Uwe Knüpfer
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Tribute to Germany - Amerikanische Reaktionen auf Festival deutscher Kultur in Washington

15/5/1992

 
Kein gutes Haar hat die Washington Post an Dornröschen gelassen. Der Verriß war schrecklich. "Verhängnisvoll, oberflächlich, hölzern, flach" - mit solchen Attributen im Dutzend bedachte die Hauptstadtzeitung der USA den Auftritt des Stuttgarter Balletts im Kennedy Center. Dabei war das getanzte Märchen doch als glanzvoller Höhepunkt einer Werkschau deutscher Kultur gedacht.
James Wolfensohn, der Chef des Kennedy-Centers, hatte die Idee. Von ihm stammte auch der hochtönende Titel "Tribute to Germany", von dem sich der Musikkritiker der Washington Post so wenig betören ließ wie von den Tanzkünsten der hochgepriesenen Stuttgarter Truppe. 1,7 Mio DM hat das Bonner Auswärtige Amt dazugetan, um seit März bis zum Sommer in und um Washington die Erinnerung an Deutschland wachzuhalten.
Ein Mehrfaches haben Sponsoren hinzugefügt, von der Lufthansa bis zu einem namhaften schwäbischen Automobilkonzern (der hier Wert darauf legt, auch als Produzent flugfähiger Waffen erkannt und gewürdigt zu werden; die USA sind schließlich auch dafür ein Markt).
Wolfensohn hatte das Festival als Dank gedacht "für die vielen Geschenke, die Deutschland der Welt gegeben hat." Neben dem Kennedy-Center beteiligen sich die Nationalgallerie, die Kongreß-Bibliothek und rund ein Dutzend amerikanischer Universitäten und Institute. Für die Hochschulen bot sich die günstige Gelegenheit, deutsche Professoren zu einem Vortrag einfliegen zu lassen, ohne die Reisekosten selber tragen zu müssen.
Die University of the District of Columbia hörte sich an, wie in Bielefeld über die "Aufklärung als Politisierung - Politisierung der Aufklärung" gedacht wird, die Gallaudet University interessierte sich für die "Beteiligung Behinderter am akademischen Leben - ein Vergleich zwischen Deutschland und den USA."
Publikumswirksamer freilich sind die große Käthe-Kollwitz-Ausstellung in der Nationalgallerie, waren die Auftritte des Stuttgarter Balletts, der Dresdener Staatskapelle und vor allem des Berliner Theaters des Westens. Dessen "Ufa Revue" bietet" Bombenstimmung" im doppelten Wortsinn.
Die Ohrwürmer der Nazizeit werden gesungen, schöne Menschen tanzen in aufregenden Kulissen, niemand kann sich der Faszination dieser perfekten Unterhaltung entziehen, unsere Eltern und Großeltern nicht und auch nicht das amerikanische Publikum von heute. Erstaunen und Verstörung waren die Folge bei den gefeierten Auftritten des Berliner Theaters. Die Truppe verstand es, immer wieder, wenn es am schönsten wurde, die Kurve zu nehmen und hinzuweisen auf die Grauen der Nazizeit, auf Judenverfolgung und Krieg.
Die unterhaltungsverwöhnten Amerikaner grämt, daß im eigenen Land schon lange kein richtig zugkräftiges, intelligentes Musical mehr neu auf die Bühne gebracht wurde. Auch daher erklärt sich das Interesse an der deutschen Produktion. Und mit Erstaunen wurde zur Kenntnis genommen, wie technisch vollkommen deren Darbietungen waren. Von Deutschen ist man Tiefsinn gewohnt. Daß er gepaart wird mit perfektem Entertainment, das verblüfft.
So wie immer, so wie früher ist dagegen, was ein Washingtoner Sprechtheater als Einblick in die aktuellen dramatischen Künste deutscher Bühnen präsentiert: neben Schillers "Die Räuber" vor allem Rainer Werner Faßbinders "Katzelmacher". Was immer "Mr. Fassbinder’s" besonderen Genius ausgemacht haben könnte, stellte die Washington Times erschüttert fest, "es sind nicht seine Dialoge". Das Stück wäre nicht schlechter gewesen, hätten die Darsteller den Mund gehalten, meinte der Kritiker. Ein anderer nannte "Katzelmacher" schlicht ein "unerfreuliches kleines Stück".
Erfreulicher fand - jedenfalls das Publikum - für welche Geschenke deutscher Kultur sich die Jerry Schneider Band aus Chilton, Wisconsin, bedankte. Sie bot "traditional German polkas, waltzes, and schottisches", dazu Tanz. Der Eintritt war frei, die Stimmung prächtig.

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