Uwe Knüpfer
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Griechiche Segel

18/9/1992

 
Zum Von den Schwierigkeiten, vor Griechenlands Küsten zu kreuzen: Segel runter, Diesel an
von Uwe Knüpfer

Aktualisiert 18. September 1992  08:00 Uhr 

Anker“! ruft Paul. Paul ist unser Käpt’n. „Anker“! Er meint mich. Zu viert sind wir seit zwei Tagen auf einer Zehnmeter-Segelyacht, der Fragile. Zwei Männer, zwei Frauen: zwei Paare. Anders gerechnet: ein erfahrener Skipper und drei Gelegenheitssegler.

Zwei sind neu hier, einer davon bin ich. Wir sind im Hafen von Ägina. Segel runter, Motor an, Fender raus (das sind die Gummikissen, die über die Reling gehängt werden als Puffer zu anderen Booten). Stolz passiert die Fragile die Hafeneinfahrt. Klamm sieht die Besatzung ihrem ersten Anlegemanöver entgegen; zu Recht.

Am Samstag mittag waren wir in Athen gelandet. „Yachthafen Kalimaki!“ hatten wir dem Taxifahrer zugerufen. Nur Minuten, und wir fanden uns in einem Meer von Masten wieder. Yachthafen Kalimaki: Das hat soviel mit Seefahrerromantik zu tun wie die Parkplatzsuche am Einkaufszentrum mit Cabrio-Fahren.

Wir staunten noch, da bremste der Fahrer. „Wohin?“ wollte er wissen. Wir auch. Wir wußten nur den Namen des Charterunternehmens und des Bootes. Noch rätselten der Fahrer und wir, da hielt ein anderes Auto neben unserem Taxi. Die Fahrer wechselten einige griechische Worte, sprangen dann ins Freie und begannen unser Gepäck umzuladen. „Nepheli?“ fragte uns der neue Fahrer, wir nickten erfreut, so heißt unser Vercharterer. In rasender Fahrt ging es weiter, an Dutzenden von Kais entlang, einmal wieder zurück, wir waren wohl schon zu weit, um die Ecke, noch mal um die Ecke – der Fahrer bremst, da liegt das Boot, unser Boot. Paul ist enttäuscht. Nur ein Blick, und er weiß: Das Schiff hat keine Ankerwinde und kein Steuerrad, nur eine Pinne. Die Vermittlerin in Hamburg hatte anderes versprochen.

Egal, wir sind da. Und wie durch ein Wunder taucht im selben Moment die Chefin des Charterunternehmens auf und auch der Eigner des Bootes. Unser Fahrer fragt, ob wir Lebensmittel brauchen. Natürlich! Er schlägt vor: Zwei gehen aufs Boot, zwei kommen mit ihm einkaufen. Wir passieren Supermarkt um Supermarkt, alle geschlossen. „Erst Getränke!“ befiehlt der Fahrer. Wir nicken stumm, da stoppt er schon vor einem kleinen Laden. Wir werden erwartet. Die nette Inhaberin führt alles, was durstige Segler brauchen: Bier, Mineralwasser, Cola, Wein, Ouzo. Wir ordern palettenweise und werden umgerechnet 189 Mark los. Mein ganzes griechisches Bargeld ist weg. Der Fahrer auch. „No problem“, beruhigt uns die Verkäuferin. Wir sollen alles stehenlassen, es werde gebracht. Ein kleiner Junge ist aufgetaucht und führt uns um die Ecke zum Lebensmittelladen, wahrscheinlich gehört der dem Schwager des Onkels des Fahrers, oder alle Läden und das Taxiunternehmen gehören der Nepheli GmbH und Co KG, oder die gehört dem Onkel des Schwagers. Egal, jedenfalls führt der Laden alles, was hungrige Skipper auf See vermissen könnten und noch viel mehr. Nur leider habe ich kein Bargeld mehr. „No problem, zahlen Sie später auf dem Boot“, meint der nette Verkäufer. Prima, wir kaufen munter ein. Kaum sind wir fertig, ist ein Fahrer da, ein neuer. An Bord treffen wir den schwitzenden Eigner. Der Motor springt nicht an. Der Eigner bastelt und bastelt, schließlich strahlt er, der Diesel tut’s doch: „No problem.“ Nur leider ist es inzwischen zum Auslaufen zu spät. Wider Willen verbringen wir eine Nacht teils in Athens Altstadt, teils im Hafen Kalimaki.

Warten auf Wunder Dafür sind wir am nächsten Morgen, es ist Sonntag und wieder wolkenlos, die ersten, die den Hafen verlassen. Leider ist es auch völlig windstill. Aber der Diesel tut’s ja wieder. Wir tuckern hinaus in die Bucht von Piräus und zählen die Frachter und Fähren, die unseren Weg hinüber nach Ägina kreuzen. Auf sechzehn sind wir gekommen, als nach eineinhalb Stunden Vera, die etwas tranige Stille an Bord, mit der schüchternen Frage durchbricht: „Verbrauchen wir nicht etwas viel Sprit?“ Käpt’n Paul starrt auf die Tankanzeige, wir Matrosen auch. Auf halb steht der Zeiger. Das heißt: Mehr als zwanzig Liter sind weg. Dabei soll der Motor doch nur zweieinhalb Liter pro Stunde fressen, hat der Eigner versichert.

Er hat nicht gelogen; der Rest findet sich im Motorraum. Irgendein Schlauch ist undicht. Wir machen kehrt. In Kalimaki kennen wir uns inzwischen aus. Den alten Liegeplatz finden wir, den Bootseigner aber nicht mehr. Schließlich ist Sonntag. Im Hafencafé gibt es kein Telephon. Das Büro des Charterunternehmens ist nicht besetzt. Schließlich taucht doch noch jemand auf. Allerdings spricht er weder Deutsch noch Englisch. Immerhin, der junge Mann versteht Gebärden, sieht sich den Schaden an, blickt sehr besorgt, bedeutet uns, wir sollten warten – und verschwindet.

Wir warten. Und tatsächlich: Nach einiger Zeit – es ist inzwischen Mittag – naht die Chefin. Paul hat sich vorgenommen, mit einer Reparatur nicht einverstanden zu sein. Wir wollen ein anderes Boot. „Unmöglich“, meint die Chefin. Und verschwindet. Nach einer Stunde ist sie wieder da. Und verkündet strahlend: Wir bekommen ein anderes Boot, ein neueres, größeres. Wir sollen warten. Wir warten, inzwischen an griechische Wunder gewöhnt.

Am späteren Nachmittag kommt ein Auto, holt uns ab. Die neue Yacht heißt Fragile, hat eine Ankerwinsch und ein Steuerrad. Drei Mann haben den ganzen Nachmittag lang geschuftet, um sie seeklar zu machen. Wir preisen die Götter. Leider ist es zum Auslaufen zu spät. Wir vertiefen unsere Kenntnisse der Athener Verkehrsverhältnisse und des Hafens Kalimaki.

Am Montag kommen wir dann doch noch nach Ägina, zuletzt, nach Stunden der Flaute, sogar unter Segeln, bei Windstärke vier. „Anker!“ brüllt Paul. Er hat eine Lücke an der Hafenmauer ausgeguckt und in deren Höhe die Fragile so gedreht, daß sie mit dem Heck einparken kann. Ich stehe am Bug, an der Ankerwinsch. Der Anker klemmt; die Kette hat sich verhakt. Fummeln, zerren, schwitzen – da, sie löst sich. Rasselnd platscht der Anker ins Wasser.

Leider hat sich in dem Moment das Schiff schon gedreht. Paul hat die Fahrt gestoppt. Ohne Motor folgt der Kahn dem Ruder nicht. „Anker hoch!“ befiehlt Paul. Rasselnd rollte die Kette Glied für Glied zurück ins Boot. „Stopp!“ brüllt Paul. Wir liegen quer zu zwei anderen Booten, ein Tau hat sich im Wasser über unseren Anker gelegt. Unsere Frauen und ein Junge vom Ufer versuchen auseinanderzuhalten, was aufeinander zutreibt; unser Boot und die anderen. Paul und ich fingern mit dem Enterhaken nach dem fremden Tau. Wir haben es, da bricht der Enterhaken ab. Was nun? Paul: „Einer muß ins Wasser.“ Sein Blick ist eindeutig: Er meint mich. Ich werfe Hemd und Schuhe von mir, springe heldenmütig über Bord, tauche – und befreie den Anker.

