – sofern sie sich mit Mikroelektronik befassen. Das Modewort Technologie benutzen viele Wirtschaftsförderer ohnehin bedeutungsgleich mit Mikroelektronik.

In funktionierenden Gründerzentren im Ausland aber arbeiten nicht nur Elektroniker, sondern oft auch klassische Handwerksbetriebe. Erfahrungen in den USA und den Niederlanden lehren: Technologieparks und Gründerzentren sollte man auseinanderhalten. Das erste taugt für wenige, das zweite aber möglicherweise für sehr viele deutsche Städte.

In den Niederlanden etwa wird die Zahl solcher Einrichtungen – bereits bezogen oder im Bau befindlich – auf rund 140 geschätzt. Nur fünf oder sechs davon sind reine Technologiezentren, in die nur einziehen darf, wer auf dem Gebiet der Mikroelektronik tätig ist. Die meisten dieser Zentren gleichen eher Gewerbehöfen. Sie sorgen dafür, daß in stillgelegte Fabrikanlagen wieder Leben einzieht: Wo sich ein Großunternehmen, aus welchen Gründen immer, nicht mehr halten konnte, gedeihen einige Dutzend kapitalschwacher Kleinbetriebe. Sie teilen sich nicht nur Gebäude- und Energiekosten. Gemeinsam finanzieren sie – über eine Trägergesellschaft –, was sich jeder von ihnen allein nicht leisten könnte: digitalisierte Telephonanlagen, Kopiergeräte, Telex und Fernkopierer, Konferenzräume, einen zentralen Schreibdienst.

Gründerzentren dieser Art, glaubt Herbert Krist vom ISI, könnten auch in Deutschland vielerorts erfolgreich sein. Sie dürften sich dann freilich nicht als rein „technologieorientierte Durchlauferhitzer“ verstehen, sie dürften nicht, wie viele Kommunen das planen, ihre Mieter nach drei, vier oder fünf Jahren wieder an die Luft setzen. Kurz: Sie dürfen sich weder am kalifornischen noch am Berliner Vorbild messen.

Ideenbrutstätten solchen Kalibers können bestenfalls dort entstehen, wo leistungsfähige Forschungseinrichtungen schon angesiedelt, Spitzenunternehmen der Elektronikbranche schon beheimatet sind. Krist räumt unter diesem Aspekt vor allem Karlsruhe und München Chancen ein. Enorme Forschungskapazitäten hat auch das Ruhrgebiet zu bieten. Die Industrie- und Handelskammern dort halten neuerdings engen Kontakt zu einigen Universitätsfakultäten. Vom Kommunalverband Ruhrgebiet besonnen moderiert, scheint ihnen der Durchbruch durch die Abwehrfront der Kohle- und Stahlproduzenten inzwischen gelungen zu sein, die jahrelang jeden Umstrukturierungsversuch in der Region zu blockieren wußten. Auch Aachen, mit seiner renommierten Technischen Hochschule und der Kernforschungsanlage Jülich nahebei, träumt vielleicht nicht nur von einer siliconträchtigen Zukunft.

Technologieparks hier und da, Gründerzentren aber allerorten, das könnte, zeigt der Blick nach Holland, eine Perspektive sein. Das könnte auch eine Methode sein, sichere Arbeitsplätze zu schaffen. Zunächst sollten die Erwartungen allerdings nicht zu hoch geschraubt werden: Im BIG finden gegenwärtig, neben den Gründern, 56 Menschen Arbeit; auf 80 soll ihre Zahl bis zum November steigen. Die Karlsruher Technologiefabrik soll einmal 150 bis 200 Mitarbeiter beschäftigen. Die aktuelle Zahl der Beschäftigten in Aachen: drei.

Die Betreiber der Zentren hoffen aber auf Multiplikatoreffekte. Einzelne Neugründungen werden wachsen und ausziehen. Eine Garantie, daß die Unternehmen dann in der Nähe ihrer Brutstätte bleiben und nicht etwa von Buxtehude nach Berlin oder von Berlin nach München umziehen, gibt es natürlich nicht. Die sichersten Arbeitsplätze sind die bei den Trägern der Zentren selbst; im Schreibdienst, in der Pförtnerloge, in der Verwaltung.