Während ich aufs Boot klettere und auf den Beifall warte, sind die anderen schon mit einem neuen Problem beschäftigt. Eine weitere fremde Leine hat sich unter unserem Rumpf zwischen Steuer und Schraube festgesetzt, sagt Paul. Ziehen hilft nicht. Wieder dieser Blick. Ich springe. Tauche, sehe: Paul hat recht. Ich ziehe, die Leine löst sich nicht. Ich versuche es von der anderen Seite, schlucke Wasser, ziehe, die Leine löst sich.

Ouzo zum Trost Der zweite Anlegeversuch klappt. Mit Ouzo und Weißwein desinfizieren, wir die Abschürfungen an Haut und Seele. Und verbringen den Rest des Nachmittags damit, andere ankommende Segler bei ihren Einparkmanövern zu beobachten. Danach wissen wir, warum sich am Ufer keiner aufgeregt hat, als wir so dilettantisch daherkamen. Das ist so üblich hier.

Vom Boot aus sind es nur Schritte zum Fischmarkt, zum Café mit Torten in bester k.u.k.-Tradition – und zur öffentlichen Toilette. Das Schiffsklo ist defekt.

Am nächsten Tag tuckern wir, weil zum Segeln der Wind wieder nicht reicht, notgedrungen weiter. Am übernächsten Tag kommen wir, zum Teil sogar unter Segeln, bis Poros. Ein hübscher Ort, der so nah an Athen liegt, daß jeder Tourist ihn sehen muß. Der Kellner in der Taverne fühlt sich verpflichtet, Sirtaki zu tanzen und dabei immer freundlich zu lächeln. Immerhin: Es lenkt vom Teller ab. Doch die griechische Küche ist eine Geschichte für sich. Sie trüge die Überschrift: „Greek salad ist überall“.

Wenn Poros die Insel für Urlauber der Kategorie Kegelclub ist, dann ist Hydra die Variante für Studiendirektoren, die in der Toskana schon waren. Leonhard Cohen hat hier ein Haus. Wie seine Lieder klangen, so ist die Landschaft: traurig schön, tief einprägsam und monoton. Auf Hydra gibt es keine Autos, nur Maultiere. Schlichte Häuser bergen edle Hotels, die Kargheit der Landschaft wirkt wie gewollt. So erträumt sich der nordische Großstädter sein mediterranes Inselparadies. Was sich herumgesprochen hat. Die Diskothek oben auf der Hafenbefestigung, mit traumhaftem Blick auf Meer und Sonnenuntergang (links) beziehungsweise pittoreskes Hafenidyll (rechts), offenbart sich als Treffpunkt des internationalen Party-Jet-set.

Wenn die Motoryacht nur dick genug ist, und die Brieftasche vermutlich auch, gelten selbst die sonst peinlich beachteten Umweltgesetze zum Schutze des Hafens plötzlich nicht mehr. Wo kein Auto Lärm und Abgas verbreiten darf, röhrt uns die ganze Nacht der Schiffsdiesel irgendeines Krösus zur See die Ohren voll. Unsere freundliche Bitte, den Motor abzustellen, ruft helles Erstaunen an Bord hervor. Die Kühlanlage hätte sonst zuwenig Strom, wird uns, per Diener, bedeutet, auch der Hafenmeister habe das schon eingesehen. An seiner kurzen Leine knurrt der Wachhund.

Nächste Insel, nächstes Glück. Zielstrebig nähert sich unsere Fragile rückwärts der Hafenmauer. Schon steht jemand bereit, die Leinen zu fangen und festzumachen. Vera hält die eine, Helga die andere. Nur noch gut ein Meter bis zum Ufer, Vera wirft – die Leine landet im Wasser. Nicht schlimm, machen wir erst die zweite fest. Helga wirft. Weit genug, der Mann am Ufer fängt. Er legt die Leine um den Poller, schaut plötzlich auf, ungläubiges Entsetzen. Er hat das ganze Tau in Händen! Helga hat ihm das Paket zugeworfen, ohne zuvor ein Ende an der Fragile festzumachen. Der hilfreiche Mann, selber Segler, grüßt uns trotzdem noch. Segeln macht Spaß.

  • Quelle DIE ZEIT, 18.9.1992 Nr. 39
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Memphis hat den Blues und Elvis

31/7/1992

 
Am Ufer des Mississippi steht eine Pyramide. Du siehst sie von weitem, kommst Du von Westen nach Memphis. Die Pyramide von Memphis ist gläsern, sie glitzert in der Sonne. Sie ist kein Pharaonengrab, sondern der Versuch, einer ruinierten Innenstadt neuen Glanz zu geben. Ein eher verzweifelter Versuch. Memphis, die Metropole des Südens, die Stadt am "amerikanischen Nil", Memphis hat den Blues. Aber außerdem hat sie Elvis.
Elvis ist tot. Aber der "King" ist unsterblich. Lebendig ist die Geschichte und mehr noch die Legende von dem schüchternen Jungen aus Tupelo, Mississippi, der aufstieg zum Giganten des Rock’n’Roll, der dem Mississippi treu blieb und der starb in Memphis, Tennessee, am 16. August 1977, vor 15 Jahren.
Pyramiden sollten égyptens Pharaonen zu Unsterblichkeit verhelfen. Graceland ist Elvis Presleys Pyramide, ist sein Mausoleum. Für die Millionen von Elvis-Jüngern in aller Welt und besonders in den USA ist Graceland ein Mekka, ein Lourdes, ein Wallfahrtsort. Für Elvis’ Erben ist das ein Glück, nämlich ein gutes Geschäft.
Graceland, so nannte Elvis sein Wohnhaus, seine Traumburg, auf einem sanften grünen Hügel mitten in Memphis, zwischen Flughafen und Elvis-Presley-Boulevard.
Die Schalterhalle im Flughafen von Memphis ist nichts gegen die Schalterhalle von Graceland. Die Atmosphäre hier ist türkis-grün und unterkühlt, das Licht gedämpft. Die Vorhalle zu einem Heiligtum.
Vor den direkten Kontakt mit den Elvis-Reliquien - seinem Flügel, seinem Bett, seinem Billardtisch - hat "Elvis Presley Enterprises", jenes Unternehmen, das die Legende vermarktet, die Qual der Wahl gesetzt, sprich den Ticket-Kauf.
Alljährlich fragen sich Hunderttausende: Mache ich die Graceland Mansion Tour - eine Fahrt im Shuttle-Bus zum Wohnhaus samt Besichtigung desselben - für 7,95 Dollar, werfe ich einen Blick auf Elvis’ Wagenpark (The Elvis Presley Automobile Museum, Eintritt 4,50 Dollar) oder entscheide ich mich für die Lisa Marie & Hound Dog II JetStar Planes Tour für 4 Dollar 25? Elvis besaß zwei Flugzeuge, das größere ausgestattet als Apartment, mit Konferenzraum und Luxus-Bett. Alles zu besichtigen.
Wer sich nicht entscheiden kann, dem wird das Platinum-Ticket geboten - "alle Attraktionen" im Paket, für 15.95 Dollar. Wer dennoch Bedenkzeit braucht, kann an Ort und Stelle übernachten; im Heartbreak Hotel oder im Memory Lane Inn. Im Zimmerpreis eingeschlossen: ein Videokanal, der rund um die Uhr nichts anderes bringt als, natürlich, Filme mit Elvis.
Die Massen, die sich an normalen Wochenenden durch Graceland schieben, vorbei an den Andenkenläden mit Elvis-Täßchen, Elvis-Pillendosen, Graceland-Minihäusern aus Plastik, könnten genau so auch vor dem Schiefen Turm in Pisa stehen oder vor dem Weißen Haus in Washington. Nicht nur Gläubige besichtigen Kathedralen. Auch Graceland ist für alle da, eine Familienattraktion für alle Generationen, von der Oma bis zum Baby, ein nationales Denkmal.
Memphis tut der Elvis-Rummel gut. Die Stadt mit Vergangenheit ist noch immer auf der Suche nach ihrer wirtschaftlichen Zukunft.
Im 19. Jahrhundert war Memphis für einige aufregende Jahrzehnte die am schnellsten wachsende Stadt der USA. Raddampfer verbanden den Wilden Westen mit dem Golf von Mexiko, mit New Orleans, mit der Welt. Alle machten sie in Memphis fest. Hier war der zentrale Umschlagplatz für Menschen und Waren, Durchgangsstation für ein Land in Bewegung. Dann kam der Bürgerkrieg zwischen Nord- und Südstaaten, kamen drei furchtbare Gelbfieberepidemien, und der Boom war zuende.
Das Memphis der Jahrhundertwende war erneut ein Treffpunkt, vor allem für Spieler, Huren, Zuhälter und für Ganoven aller Art. Saloonbesitzer, nicht mehr die reichen Planzer- und Sklavenhalterfamilien, stellten die wirtschaftliche Oberschicht. Memphis erwarb sich den zweifelhaften Titel "Murder Town der USA".
Wer heute einen echten Spieler sehen will, einen Dandy aus der Zeit der Raddampfer und Saloons, muß per Hängebahn auf eine öde Mississippi-Insel gondeln, nach Mud Island. Einbetoniert in ein Museum lebt hier die "Belle of the Blues" weiter, bevölkert von Figuren aus Wachs.
Seit den dreißiger Jahren wurde gründlich aufgeräumt in Memphis. Heute sieht die Innenstadt aus wie nach einem Flächenbombardement; die Trümmer sind beseitigt, der Neuaufbau aber stockt. Wo einst Kneipen standen, Läden waren und Wohnungen, gähnen Parkplätze. Wie ein einsamer Stummelzahl ragt das Hotel Peabody aus der urbanen ôde heraus, in jeder Hinsicht.
Das Peabody ist mehr als ein Hotel, es ist eine Institution. Es kultiviert vergangene Pracht, vergangenen Stolz und jene beiläufige Verschrobenheit, die den Süden der USA in seinem Selbstverständnis vom Norden unterscheidet.
Pünktlich jeden Vormittag um elf setzt in der stuck- und lüsterdekorierten Hotelhalle fröhliche Marschmusik ein. Die Gäste wuchten sich hoch aus ihren Polstersesseln und blicken in gehobener Stimmung hinüber zum Aufzug. Eine Lautsprecherstimme verkündet: "Ladies and Gentleman! The March of the Peabody Ducks!"
Die Aufzugstür öffnet sich, Applaus setzt ein, es erscheinen ein Erpel und eine Handvoll Enten. Durch ein Menschenspalier und unter Blitzlichtgewitter watscheln sie hinüber zum Springbrunnen in der Mitte der Halle.
Am Nachmittag um fünf wiederholt sich das Ritual in umgekehrter Richtung.
Zwei Blocks, besser zwei Parkplätze hinter dem Peabody verläuft die Beale Street. In den golden-verruchten Jahren nach der Jahrhundertwende war die Beale Street die heimliche Hauptstraße von Memphis, Zentrum des Lasters und des Suffs. Und der Musik. Die Beale Street gilt als Geburtsstätte des Blues. Was der Grund ist, daß es hier an Samstagabenden zugeht wie in der Drosselgass’ zu Rüdesheim.
In PeeWee’s Saloon verhalf William Christopher Handy der melancholischen Singsang-Musik der schwarzen Baumwollarbeiter aus den weiten Feldern am Mississippi zu weltweitem Echo. Der Welt war der Blues gegeben. Auch er lebt nun fort, obschon es längst keine schwarzen Sklaven mehr gibt und Maschinen die Baumwolle pflücken. W.C. Handy bläst noch immer die Trompete, reckt sie in den endlosen Himmel über Memphis - als Statue aus Metall am Rande der Beale Street.
Auch an Rufus Thomas erinnert ein Denkmal, den "Ambassador of Soul". Wuchtig und würdig steht er auf seinem Sockel, Ahnungslose könnten ihn für einen Außenminister oder Schriftsteller halten. Wäre da nicht die Inschrift, die ihn ausweist als "The King of Rhythm and Blues" und außerdem und vor allem als "the funkiest chicken of the South" - das verrückteste Huhn des Südens.
Einige Häuser an der Beale-Street haben die Aufräumphase nach dem Zweiten Weltkrieg überstanden, wenn auch manchmal nur als Fassade. So können Touristenschwärme an Wochenenden in PeeWee’s Saloon oder Silky o’Sullivans’s World Famous Irish Bar der vergangenen Anrüchigkeit nachschnuppern. Hier finden sie gute Blues-Musik live und an den langen Theken Dosenbier.
Auch das Kaufhaus A-Schwab’s gibt es noch. Das Motto des Familienbetriebes, gegründet 1876, war: "If you don’t find it at A. Schwab’s, you’d better off without it!" - Wenn Du’s bei A. Schwab nicht findest, kommst Du besser ohne aus! Im Schaufenster vergilben alte Ansichtskarten.
Das Polizeirevier, nur wenige Schritte weiter, einst eine Art Davidswache der Beale Street, ist heute mangels Beschäftigung nebenher Museum. Wer will, kann testen, wie hart die Original-Pritsche in der Gefängniszelle ist. Zeitungsausschnitte und alte Akten zeugen von den nicht immer ruhm-, aber immer beschäftigungsreichen Tagen der Polizei von Memphis. Von einem Steckbrief grinst Machine Gun Kelly herunter auf die Besucher in Shorts und Freizeithemden. Auch Machine Gun Kelly weilt schon lange nicht mehr unter uns, sein schlechter Ruf aber, der hat ihn überlebt.
Die jüngsten Zeitungssartikel in den Vitrinen des Polizeimuseums stammen aus dem Jahr 1968. Am 4. April 1968 wurde Martin Luther King, Prediger der Gewaltlosigkeit, in einem Motel in Memphis erschossen. Auch das ist inzwischen Geschichte. Ein Denkmal ehrt das Andenken an den schwarzen Bürgerrechtsführer, ein Museum seine Bewegung.
Schwarze und Weiße leben in Memphis heute friedlicher zusammen als in mancher Großstadt des Nordens. Die sozialen Gegensätze sind hier weniger krass als in Metropolen wie New York oder Los Angeles. Ausgestellten Reichtum gibt es - außer im Museum - kaum. Und wer arm ist - ob weiß oder schwarz - ist es hier auf eine fast wohllebige Weise. Häuser und alte Autos sind billig. Richtig kalt wird es nie, und irgendein Job findet sich immer.
Robin stammt aus Kalifornien, ist in Belgien zur Schule gegangen. Er hat, mit Ende zwanzig, einiges gesehen von der Welt und den Vereinigten Staaten. Er ist gebildet und klug, sieht zudem gut aus. Jetzt lebt er mit Frau und Kind in Memphis, verdient sein Geld als Hoteldiener. Warum gerade in Memphis? "Weil das Leben hier ruhig ist und friedlich und bezahlbar."
Und dann sei da noch dieses Gefühl von Zusammengehörigkeit, das es nur im Süden gibt, sagt Robin. Niemand bleibt hier lange anonym, keiner wird vergessen; hier findet jeder seine Pyramide.

Sherman würde staunen - Reportage über die Wiederbelebung der South Bronx.