Und die solidesten Firmengründungen sind die, deren Unternehmenszweck im Zentrum selbst begründet liegt. Unter den Jungunternehmern, die bereits ihre Absicht bekundet haben sollen, in das geplante Technologiezentrum Buxtehude einzuziehen, befinden sich vier, die davon leben wollen, ihren späteren Kollegen Dienstleistungen anzutragen: Spezialisten für Marketing, industrielles Design, für „strategische Unternehmensplanung“.

Ein Unternehmen hat sich dieser Aufgabe bereits in großem Stil angenommen und ist dabei erfolgreicher als die meisten Politiker: In Großbritannien, wo die Stahlkrise früher begonnen hatte ab hierzulande, gründeten Manager der British Steel Corporation 1980 ein Unternehmen mit dem vielversprechenden Namen Job Creation Ltd. Zuerst auf der britischen Insel, dann in den Niederlanden, in Spanien, Belgien, Irland, den USA und jetzt auch in der Bundesrepublik, nämlich in Kassel, verwandelte Job Creation alte Industrieanlagen in Gewerbehöfe.

In Kassel nahm, sich das Unternehmen der verlassenen Enka-Werke an. Bis jetzt hat es dort 23 Kleinunternehmen ansiedeln können, darunter zwölf neugegründete. Neben Labors und High-Tech-Werkstätten ist hier Platz für alternative Bäckereien und auch für Unternehmer, die schlicht und einfach Lagerhallen suchen. Einen ausrangierten Eisenbahnwaggon baut sich eine Arbeitslose zur Cafeteria um.

„Um die siebzig“ Personen haben auf dem Enka-Gelände inzwischen wieder Arbeit gefunden, sagt der Projektleiter, Keith Freestone. Fünf- bis achthundert sollen es in drei Jahren sein. In England will Job Creation auf diese Art mittlerweile 18 000 Erwerbslose von der Straße geholt haben. Das Unternehmen kassiert Erfolgsprämien für jeden Arbeitsplatz, der nicht nach zwei Jahren wieder verschwunden ist. Freestone: „Wir arbeiten mit Gewinn.“

  • Quelle DIE ZEIT, 7.9.1984 Nr. 37

Arbeitslose Lehrer: Kollekte für die Kollegen

1/1/1990

 
Sinnvolle Ideen scheitern am Beamtenrecht von Uwe Knüpfer

Aktualisiert 14. September 1984  08:00 Uhr  Von Uwe Knüpfer

Die Feststellung ist kühl und verblüffend: „Es gibt keine Lehrerarbeitslosigkeit“, sagt Dieter Otten, Professor für Soziologie und Sozialgeschichte in Osnabrück. Dennoch ist ständig von dreißig- oder gar sechzigtausend arbeitslosen jungen Lehrern zu lesen, deren Zahl bis zum Ende des Jahrzehnts auf fast zweihunderttausend wachsen soll. „Das sind“, korrigiert Otten, „arbeitslose Akademiker wie andere auch.“ Lehrer könnten nicht arbeitslos sein, denn Lehrer seien Beamte.

Kaum eine Gruppe unter den Arbeitslosen wird so voller Mitgefühl und Sorge beobachtet, wie die der nicht in den Schuldienst übernommenen Lehramtsanwärter. Davon gibt es derzeit in der Tat genug. Kaum eine Gruppe bekommt so viele gute Ratschläge zu hören, für kaum eine werden mehr – meist staatliche – Hilfen ersonnen.

Die Schülerzahlen nehmen ab, die Kassen sind leer, und die Finanzminister der Länder freuen sich über jede Lehrerstelle, die sie streichen können. Selbst die Kultusminister gestanden nach und nach ein, daß sich nicht länger alle examinierten Lehramtsanwärter im Schuldienst unterbringen lassen. Einen totalen Einstellungsstopp, argumentieren sie quer durch die Parteien, dürfe es aber auch nicht geben.

Schlagzeilen provozieren regelmäßig die Pressekonferenzen des nordrhein-westfäliscnen Kultusministers Hans Schwier. Hartnäckig erneuert er immer wieder einen Vorschlag seines Amtsvorgängers Jürgen Girgensohn, die Arbeitszeit aller Lehrer um eine Unterrichsstunde pro Woche und ihre Gehälter um rund vier Prozent zu kürzen, um so in den Schulen Platz für „junge Lehrer mit neuen Ideen“ zu schaffen. In einigen anderen Bundesländern können etablierte Lehrer solchen Verzicht schon üben – freiwillig allerdings und manchmal ausschließlich zur Freude der Finanzminister, denn Ersatz wird nicht beschafft.