15/7/1992

 
Er: „Wir sind in der Bronx!“
Sie: „Weißt Du, wie wir hier wieder 'rauskommen?“

Sherman, der junge, erfolgverwöhnte Money-Makler, und Maria, seine Geliebte, haben sich verirrt. Auf dem Weg vom Flughafen nach Manhattan sind sie vom Highway abgekommen und im Dschungel gelandet. In der Bronx. Panik, Entsetzen machen sich breit, Angst, wie bei Zoobesuchern, die plötzlich entdecken, daß sie aus Versehen ins Löwengehege geraten sind. Die Folge ist ein verhängnisvoller Unfall.
So beginnt Tom Wolfes satirischer Roman „Fegefeuer der Eitelkeiten“. Die Bronx, das ist darin der Vorhof der Hölle.
„The Bronx? - No, thonks!“ heißt es in einem populären Reiseführer über New York. Touristen wird empfohlen, den Stadtteil besser zu meiden. Insbesondere die South Bronx, die Heimat von „Fort Apache“. So hieß in den siebziger Jahren jenes Polizeirevier, dessen Insassen sich fühlten wie Truppen in Feindesland, belagert von Wilden. 1973 wurden hier in einem einzigen Wohnblock 33 Morde verübt.
Fort Apache steht immer noch. Aber drumherum hat sich der Dschungel gelichtet. Jene rauchenden Ruinen, in denen Drogenbanden ihre Fehden austrugen, und wo nachts wilde Hunde nach zivilisationsresten suchten, haben neuen Zweifamilienhäusern Platz gemacht, mit Blumenkästen vor den Fenstern.
 „Leerstehende Gebäude? Die gibt es nicht mehr in der South Bronx,“ sagt Bernd Zimmermann, der in Deutschland geborene Stadtplaner der Bronx. Zimmermann berichtet von einer der erstaunlichsten und zugleich unspektakulärsten Wiederbelebungen einer totgeglaubten Stadtlandschaft. Davon, wie sich die Bewohner der Bronx an ihren eigenen Haaren aus dem Sumpf gezogen haben. Wie als Beleg der amerikanischen Weisheit: Bist Du erst ganz unten, gibt es für Dich nur noch einen Weg - nach oben.
Als niemand mehr für die South Bronx einen Cent gegeben hätte, als Hauseigentümer auf Vermietung vezichteten und ganze Blocks in die Gewalt krimineller Banden und streunender Hunde übergingen, als Polizisten sich nur noch in Gruppen auf die Straße trauten, als New York und die Nation die Bronx am liebsten im Atlantik hätten untergehen sehen, da schlossen sich hier und da deren Bewohner zu Gruppen zusammen und gaben sich Namen wie „Mid-Bronx Desperadoes“ oder „Banana Kelly“.
„Diese Gegend war zehn Jahre lang vollständig tot,“ erzählt Yolanda Rivera, Geschäftsführerin von Banana Kelly, einer der erfolgreichsten CBOs, was Community Based Organisations heißt. CBOs sind Selbsthilfevereine zur Rekultivierung von Stadtvierteln. Banana Kelly verwaltet heute mehr als tausend sanierte Wohnungen. Yolanda Rivera: „Heute gibt„s hier wieder Hoffnung - weil wir gelernt haben, unser Schicksal selbst in die Hand zu nehmen.“
éhnlich wie an der gekrümmten Kelly Street sind in den achtziger Jahren vielerorts in der Bronx kleine Oasen bürgerlichen Wohnidylls gewachsen. Das erstaunlichste Beispiel ist Charlotte Gardens, ein Stück Vorort mitten in der Großstadt. Wo einst Flucht der einzige Weg zum öberleben schien, stehen heute, Gartenzaun an Gartenzaun, Einfamilienhäuser im Rancho-Stil. Die Rasenstücke dazwischensind penibel gepflegt. Hier und da grast ein Reh aus Plastik. Vor den Türen stehen Koniferen stramm. Auf den Straßen spielen Kinder. Nirgendwo liegt auch nur ein Papierfetzen herum. Charlotte Gardens ist die Hochburg der Mid-Bronx Desperadoes.
(Bernd Zimmermann hat für die CBOs nur lobende Worte: „Sie haben bewiesen, daß hier ein Markt für Wohneigentum vorhanden ist.“ Auch wenn die Einfamilienhäuser zur traditionellen Architektur der Bronx passen wie die Faust ins Auge. Zimmermann: „Planerisch betrachtet ist das die reinste Idiotie.„ Aber planerisch betrachtet gäbe es die Bronx vielleicht nicht mehr, hätten die Desperadoes nicht den Weg gewiesen.)
Selbsthilfe hat hier Tradition. Zu Ende des 19. Jahrhunderts wurde die Bronx, damals noch weitgehend Landschaft, nach Greater New York eingemeindet. Von der Insel Manhattan aus betrachtet war die Bronx drüben auf dem Festland nie viel mehr als eine Müllkippe mit Hinterland: Im Norden machten sich Villen breit, umgeben von weitläufigen Parks. Im Süden wurden die Probleme der Großstadt abgeladen: der Müll und die jeweils neuesten - und armen - Einwanderer, einst Iren und Deutsche, osteuropäische Juden und Italiener, heute Latinos, Albaner und Russen.
Ginge es nach den Herrschern von Manhattan, hätte die Bronx womöglich bis heute keine eigene Verwaltung. Es war ein Akt der Rebellion und der Selbstbehauptung, daß sich die Bewohner der Bronx Ende des 19. Jahrhunderts einen Burroughs-Präsidenten wählten, so etwas wie einen Stadtteil-Bürgermeister. Der eignete sich Planungsrechte einfach an.
Seit 1987 heißt der Burroughs-Präsident Fernando Ferrer. Der 42jährige ist eine dreifache Symbolfigur: für den Lebenswillen der Bronx, für das wachsende Selbstbewußtsein der US-Bürger mit südamerikanischer Abstammung - der Latinos -, und für die Wiederentdeckung der Politik als Mittel zur Verbesserung der Lebensumstände, nicht nur der eigenen.
Ferrer ist in der Bronx geboren. Hier ist er zur Schule gegangen, hier hat er studiert. 1989 wurde er mit 84 vh der Stimmen in seinem Amt bestätigt. Ferrers politischem Geschick ist es zu verdanken, daß die New Yorker Polizeihochschule Ende der neunziger Jahre in die South Bronx umziehen wird, als Teil eines ehrgeizigen Projekts namens Bronx Center.
(Bronx Center ist der Versuch, der einstigen Schlafstadt einen urbanen Mittelpunkt und Anziehungskraft gegenüber den Suburbs zu geben. Ein Versuch der Befreiung vom Sog nach Manhattan.
 Noch residiert die Polizeihochschule in Manhattan. Niemand in der City hat sich je für diese Einrichtung begeistert - bis bekannt wurde, daß die Bronx um sie warb. Nun unterbreitete auch Manhattan interessante Offerten für einen Neubau. Ferrer und die Bronx machten dennoch das Rennen - eine Sensation in einer Stadt, wo Siegen alles ist. Und wo Sieger selten in der Bronx zuhause sind.)
Bronx Center ist der Versuch, zwei Milliarden Dollar an Investitionen genau dorthin zu holen, wo Touristen nach Angaben gängiger Reisefüher lieber wegbleiben sollten. Der Plan sieht eine Mischung aus Verwaltung, Schulen, Kultur, Kleingewerbe und erschwinglichem Wohnraum vor. Die ersten Kräne drehen sich schon. Möglich ist diese Form der innerstädtischen Totalsanierung nur, weil die Stadt nach amerikanischem Recht all jene Grundstücke geerbt hat, die von ihren Eigentümern in den siebziger Jahren zurückgelassen wurden.