Die Kultusminister wehren sich seit langem, unterschiedlich hartnäckig und mit unterschiedlichem Erfolg, gegen Planstellenstreichungen. Sie möchten gern, daß es keine „kw-Vermerke“ – „künftig wegfallend“ – hinter rechnerisch überzähligen Stellen mehr gibt. Die Finanzminister dagegen verrechnen gern kw-Stellen gegen solche, die frei werden, weil andere Lehrer Teilzeitarbeit praktizieren. Was nutzt der Verzicht auf Unterrichtsstunden und Einkommen, fragen die Lehrer in den Schulen, wenn dadurch nur kw-Vermerke wegfallen, aber niemand neu eingestellt wird?

Einige Bundesländer schrieben immerhin in ihre Beamtengesetze, daß Stellen, die nicht aus familiären, sondern erklärtermaßen „aus arbeitsmarktpolitischen Gründen“ freigemacht werden, auf jeden Fall wieder zu besetzen sind – allerdings nicht zwangsläufig an derselben Schule. Stundensammein für einen ganz bestimmten Wunsch-Lehrer führt also nicht immer zum gewünschten Erfolg. Bundestag und Bundesrat haben in diesen Wochen die Möglichkeiten zur Teilzeitarbeit „aus arbeitsmarktpolitischen Gründen“ im Beamtenrechtsrahmengesetz beträchtlich erweitert.

Nebenher bemühen sich die Kultusminister, Abiturienten vom Lehrerstudium abzuhalten und Ausbildungskapazitäten zu verringern. Die SPD-Regierung in Nordrhein-Westfalen möchte einige Studiengänge „einfrieren“. Die CDU-Regierung in Stuttgart hat drei pädagogische Hochschulen gegen den erbitterten Widerstand der heimischen SPD-Opposition kurzerhand geschlossen.

An guten Ratschlägen für diejenigen, die dennoch studieren, am Ende aber keine Stelle finden, mangelt es nicht. Manche sind sinnvoll, andere skurril. Der niedersächsische Kultusminister Georg-Bernd Oschatz hat von sich reden gemacht, als er junge Lehrer nach Georgia, USA, exportierte. Das Beispiel soll Schule machen. Deutsche Lehrer gelten als blendend ausgebildet, werden im Ausland aber auch schlechter bezahlt als hierzulande. Der Philologenverband, die Standesorganisation der Gymnasiallehrer, will Kollegen in die Dritte Welt schicken; nach Zimbabwe, Ghana, Togo und auf die Philippinen. Dort herrsche überall noch großer Mangel an Lehrkräften.

Die Johanniter Unfallhilfe in Köln stellt gegenwärtig – innerhalb eines zweijährigen Pilotprojektes – fünfzig arbeitslose Pädagogen ein, die sich für Führungspositionen in karitativen Organisationen qualifizieren sollen. Weiterbildungsinstitute setzen ihre Mitarbeiter auf die Frage an, wie Lehrer in der freien Wirtschaft zu verwenden wären. Die Wirtschaftsakademie in Bad Harzburg etwa bildet Lehrer in Fernstudiengängen zu Direktionsassistenten aus und hofft, so einen „völlig neuen Managertypus“ kreieren zu können: gebildet, lernorientiert und pädagogisch beschlagen. Jeder Lehramtsstudent, das liegt auf der Hand, ist zu einer solchen Zukunft nicht berufen.

Auch in den Schulen gebe es durchaus noch Arbeit genug für alle Lehramtsanwärter, behaupten Pädagogen. Sie argumentieren so: Der Bedarf an neuen Lehrern ergibt sich aus der sogenannten Schüler-Lehrer-Relation. Im Bundesdurchschnitt liegt sie heute bei eins zu 17 bis eins zu 18. Dennoch sitzen in vielen Klassen noch mehr als dreißig Schüler, und beinahe überall fällt Unterricht aus – nicht allein weil es zu wenig Lehnr gibt, sondern weil Lehrer mit der richtigen Fächerkombination fehlen. Eine objektiv richtige, optimale Schüler-Lehrer-Relation gibt es nicht. Die Wunschzahl wird willkürlich festgesetzt. Bekommen die Schulen mehr Lehrer, selbst bei summarisch gleicher Pflichtstundenzahl, werden sie in ihrer Stundenplanung beweglicher.