Im Roman „Fegefeuer der Eitelkeiten“ müssen die Angestellten des County-Gerichts der Bronx bei Dunkelheit in Gruppen ihre Autos in Sicherheit bringen - auf einen bewachten Parkplatz in der Nähe. Den Platz gibt es tatsächlich. Dort steht jetzt ein frisch eröffnetes Einkaufs- und Kinozentrum.
(Bernd Zimmermann arbeitet seit acht Jahren in dem monumentalen Gebäude am Grand Concourse, das Tom Wolfe literarisch berühmt gemacht hat: Hier muß sich - im Roman - Sherman vor Gericht dafür verantworten, daß er in seiner Panik einen schwarzen Jugendlichen angefahren hat.
Zimmermann fährt täglich mit dem Auto zum Bronx County Building. Offenkundig wäre er nie auf die Idee gekommen, den Wagen bei anbrechender Dunkelheit unter Begleitschutz in Sicherheit zu bringen. Die Angst vor der Bronx hält er weitgehend für Medienmache. Gefährlich kann es überall sein in New York. Zimmermann jedenfalls versichert: „Ich sehe mich nicht besonders vor.“ Und passiert sei ihm noch nie etwas.
Das County Building, ein mächtiger Würfel, indem noch die Aufzugtüren reliefverziert sind, ist Stein gewordener Ausdruck des Bürgerstolzes der Bronx. Wie der Zoo, der größte der USA, wie der botanische Garten, wie das Kunstmuseum oder das gigantische Baseballstadium der Yankees.)
Bis über die Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts hinweg war die Bronx der kleinbürgerliche Gegenentwurf zu Manhattan. Dort regierte das Geld, hier wohnte der kleine Mann. Dort galt alle Sehnsucht dem großen Glück im schnellen Erfolg, hier blühten die bescheiden-stolzen Träume der American Middle Class. Träume vom Studium der Kinder, von eigenem Auto, Fernseher und Waschmaschine. In den siebziger Jahren floh die Mittelschicht in die Vororte. Geblieben ist der Stolz.
(„Die Bronx hat Nationalgefühl,“ sagt Bernd Zimmermann. Auch wenn sich kaum irgendwo sonst auf der Welt soviele Nationalitäten treffen wie hier. Oft auf engstem Raum.
Das Williamsbridge-Viertel in der Nord-Bronx gilt heute als Muster an großstädtischer Toleranz, es ist ein Vorzeigestück multikultureller Urbanität. In Williamsbridge leben heute fast zu gleichen Teilen Schwarze, Weiße und Latinos, neben einer wachsenden Minderheit von Amerikanern asiatischer Abstammung. Hier lebt man sicherer als in Downtown Manhattan. Das Geheimnis: die soziale Homogenität. Ob schwarz, ob weiß, ob gelb, alle eint das Minderwertigkeitsgefühl der Bronx-Bewohner und der Ehrgeiz, die soziale Leiter aufwärts zu klettern. Hier ist die Middle Class noch intakt.
Vor einem Jahr, im Januar, wurden in Williamsbridge zwei schwarze Kinder von vier weißen Jugendlichen auf der Straße angegriffen und mit weißer Farbe bepinselt. Anschließend formierte sich ein Protestzug. Ganz Williamsbridge schien auf den Beinen, alle Hautfarbern miteinander, vereint im Willen, das Gespenst des Rassismus und der Intoleranz sofort wieder zu vertreiben.
So wie in Williamsbridge soll es eines Tages wieder überall in der Bronx aussehen.) Ferrers und Zimmermanns Ziel heißt: Wiederaufbau einer Mittelschicht. Der Weg dorthin führt über das Eigentum an Wohnraum und über Jobs. Seit 1987 sind in der South Bronx 25000 öffentlich geförderte Wohneinheiten entstanden, mehr als in irgendeiner anderen Stadt der USA.
(1970 lebten in der Bronx 1,4 Mio Menschen. Nach der Massenflucht aus der South Bronx waren es 1980 nur noch 1,1 Mio. jetzt steigt die Zahl wieder, auf derzeit 1,2 Mio.
Stadtplaner Zimmermann sieht am liebsten vierstöckige Reihenhäuser wachsen, so wie sie Tradition haben in der Bronx. Das erste größere Bauprojekt dieser Art steht kurz vor der Vollendung, mitten in der South Bronx. Jedes Zweifamilienhaus kostet zwischen 150000 und 170000 Dollar. Alle Häuser sind verkauft. Zimmermann: „Wenn man Wohnraum mit Qualität anbieten kann, ist Geld vorhanden. Die Leute wollen hier bleiben.“
Auch Groß-Investoren beginnen sich für das Projekt Bronx Center zu interessieren. Schon ist über über einem Gleisgelände eine kleine neue Einkaufsstadt entstanden.) Seit Ferrers Amtsantritt wurden in der Bronx 350 neue Betriebe und Geschäfte eröffnet. Das reicht nicht, bei weitem nicht, um dem Stadtteil Arbeit und Geld zu bringen, aber es ist ein Anfang. Möglich wurde er nur, weil zum Überlebenswillen der CBOs ein Plan fürs Ganze kam.
Zimmermann war zehn Jahre lang Stadtplaner in Manhattan, bevor er in die Bronx kam. Hier, sagt er, hat er seinen Traumjob gefunden. In Manhattan bestehe Stadtplanung darin, das Ortsrecht jeweils den Investitionsvorhaben großer Kapitalanleger anzupassen. In der Bronx fehlte das Kapital, aber es gab städtisches Land zuhauf - und jede Menge zu tun.
Nur: Es gibt hier auch ein tiefverwurzeltes Mißtrauen gegen jede Form von Planung, gegen Politik und Verwaltung. „Das große Problem heißt “Trust in Government“,“ sagt Zimmermann: „Verwaltung lügt, betrügt und stiehlt - das ist die normale Erfahrung der Bürger.“
Ferrer hat darauf bestanden, daß Zimmermann all seine Pläne im Konsens mit den CBOs entwickelt. Zu Bürgerversammlungen hat der Stadtplaner jeweils zehntausend Einladungen verschickt. öber 600 Bronx-Bewohner haben sich zwei Jahre lang in fünf Arbeitsgruppen mit Verwaltungsleuten zusammengesetzt. Ergebnis war, 1990, das „Strategic Policy Statement“, eine Auflistung erster Erfolge und weitreichender Planungen; für die Verschönerung der Prachtstraße Grand Concourse, für die Neubepflanzung der einst prächtigen Parks der Bronx, für eine Neuerfindung des maroden Schulsystems, für die Bekämpfung des Drogenhandels.
„Laßt uns nicht nur eine neue Schicht Farbe auf ein schäbiges altes Haus legen,“ hat Ferrer im Juli 1992 den Delegierten des Demokratischen Parteitages im Madison Square Garden zugerufen, am Vorabend der Nominierung Bill Clintons zum Präsidentschaftskandidaten: „Sondern laßt es uns von Grund auf neu aufbauen, unter Beteiligung jedes Mannes, jeder Frau und jeden Kindes, in Erneuerung unseres amerikanischen Geistes und unseres amerikanischen Traums.“
Das Besprechungszimmer des Burroughs-Präsidenten hängt voller Urkunden und Plaketten, vom Boden bis zur Decke: Dankesgaben von Organisationen, Vereinen, Schulen und Bürgern an Ferrer. Ausdruck des Stolzes auf ihren Bürgermeister - und auf sich selbst. Und vor allem: auf die Bronx. Sherman würde staunen.
    