Die meisten Hoffnungen ruhen deshalb auf der Arbeitszeitverkürzung. Mancherorts bekommen neu eingestellte Lehrer schon von vornherein keine volle Stelle mehr. Die meisten Bundesländer haben den freiwilligen Verzicht etablierter Lehrer auf ein Viertel, ein Drittel oder gar die Hälfte ihrer Stelle erleichtert. In Bayern allein konnten dadurch im vergangenen Schuljahr 530 volle Stellen zusätzlich geschaffen werden. „Einige hindert“ sollen es auch 1984/85 wieder sein. Ähnliche Zahlen sind aus Nordrhein-Westfalen zu hören. Anderswo, etwa in Niedersachsen, hat der Finanzminister der Neubesetzung solcherart freiwerdender Stellen noch bis in dieses Jahr hinein Widerstand entgegengesetzt.

Lothar Späth und sein Minister Gerhard Mayer-Vorfelder in Baden-Württemberg haben zusätzlich das „Reduktionsmodell“ erfunden: Vollzeitlehrer verzichten freiwillig auf eine oder zwei Unterrichtsstunden bei entsprechendem Gehaltsabzug. Dadurch konnten 110 zusätzliche Stellen zum neuen Schuljahr geschaffen werden: „Ein schöner Erfolg“, läßt der Minister verkünden.

In Schleswig-Holstein haben alle fünf Lehrerorganisationen zu Spenden aufgerufen. Die Landesregierung stellte 500 000 Mark bereit, und jeder bestallte Lehrer hätte zwanzig Mark hinzufügen sollen, um so zwanzig Einjahresverträge mit arbeitslosen Anwärtern abschließen zu können. Leider flossen die Lehrerspenden nicht so üppig wie erhofft. Zum Schuljahresbeginn reichte das Geld nur für vierzehn Verträge „im Wert von zwölf vollen Stellen“.

Hessische Gesamtschuldirektoren schlugen jüngst die Gründung einer Art öffentlich-rechtlicher Lehrstellen-Sammel- und Verteilanstalt vor, finanziert durch Gehaltsabtretungen und Zuschüsse des Landes sowie der Bundesanstalt für Arbeit.

Kultusminister Schwier in Nordrhein-Westfalen mag auf Appelle, Spenden und Freiwilligkeit allein nicht bauen. Er will das, was in Baden-Württemberg Reduktionsmodell heißt und freiwillig ist, zwangsweise allen Lehrern aufbrummen. Erforderlich wäre dazu eine Änderung des Beamtenrechtes oder – hilfsweise – eine Verlagerung der Besoldungskompetenzen für Lehrer vom Bund auf die Länder. Der Verzicht aller Lehrer auf eine Pflichtstunde und vier Prozent vom Einkommen, rechnet Schwier vor, brächte allein in Nordrhein-Westfalen sechstausend neue Stellen. Seinen Kabinettskollegen empfiehlt er, mit anderen Beamtengruppen ebenso zu verfahren. Ein Sonderopfer sollen die Lehrer nicht bringen. Sie sollen vielmehr Vorreiter sein für eine allgemeine Arbeitszeitverkürzung ohne Lohnausgleich im öffentlichen Dienst.

Fest steht, daß keine Beamtengruppe heute so gut besoldet wird wie die der Lehrer. Außerdem werden, gerade in Nordrhein-Westfalen, viele Lehrer für Funktionen bezahlt, die sie gar nicht ausüben. An manchen Gymnasien treten sich zahlreiche Studiendirektoren bei ihrem vergeblichen Bemühen, den Schulleiter in Leitungsfunktionen zu unterstützen oder ihn zu vertreten, gegenseitig auf die Füße. Die Unwucht im Stellenkegel ist Kaum zu beseitigen. Rückstufungen sind selten im Öffentlichen Dienst.

Die Front der Gegner von Arbeitszeitverkürzungen bei Lohnverzicht ist bunt, breit und gut gestaffelt. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) ist dagegen, weil sie Rücksicht nehmen muß auf die Kollegen von der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst, Transport und Verkehr (ÖTV), die im Herbst um den Einstieg in die 35-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich kämpfen will. Arbeitslose Gewerkschafter hingegen sind sehr oft im Grunde dafür, doch wiederum nur, wenn es alle träfe, nicht nur die Lehrer und auch nicht nur die Beamten.