Amerika erhofft sich Rettung aus dem Süden

11/7/1992

 
Manchmal, im Frühling, tritt der Red River über die Ufer und überspült das Weideland ringsum. Ansonsten spielt er nur noch eine mythische Rolle im täglichen Leben im Süden der USA, im Grenzgebiet von Texas und Arkansas. Und er trennt zwei Orte voneinander, an denen etwas besonders sein muß; Hope und Texarkana. Zwei der drei Bewerber um das Amt des Präsidenten der USA sind hier geboren. Ross Perot in Texarkana und Bill Clinton in Hope. Und der dritte Kandidat würde auch gern von hier stammen. Amtsinhaber George Bush hat aber nur eine Wohnadresse in Dallas zu bieten.

"Southern Living" heißt eine auch im Norden gutverkaufte Illustrierte. Bunte Bilder in warmen Farben erzählen die immergleiche Geschichte von einem anderen, schöneren, einem langsameren Lebensstil. Von einem Land, in dem noch Kutschen fahren könnten. Wo die Mütter noch Plätzchen backen und jeder weiß, was gut ist und was böse. Und wo alle auf eine vornehme Art nett zueinander sind.
Es ist schwer, in Texarkana heutzutage eine Kutsche zu finden. Hier fährt man Auto, wie überall in den Vereinigten Staaten. Hier kann man noch Auto fahren, weil die Straßen nicht verstopft sind wie in L.A. oder New York. Hier findet man jederzeit einen Parkplatz und das umsonst. Texarkana hat 60000 Einwohner, eine kurze, aber bewegte Geschichte und einen Sohn, der hier schon berühmt war, lange bevor er sich zum Präsidentschaftskandidaten ausgerufen hat.
Texarkana entstand, als die Eisenbahnen anfingen, sich durch das weite Land nach Westen zu fressen. Hier auf der Grenzlinie zwischen Texas und Arkansas trafen sich Bahnarbeiter, Händler, Glücksritter, Gauner und Huren. Die Stadt war voller Bordelle, Saloons und Theater.
Als Ross Perot jung war und Zeitungen austrug, herrschten in der Innenstadt Anstand, Recht und Ordnung. Die Hurenhäuser waren ausgewandert in die Vororte. So ist es geblieben. Zeitungsbote Perot wählte die Reviere mit den Bordellen. Hier war der Botenlohn höher.
Auch Saloons sucht man heute vergeblich. Den prächtigen Bahnhof fahren seit langem keine Züge mehr an. Zur Zeit residiert in der Schalterhalle das Hauptquartier der örtlichen Kampagne "Ross Perot for President". Zwei nette ältere Damen freuen sich über jeden Besucher, der Interesse an Buttons, Aufklebern und patriotischen Gummipüppchen zeigt. Ein Transparent grüßt: "Welcome Home, Ross". Daneben hängt ein Jugendbild des Milliardärs.
Perots Geburtshaus steht in einer stillen Vorortstraße, umgeben von Rasen und Bäumen. Hier hat Ross gelebt, bis er mit 19 Jahren zur Marineakadamie in Annapolis ging, 1949. Sein Vater war Baumwollhändler. Dessen Lieblingsspruch war: "Sell it - you can’t eat it! - Verkauf’s, essen kannst Du’s nicht!"
Als Perot seine Firma Electronic Data Systems (EDS) verkauft hatte und unvorstellbar reich geworden war, kaufte er das Haus seiner Eltern zurück. Zu diesem Zeitpunkt war es weiß gestrichen, so wie die Häuser nebenan. In Ross’ Jugend aber waren die Ziegel nackt. Nachbar Richard Griffin erzählt, daß Perot alle Ziegel abnehmen und umdrehen ließ, weil die Farbe anders nicht wegzubekommen war.
Richard Griffin erzählt die Geschichte oft in diesen Tagen. "Aus Deutschland sind Sie? Vor kurzem war schon ein deutscher Reporter hier, so ein großer bärtiger." Auch dem japanischen Fernsehen hat Griffin schon ein Interview gegeben. Er ist Rentner, hat sonst nicht viel zu tun und freut sich über die Abwechselung. Das Haus nebenan, 2901 Olive Street, ist zu einer Medien- und Touristenattraktion geworden. Wen er denn wählen wird im November? Für Richard Griffin ist das keine Frage: "Ross Perot natürlich!" Obwohl - so recht zu glauben scheint er es noch nicht, daß das alles wahr ist, daß einer von hier ins Weiße Haus zieht. Staunend schüttelt er den Kopf.
Die Handelskammer von Texarkana hat rasch ein Faltblatt gedruckt, die "Ross Perot Tour Map". Vom Ross Perot Family Home bis zum Texarkana College sind alle einschlägigen Gebäude eingezeichnet. Auch das Perot Theatre mit seinem prachtvollen Vaudeville-Saal aus den zwanziger Jahren. Bis Perot es auf seine Kosten renovieren ließ, hieß es Saenger Theatre, nach der Amusement Company aus New Orleans, die es einst betrieb.
Robert E. "Swede" Lee, Präsident der Handelskammer, ist auf dieselbe Schule gegangen wie der junge Ross, auf die einzige Privatschule am Ort. Er erzählt es nicht ohne Stolz. Jeder Schultag begann mit einem Fahnenappell und dem Singen der Hymne. Dirigent der Zeremonie: Ross Perot, in seiner Eigenschaft als Pfadfinderführer, als Eagle Boy Scout.
Für Lee wie für viele professionelle Polit-Analytiker liegt in der Texarkana- und Boy Scout-Vergangenheit des Kindes Perot die Wurzel zum Verständnis des Milliardärs und Kandidaten Perot. Des Mannes, der auf eigene Faust inhaftierte Angestellte seiner Firma aus einem iranischen Gefängnis holte, der seinen Einfluß und sein Geld einsetzte, um amerikanische Kriegsgefangene aus Vietnam zurückzuholen, der nun angetreten ist, ganz Amerika wieder zurück auf den Pfad der alten Tugenden zu führen.
Noch nie zuvor hat ein parteiunabhängiger Außenseiter in einem Wahljahr so lange so gute Umfrageergebnisse gehabt wie Perot. Aber kann er tatsächlich Präsident werden? Lee fragt zurück: "Warum nicht?" Die Sowjetunion sei untergeganen, die Mauer in Berlin gefallen, warum sollte nicht auch in Amerika ein grundlegender Wandel möglich sein? Andererseits, fügt er gleich hinzu: "Geht es den Menschen in Rußland heute besser?" Wandel könne eben auch immer bedeuten, daß es schlechter wird. Nein, sagt Lee, er wisse noch nicht, wen er im November wählen wird. "Ross Perot ist eine ehrliche Haut," wiegt er den Schädel, auch Clinton sei "a good guy", aber auchGeorge Bush ist für ihn noch lange nicht abgeschrieben: Da weiß man, was man hat.
Aus dem Perot-Rummel ökonomisch das beste zu machen - die Zahl der öbernachtungen in Texarkana ist drastisch gestiegen - ist das eine, die Wahl im November aber ist ganz etwas anderes. In Robert Lees Worten: "Bei uns im Süden wird am Ende der gewählt, dem die Leute am meisten trauen."
Beatty Rogers traut Perot und mißtraut Hillary Clinton. Sie verkauft die Eintrittskarten im Historischen Museum von Texarkana. Dort werden die spärlichen Reste der ruchlosen Vergangenheit des Ortes in sauberen Vitrinen ordentlich verwahrt. Sie ärgert sich, daß Perot neuerdings in den Zeitungen so schlecht wegkommt. Die Schonzeit für den weißen Reiter aus dem Süden ist vorbei. Die US-Presse geht mit Perot jetzt genauso kritisch ins Gericht wie mit jedem anderen Kandidaten.
"Dabei ist er doch so ein anständiger Mann," beklagt sich Beatty Rogers, "einer, der für neue Ideen sorgt." Sie kann es nicht fassen.
 Was sie von Clinton hält? Schließlich stammt der auch aus der Gegend. "Clinton? - Der ist gut für Arkansas." Aber seine Frau, Hillary, das sei eine durchtriebene Person. Frau Rogers hebt Kinn und Finger und fügt leise hinzu: "Wenn alles vorbei ist, läßt die sich sicher scheiden. Passen Sie auf!"
Hillary Clinton stammt aus Chicago und verdient als Anwältin ein Mehrfaches von dem, was ihr Mann als Gouverneur von Arkansas nach Hause trägt. Außerdem hat sie sich einst abschätzig über Frauen geäußert, die darin aufgehen, daheim Plätzchen zu backen. Jedenfalls wurde sie so zitiert.
Die eine Seite der Hauptstraße in Texarkana ist texanisch, die andere liegt in Arkansas. Nur das Postamt, auch das ein Prachtbau aus besseren Tagen, ankert mitten auf der Avenue. Kein Zweifel: Die "bessere" Hälfte der Stadt liegt im reichen Texas. Von der ôl- und Geldmetropole Dallas aus betrachtet liegt Arkansas hinterm Wald. Im Museum kann man eine Ansichtskarte kaufen. Sie zeigt das Postamt und davor einen Mann und einen Esel. Unterschrift: "A man in Texas, his ass in Arkansas."
Mike C. Connor stammt aus New York, lebt aber schon lange in Texarkana, Texas. Hier hat er einen Job gefunden. Hier ist das Leben ruhig und bezahlbar. Er nennt sich Assistant Scout Executive. Sein Schreibtisch steht im Perot Scout Service Center. 50000 Dollar hatten die Boy Scouts von Perot einst als Zuschuß zum Bau erbeten, erzählt Connor. Perot hat dann gleich alles bezahlt. Dafür hängt jetzt sein Bild in der Eingangshalle, über einer Glasvitrine.
Perots Aufstieg in die Schlagzeilen hat auch das Image der Scouts wieder aufpoliert, freut sich Connor. Zuletzt war in den Zeitungen arg viel über Homosexualität unter Pfadfindern zu lesen gewesen. Zwar stammten die Beispiele aus dem fernen Kalifonien, aber: "Das hat uns hier doch sehr geschadet."
Ross Perot hat vor kurzem versichert, er sei noch nie im Leben einem Homosexuellen begegnet. Jedenfalls sei ihm das nicht aufgefallen. Fremdzugehen war Perot-Angestellten bei EDS unter Strafe des Rauswurfs verboten.
In der Vitrine liegen die Reliquien eines Pfadfinderlebens; Perots Brustbeutel, Gürtel, Tasche, Feldflasche, seine Schärpe mit Ehrenzeichen - "Be prepared, Sei vorbereitet" -, sein Hut und sein Handbuch, abgegriffen und zerlesen.
Perot erträumt sich für ganz Amerika Verhältnisse, wie sie im Texarkana der fünfziger Jahre herrschten, meint Connor, wo dem Tüchtigen die Welt gehörte, die Familien intakt und Drogen unbekannt waren, wo, wer in Not war, Nächstenliebe erfuhr: "Aber das funktioniert nicht." Connor: "Die Frauen können sich auch hier längst nicht mehr nur um die Familie kümmern. Sie müssen Geld verdienen."
Der Southern Style, so sieht es Connor, sei eine schöne Illusion: "Perot wird das schon noch merken - falls er gewählt wird."

Reportage los Angeles: "Das nächste Mal wird es schlimmer"

31/5/1992

 
Die Straße ist breit wie üblich in Los Angeles, sie ist gesäumt von Bankfilialen, Firmensitzen, Baustellen. Hier geht es aufwärts. Die Straße ist proper und heißt auch so, Harvard Boulevard. Es ist elf Uhr vormittags, der Himmel, auch das wie üblich in Los Angeles, ist graublau. Die Sonne kämpft gegen den Smog. Am späten Nachmittag wird, wie üblich, die Sonne siegen und die ganze Stadt in ein pastellenes Märchenlicht tauchen.
Im Schatten einer Palme, auf dem schmalen Rasenstreifen zwischen Trottoir und Limousinen, liegen zwei Menschen, unter einer gewebten Decke, die einmal weiß gewesen sein mag. Ein Paar, ein schlafendes Paar, engumschlungen. Er ist weiß, sie ist schwarz, beide sind obdachlos.
Zwei Häuser, ein Dutzend parkende Autos weiter steht ein adretter junger Mann auf Stufen, die hinaufführen zu einem glitzernden Verwaltungsbau. Dunkler Anzug, Seidenkrawatte, schlank und frisch gekämmt, Jerry Woo könnte in Harvard studiert haben. Sein Englisch ist makellos wie sein Auftreten, von Beruf ist er Vice President der Korean-American Coalition. Sein Job ist es, die Interessen der wachsenden Gemeinde von Amerikanern koreanischer Abstammung in Los Angeles zu vertreten.
Im US-Fernsehen wurden die blutigen Unruhen von Ende April oft als Konflikt zwischen Schwarzen und Koreanern beschrieben. "Ja," bestätigt Jerry Woo, "es gibt eine Menge Haß und Ressentiments unter den Schwarzen der Stadt gegenüber uns Koreanern." Aber: "Wir sind nicht Teil des Problems."
Weiße Polizisten hatten, vor über einem Jahr, einen schwarzen Verkehrssünder angehalten und blutig gesprügelt. Das ist nicht weiter ungewöhnlich. Ungewöhnlich war: Der Vorgang wurde gefilmt, und er war, monatelang, auf allen Fernsehschirmen zu sehen, wieder und wieder. Auch Präsident Bush im Weißen Haus war "betroffen". Sehr zum érger des Polizeichefs von Los Angeles, "Chief" Daryl Gates. Der glaubt, anders als mit brutaler Härte sei der Mob nicht im Zaum zu halten in der Elfmillionenstadt. Nur rund 7000 Polizisten hat Gates unter sich. Was sei das schon gegenüber hundert- bis hundertfünfzigtausend Bandenmitgliedern, fragt Gates.
Ende April 1992 wurden die Polizisten freigesprochen, von einer Jury, die nur aus Weißen bestand. Stunden später brannten die ersten Geschäfte.
Die meisten geplünderten Läden, 2700 an der Zahl, gehörten Koreanern.
Menschen wie Hee Lyung Lee. Seit 16 Jahren lebt er in Amerika, und er hat es geschafft. Sein "Cosmos"-Fernseh- und Videogeschäft an der Vermont Avenue ist gewachsen und gewachsen, heute hat Lee 22 Angestellte, teils sind es Koreaner, teils Latinos, keiner ist schwarz.
Am 29. April, kurz vor Mitternacht, fuhr ein Lkw durch die Fensterscheibe in Lees Laden hinein. Lee, von Nachbarn alarmiert, mußte zusehen, wie Menschen, die er nicht kannte, nahmen, was sie kriegen konnten, mit Vorliebe Fernseher und Camcorder. "Es war wie eine Bescherung mitten im Frühjahr", sagt Lee. Dreimal rief er die Polizei an, flehte um Hilfe. Dann kam ein Streifenwagen. Aber die Beamten griffen nicht ein. Wir haben so viele Anrufe, wir können nicht überall sein, haben die Polizisten zu Herrn Lee gesagt, er solle doch selber sehen, wie er die Plünderer los wird.
Herr Lee hat, wie jeder gute Amerikaner, eine Pistole. In die Luft geschossen hat er, nur in die Luft - "Wir sind doch keine Soldaten, wir sind Geschäftsleute." Die Plünderer sind abgezogen. Elf Tage lang hat sich Lee dann mit seinen Angestellten im Laden verbarrikadiert.
Das Ambassador Hotel, kaum eine Meile von Lees "Cosmos"-Laden entfernt, hat bessere Tage gesehen - und einen, der eingegangen ist in die grausigen Kapitel der amerikanischen Geschichte. Robert Kennedy wurde hier ermordet, als Präsidentschaftsbewerber, 1968.
Der dunkelrote Teppichboden in den Konferenzsälen, die kupferfarbenen Kronleuchter: verblichener Luxus. An der Garderobe hängt noch ein Schild: "Nur Kreditkarten". Doch niemand nimmt hier mehr Stolen entgegen. Seit Jahren hat im Ambassador Hotel kein Gast mehr übernachtet.
In den Konferenzräumen ist jetzt das Disaster Assistance Center untergebracht. Ausgeraubte Geschäftsleute, durch die Brandstiftungen obdachlos Gewordene finden hier Formulare und Hilfe.  Ein Katastrophenfonds der Bundesregierung ersetzt Schäden, für die keine Versicherung aufkommt. Antragsformulare gibt es in Koreanisch, Spanisch und Englisch.
Win Henderson ist eigentlich Lehrer. Katastrophenhelfer ist er im Nebenamt, für neun Dollar pro Stunde, wie ein Soldat in Reserve. Normalerweise wird er bei öberschwemmungen oder Erdbeben gerufen. Henderson ist wichtig, daß niemand, der hier um Hilfe nachsucht, gefragt wird, wie er eingereist ist ins Land, ob er vielleicht polizeilich gesucht wird: "Wir haben keine Querverbidnungen zu anderen Behörden."
Jeder zweite Latino in der Stadt ist seriösen Schätzungen zufolge illegal im Land. Jährlich kommen mehr als eine Million über die nahe Grenze aus Mexiko. Die Spanischsprechenden stellen längst die größte ethnische Gruppe in Zentral-Los Angeles.
Neulich, vier Tage vor den Vorwahlen in Kalifornien, war der Präsident der Vereinigten Staaten hier, George Bush. Jedem wird geholfen, versicherte er, zur Not werde der Katastrophen-Fonds nochaufgestockt.
Los Angeles ist eine Stadt ohne eigentliches Zentrum. Ein Städtebrei, zusammengewachsen aus Dutzenden von Gemeinden, ein Ruhrgebiet mit Palmen, zusammengehalten von Stadtbautobahnen und schnurgeraden Avenues. An den Avenues liegen die Läden, die Tankstellen, Einkaufszentren, Schulen und Kirchen. Schilder verkünden: Monty’s, Bonanza, Rick’s Mexican Cuisine, Clinica de Protecion oder Don Quijote Mart. Oft blättert die Farbe.
In den Seitenstraßen reiht sich Einfamilienhaus an Einfamilienhaus. "Weiträumig" und "ziemlich hübsch" fand George Bush die Gegend. Bisher habe er Innenstadtkrawalle immer mit "Mietskasernen und Hoffnungslosigkeit" assoziiert, wunderte sich der Präsident auf dem Rückflug in die Hauptstadt.