Zu binnengewerkschaftlichen Rücksichten und Skrupeln aus Prinzipientreue gesellen sich Gruppenegoismus und Besitzstandsdenken. Lehrer, die auf Unterrichtsstunden verzichten sollen, fürchten um Kinderzuschläge und Pensionen. Mahnend und nicht ohne Selbstmitleid erinnern sie den Staat an seine Fürsorgepflicht gegenüber seinen Dienern. Dieses kindlich-vertrauende Verhältnis zum Arbeitgeber, der sich zu kümmern habe wie eine Henne um ihre Küken, haben selbst viele Lehramtsanwärter schon vorab verinnerlicht.

Schließlich scheitern alle Vorschläge zur Neuordnung von Arbeitszeitstruktur und Besoldung an der quasi heiligen Unberührbarkeit des deutschen Beamtenrechts. Ein Beamter habe seine volle Arbeitskraft dem Staate zu widmen, heißt es. Dafür werde er nicht schnöde entlohnt, sondern alimentiert, und zwar – anders als ein Kind – auf Lebenszeit.

Die innovationshemmende Kraft des Beamtenrechts und gleichzeitig die stille Macht seiner Verwalter und Wahrer belegt anschaulich das Schicksal, das dem Vorschlag des vormaligen Hamburger Wissenschaftssenators Hansjörg Sinn widerfuhr. Der parteilose Chemieprofessor dachte sich Anfang 1983 das Modell eines Lehrers auf Zeit aus. Sinn-Lehrer sollten einen Vertrag bekommen, der auf zehn Jahre befristet ist, von denen der Pädagoge acht an der Schule verbringt und die letzten zwei für ein „Umorientierungsstudium“ nutzt. Während der gesamten Dauer des Vertragsverhältnisses hätte er vier Fünftel der tariflichen Bezüge erhalten.

Obwohl der Hamburger Senator sich, wie es heißt, „in Karlsruhe rückversichert“ hatte, obwohl er auch Pläne zur Finanzierung unterbreitete, und Experten noch heute von einer der intelligentesten Lösungen sprechen, ist es um den Sinn-Vorschlag sehr rasch ruhig geworden. Der Hamburger Senat und die Kultusministerkonferenz verhielten sich abwartend. Niemand wollte sich den Mund verbrennen, indem er diesen Angriff auf das Beamtenrecht voreilig begrüßte. Statt dessen wurde beschlossen, die rechtliche Seite prüfen zu lassen – durch Beamte. Die Hamburger Behörden prüften denn auch prompt etwas ganz anderes: warum sich der Vorschlag rechtlich nicht durchsetzen läßt. Und dabei nahmen sie sich soviel Zeit, daß Hansjörg Sinn bei Vorlage des Rechtsgutachtens schon auf dem Weg aus dem Amt war. Sein Nachfolger, Klaus Meyer-Abich, hat noch nicht entschieden, ob er den Sinn-Plan wieder aus der Schublade ziehen will.

Das Lehramt auf Zeit hätte es seinem Inhaber ermöglicht, eine berufliche Fehlentscheidung zu revidieren. Nicht nur, daß mancher begabte Pädagoge heute nicht in den Schuldienst hineinkommt: Viele Unbegabte kommen auch nicht wieder heraus. Die Klagen über Disziplinlosigkeiten von Schülern und Schulstreß der Lehrer häufen sich – insbesondere aus jenen Jahrgängen von Pädagogen, die zu Zeiten dies Lehrermangels nach ihrer Ausbildung ohne allzu genaue Prüfung ihrer Eignung geschlossen übernommen wurden. Die Sicherheit des Beamtendaseins erschwert ihnen nun den Ausstieg aus einem ungeliebten Beruf. Und der Staat kann von sich aus kaum je einen Lehrer wieder loswerden, mag seine Eignung auch noch so zweifelhaft sein.

Der obligate Beamten-Status des Lehrers oder, wie der anfangs zitierte Soziologe Dieter Otten meint, „die Monostruktur des Berufsfeldes der Lehrer“ ist schuld an jener „sinnlosen Vergeudung von Bildungsinvestitionen“, die unzutreffend als Lehrerarbeitslosigkeit in die Diskussion geraten ist. Otten fordert einen „offenen Arbeitsmarkt“ und ein offenes Berufsausbildungssystem für Pädagogen. Das staatliche Monopol auf die Bildung der Bürger sei längst nicht mehr zeitgemäß. Otten skizziert das Bild „niedergelassener Lehrer“ und einer Vermehrung freier Scnulen. Gäbe es ein entsprechendes Angebot, glaubt er, würde sich eine starke Nachfrage nach Lehrerarbeit entwickeln.

  • Quelle DIE ZEIT, 14.9.1984 Nr. 38

Interrail: für Bahn-Globetrotter

1/1/1990

 
Fast nur mit der Lupe zu lesen: Tips, kleingedruckt wie das Kursbuch von Uwe Knüpf er

Aktualisiert 21. September 1984  08:00 Uhr  Von Uwe Knüpfer

Preiswerte Netzkarten wie das Interrail-Ticket haben die alte Bahn vor allem unter jungen Rucksacktouristen wieder sehr beliebt gemacht. Schon existieren auch spezielle Reiseführer, zugeschnitten auf die Bedürfnisse und Fragen jener, die innerhalb von vier kostbaren Wochen Europa mit schmalem Brustbeutel und der Bahn kennenlernen wollen.

Der gleichsam enzyklopädische Anspruch solcher Bücher verleitet die Verlage aber offenbar dazu, derart winzige Druckbuchstaben zu wählen, daß die Lektüre nur Menschen mit scharfen Augen, und auch dann nur bei günstigen Lichtverhältnissen, zuzumuten ist. Das gilt besonders für

Eberhard Fohrer: „Mit der Eisenbahn durch Europa“, 1984 in zweiter, überarbeiteter Auflage erschienen im Verlag Michael Müsser, Ebermannstadt, 22,80 Mark.

Auf Seite 16 dieses Fleißwerks von fast 600 Druckseiten wird das so weit getrieben, daß die Legende der bahnüblichen Bildsymbole, die hier erklärt werden sollen, sich selbst unter Zuhilfenahme einer Lupe kaum enträtseln läßt.

Doch wo es lesbar ist, birst das Buch vor Informationen: Wie man von Italien oder Irland aus daheim anrufen kann, wird da beispielsweise beschrieben. Die wichtigsten europäischen Schiffsverbindungen sind aufgelistet, ebenso die zuschlagpflichtigen Bahnstrecken. Den Schienensträngen folgend skizziert Fohrer eine große Anzahl von Landstrichen und Städten, knapp, aber durchaus treffend. Seine Tips zum Essen, Amüsieren und Übernachten entsprechen, so zeigen Stichproben, dem Informationsniveau von Stadtzeitungen und Szeneblättern. Das ist in der Regel hoch.

Mancher Tip ist allerdings reichlich originell. Unter der Kapitelüberschrift „Trampen“ („Kann durchaus lohnenswert sein, ab und zu ruhig mal einen kleinen Ausflug mit dem Daumen einschieben!“) rät der Autor Anhalterinnen: „Falls der Fahrer zudringlich wird, Finger in den Hals und loskotzen!“

Konventionell mutet dagegen Fohrers Auswahl sehenswerter Reiseziel an. Auch Rucksackreisende kommen um Heidelberg und Neuschwanstein offensichtlich nicht herum. Sie unterscheiden sich von Pauschale und Koffertouristen – Originalton Fohrer: „Die Neckermänner“ – zwar in Habitus und Sprache, die Klischeevorstellungen beider Gruppen scheinen sich aber in oft bedrückender Weise zu gleichen: Im römischen Straßenverkehr wird, behauptet Fohrer, wer nicht aufpaßt, „gnadenlos überfahren“. Zur Reise durch das Ruhrgebiet locken angeblich „zahllose Kohlezechen“ und am Abteilfenster vorüberziehende Giftschwaden.

Ob man ihm glaubt oder nicht, jedenfalls schreibt Fohrer ein unverkrampftes, verständliches Deutsch. Dabei greift er zwar oft zurück auf die derzeit gängigen Idiome der Jugendsprache, ohne jedoch den Eindruck zu erwecken, er wolle sich anbiedern.

Genau dieser ärgerliche Eindruck kommt dagegen auf bei der Lektüre von:

Interrail. Handbuch für Bahnreisen in Europa, erschienen 1984 im Unterwegs Verlag Manfred Kiemann, Rielasingen, 12,80 Mark.

Die Autoren heißen Klaus Michael Peter und Manfred Kretz, sind beide Mitte Zwanzig und wurden gesponsert von einer Tabakfirma, die zum Dank (nicht nur) auf dem Buchdeckel für sich Reklame machen darf.

Ihre Karten der wichtigsten und schönsten Strecken der beschriebenen Urlaubsländer haben die Autoren offenbar selbst gezeichnet, locker aus dem Handgelenk. Das mag den Charme des Spontanen ausstrahlen, übersichtlich wirkt es nicht. Die Beschreibungen politischer und geographischer Landschaften wirken wie aus dem Lexikon abgeschrieben; nur daß sich dabei orthographische Fehler eingeschlichen haben.

Auch beim Ausdenken ihrer Tips, etwa jener kulinarischer Art, haben sich Peter und Kretz wenig Mühe gegeben und/oder verraten mangelnde Kennerschaft.

Ganz anders, wenn sie über Eisenbahnen an sich schreiben. Für globetrottende Schienenfreaks, denen die Bahn mehr bedeutet als ein schnödes Transportmittel, ist das Buch sicher eine Fundgrube. Nicht nur, daß die „Biographien“ der nationalen Eisenbahngesellschaften weit ausführlicher ausgefallen sind als alle anderen Info-Teile: Peter und Kretz machen den Inter-Railer auf grandiose und noch heute sichtbare Ingenieurleistungen aufmerksam, und sie führen ihn zu Zugraritäten wie dem „kleinen Krokodil“ in der Schweiz oder auch in das „Tal der rostenden Dampfrösser“ (an der Strecke von Tripolis nach Korinth gelegen). Auch beschreiben sie liebevoll die zahlreichen europäischen Eisenbahnmuseen.

  • Quelle DIE ZEIT, 21.9.1984 Nr. 39

Nahverkehr: Tickets für die City

1/1/1990

 
Wer in einer fremden Stadt statt Taxi lieber Bus oder Straßenbahn fährt, tut sich oft schwer, den richtigen Tarif zu finden.

Die Bus- und Bahnbenutzung in der Fremde erleichtern soll das Städte-Ticket des Verbandes öffentlicher Nahverkehrsbetriebe (VöV). Wer sich dies etwa in Hamburg für 9,50 Mark kauft und nach München fliegt oder fährt, darf in beiden Städten 24 Stunden lang eine (von Ort zu Ort unterschiedliche) Anzahl von Bussen und Bahnen benutzen. In Berlin sogar Schiffe.

1983 verursachte die Werbung für das Städte-Ticket mehr Kosten, als der Verkauf den Betrieben einbrachte. Deshalb wird es dieses Ticket ab 1986 nicht mehr geben.

Oft empfiehlt sich eher der Kauf einer Tageskarte. Deren Geltungsbereich ist von Region zu Region verschieden; manche Verkehrs verbunde bieten gleich mehrere Alternativen an (für sechs bis zwölf Mark).

Eine einfache Fahrkarte, die in der Regel innerhalb eines räumlich begrenzten Gebietes gültig ist, kostet derzeit zwischen 1,60 Mark in Hamburg und 2,20 in München.

In München, Köln und bald auch dem Ruhrgebiet steht noch der Kurzstreckentarif zur Wahl. Für rund 1,50 Mark darf man damit vier bis fünf Haltestellen weit fahren.

Normale Tickets berechtigen zu beliebig häufigem Umsteigen. Rück- und Rundfahrten sind allerdings nicht erlaubt, außer (noch) im Ruhrgebiet.

Kinder bis zum Alter von vier Jahren fahren überall umsonst. In Stuttgart, Berlin und Köln liegt die Altersgrenze sogar bei sechs Jahren.

Der Kauf von Mehrfahrtenkarten verbilligt jede Fahrt im Schnitt um 20 Prozent. Die Hamburger und die Frankfurter Verkehrsbetriebe bieten solche Karten allerdings nicht an. Wo es sie gibt, ist übrigens daran zu denken, daß die Tickets beim Betreten von Bus oder Bahn oder auf dem Bahnsteig noch eigenhändig entwertet werden müssen. Nur mit Stempelaufdruck sind sie gültig. Wer’s vergißt, gilt als Schwarzfahrer und muß, falls er erwischt wird, 40 Mark bezahlen.

Uwe Knüpfer

  • Quelle DIE ZEIT, 5.10.1984 Nr. 41
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