Die Unruhen fanden an den breiten Straßen statt. Mit am schlimmsten hat es die Vermont Avenue getroffen. Sie erinnert an Bilder aus dem Golfkrieg, aus Bagdad, an die Einschläge präzisionsgesteuerter Raketen.
An der Kreuzung Vermont Avenue/Martin-Luther-King Boulevard stand ein kleines Ladenzentrum. Das Reklameschild steht noch und die Filiale von Popeye’s, einer Fast-Food-Kette. Vom Rest ist nicht mehr geblieben als angekokelte Dachlatten, verbogenes Metall, geschmolzenes Plastik.. An einem Mauerrest klebt ein Flugblatt. Reklame einer Baufirma, die auf Renovierungen spezialisiert ist; auf "Remodeling". Popeye’s ist öffnet, der Betrieb läuft normal.
In in der Martin-Luther-King-Highschool auf der anderen Straßenseite wird längst wieder unterrichtet. Nicht nur Fast-Food-Läden, auch die Schulen blieben verschont.  Nicht ein einziges Unterrichtsgebäude in Los Angeles hat gebrannt in jenen drei blutigen Tagen.
Die University of Southern California war umzingelt von Feuern. Doch kein Plünderer hat den Campus betreten. Die Universität, vor 120 Jahren gegründet, nach dem blutigen Bürgerkrieg, der Nord und Süd der Vereinigten Staatenauseinanderriß, ist der "Suche nach der Wahrheit" gewidmet, "der Freiheit des Gedankens und der Diskussion, der unvoreingenommenen Analyse, ... dem Fortschritt der Menschheit". So steht es an einem Brunnen zu lesen unweit vom George-Lucas-Buildung, der Schule für Fernsehen und Film. Hier reift Hollywoods hoffnungsvoller Nachwuchs heran.
Wer es schon geschafft hat in der Traumfabrik, die Reichen, Schönen und Mächtigen, sie wohnen weiter im Norden, dort, wo die Berge beginnen, in Beverly Hills. Hier enden die Avenues. Auch hierhin ist kein Plünderer gekommen.
Der weiße Mittelstand wohnt weder hier noch in der Innenstadt, sondern weit draußen im Süden, in Gemeinden, die Ontario heißen oder Irvine. Vor vierzig Jahren wuchsen dort nur Zitrusfrüchte. Orange County heißt der Landkreis. Aus Plantagen wurden Firmensitze und Wohngebiete. Hier ist heute eine Hochburg der Rüstungs-und Elektronikindustrie. Und der Republikanischen Partei, bisher jedenfalls.
Während der republikanische Präsident Bush das Katastrophenzentrum im Ambassador Hotel besuchte, machte sein Konkurrent von den Demokraten, Bill Clinton, gerade Wahlkampf in Irvine. Eingeladen hatte ihn, auf eine Bühne zwischen Firmensitz und Parkplatz,  der Chef der Western Digital Corporation, Roger Johnson.  Vor vier Jahren sammelte Johnson Spendengelder für Bush, vorher für Reagan. Jetzt macht er sich für Clinton stark. Der rief seinen Zuhörern zu, er komme nicht als Demokrat oder Republikaner, sondern "zuerst als Amerikaner". In Zeiten wie diesen müsse die Nation zusammenstehen.
Ehemalige Soldaten will Clinton zu Lehrern und Entwicklungshelfern für die Innenstädte umschulen lassen, der schrumpfenden High-Tech-Industrie verspricht er neue Staatsaufträge. Nicht mehr zugunsten der Rüstung, sondern zum Aufbau neuer Verkehrs- und Glasfasernetze. Der Applaus war freundlich. Einige Zuhörer trugen Ross-Perot-Buttons.
In den USA gibt es keine Meldepflicht. Wer an Wahlen teilnehmen will, muß sich eintragen lassen. Den Koreanern von Los Angeles war das bisher nicht wichtig. Nur rund 50000 von ihnen sind als Wähler registriert. Die meisten waren zufrieden, so wie es war im Land. Das hat sich geändert. Jerry Woos Organisation will die Zahl der koreanischen Wähler bis zur Präsidentschaftswahl im November verdoppeln.
Niemals zuvor in der amerikanischen Geschichte, klagt Woo, mit temperiertem Zorn in der Stimme, habe die Polizei untätig danebengestanden, wenn unschuldige Bürger ausgeraubt wurden. Die von Weißen beherrschte Justiz sei gegenüber Asiaten eben genauso einäugig wie gegenüber Schwarzen. "Wir müssen Einfluß nehmen auf die Politik. Wir müssen als ein Block auftreten." Und wen werden die Koreaner wählen? "Nicht die Amtsinhaber," sagt Woo. Wahrscheinlich Clinton. Von Perot, dem Milliardär aus Texas, möglicher dritter Kandidat im Rennen, wisse man nicht, was er eigentlich will.
Die Koreaner wollen jetzt nicht nur wählen, sondern auch aktiv mitwirken beim Wiederaufbau der Stadt. Peter Ueberroth. der Organisator der Olympischen Spiele von 1984, ist Chef einer kommunalen Aktionsgemeinschaft. An vielen Stellen in der Stadt verkünden Tafeln: "Gemeinsam werden wir es schaffen". Darunter steht eine Telefonnummer. Jeder ist eingeladen, mitzumachen.
Auch die schwarzen Jugendbanden wollenmitmachen. Zumindest versichern das ihre Führer. Seit Wochen hält ein Waffenstillstand zwischen den "Bloods" und den "Crips".
Kein Stadtteil in Süd-Los Angeles, in dem nicht an jeder kahlenHauswand geheimnisvolleGraffiti verkündeten, welche Bande hier der Herr im Viertel ist. Die meisten Morde in der Stadt sind traditionell das Resultat von Rachefehden zwischen Crips und Bloods. Mitglieder beider Gangs versammeln sich jetzt an Wochenenden in Parkanlagen, feiern die Verbrüderung.
Am Tag nach dem Bush-Besuch hat die Polizei zwei solcher Treffen vorsorglich aufgelöst, das eine Mal mit Gewalt (achtzehn Verhaftungen),  das andere Mal gingen die Jugendlichen freiwillig auseinander. Einige waren betrunken, begründete die Polizeileitung den Einsatz.
In der koreanischen Gemeinde war heftig umstritten, ob man sich mit Gang-Führern an einen Tisch setzen soll. "Cosmos"-Besitzer Lee ist dagegen, die Führung der Korean-American Coalition ist dafür. Vizepräsident Woo hat schon mit Bandenführern gesprochen: "Das waren sehr ernsthafte und intelligente Leute," sagt er. Leute mit Ideen, Leute, die wissen, was die Menschen auf der Straße denken.
Frank Holoman ist schwarz, ein Hüne und Geschäftsmann. Sein Markenzeichen ist eine mit Glasperlen bestickte Baseballkappe. Der Perlenschriftzug verkündet: "Blv Cafe". So heißen Holomans vier Restaurants. Außerdem besitztHoloman eine Zeitung, ein Anzeigenblatt. Es trägt den Titel "Black Achievers" -  Schwarze, die es geschafft haben.
Die jungen Leute brauchen positive Leitbilder, sagt Holoman, und sie brauchen Chancen. Er hat mit den Crips und den Bloods nichts am Hut. Zur Verdeutlichung krempelt er ein Bein seiner Jogginghose hoch. Sichtbar wird eine lange, tiefe Narbe an der Wade. Zwei Jugendliche, schwarze Jugendliche, wollten Holoman ausrauben. Es ist ihnen nicht gelungen. Holoman ist stark und mutig, und er hat einen Rottweiler.
"Ich bin für Law und Order," sagt er, "aber Gerechtigkeit muß dazukommen." 50000 Dollar zahle der Staat pro Jahr für jeden Gefängnisinsassen: "Warum geben wir nicht genauso viel Geld für Schulen und für Ausbildung aus?"
Vor den geschäftstüchtigen Koreanern, sagt Holoman, zieht er die Kappe. Die halten zusammen, helfen sich gegenseitig, anders als die Schwarzen. Aber er wirft den Koreanern Rassismus vor: "Kommt ein Weißer in den Laden, wird er freundlich bedient, kommt ein Schwarzer, wird er mißtrauisch beobachtet." Außerdem: "Die Koreaner investieren nicht in den Stadtteil." Sie machen soviel Geld wie möglich, dann ziehen sie weg, sagt Holoman, in bessere Viertel, wie die Weißen.
Weiße, Asiaten, Latinos, Afro-Amerikaner, jeder Mensch, das ist Holomans Philosophie, will im Grunde das gleiche: einen Job, eine Aufgabe, eine Familie, ein eigenes Heim. "Wer nichts besitzt, hat nichts zu verlieren."
Die Graffiti der Gangs an den Straßen sind für ihn Zeichen, die sagen sollen: Wir sind wer. Auch wir haben etwas. Auch wir haben etwas zu verlieren.
Wenn sich nicht jetzt etwas grundlegend ändert im Lande, sagt Frank Holoman, wenn nicht ein charismatischer Präsident dem neuen Geist des "Zusammen schaffen wir’s" ein Ziel gibt und Geld, einer wie einst die Kennedy-Brüder, dann wird der Frieden nicht lange halten in der Stadt:
"Und das nächste Mal wird es schlimmer."

Tee: Abwarten wird teuer

1/1/1990

 
Steigender Verbrauch treibt die Preise

Aktualisiert 17. August 1984  08:00 Uhr 

Von Uwe Knüpfer

Horst Fischer beugt sich leicht hinunter zu der henkellosen Tasse aus weißem Porzellan, führt sie zügig zum Mund und saugt den Tee mit einem laut schlürfenden Geräusch in sich hinein. Jetzt hebt er den Kopf, den Blick ins Nirwana gerichtet, bewegt den Schluck sichtlich in seinem Mundraum hin und her und gibt dabei dreimal rasch hintereinander ein Geräusch von sich, das sich als eine Mischung aus Grunzen und Glucksen nur unvollkommen beschreiben läßt. Neben ihm steht, auf Rollen, ein hoher Kupfereimer. Hierin landet die verbrauchte Probe – wie ein ausgekauter Priem.

„Ist in Ordnung“, sagt Horst Fischer. Er ist Teataster – „Teeprobierer“ übersetzt er selbst – bei der Tee-Im- und Exportfirma Hälssen und Lyon im Hamburger Freihafen. Fischers Probier-Kontor ist vollgestopft mit Blechdosen und einer bunten Vielfalt von Teetüten und -tütchen aus aller Welt – soweit sie Tee produziert. An der Wand hängt eine Tafel mit den wichtigsten Devisenkursen, stets auf dem aktuellen Stand. Während Horst Fischer schluckt und gluckst und spuckt, entscheidet er für seine Firma über Ausgabe oder Nichtausgabe mitunter sechsstelliger Beträge. „Ich muß heute schmecken, was der Kunde in einem halben Jahr kaufen will“, beschreibt er sein Geschäft.

Anders als ihre Kollegen in der Kaffee-Branche schließen Teehändler nur in Ausnahmefällen feste Lieferverträge mit Tee-Exporteuren oder Plantagen ab. In der Regel führt der Weg des Tees vom Erzeuger zum Verbraucher über Auktionen; in London, vor allem aber in Kalkutta und anderen Metropolen des Fernen Ostens. Diese Börsenplätze haben eine gewaltige Hausse hinter sich. Länger als ein Jahr kletterten die Teepreise am Weltmarkt auf immer neue Rekordmarken; seit Mai etwa halten sie sich auf hohem Niveau.

Die deutschen Teetrinker haben davon aber bislang kaum etwas zu spüren bekommen. Auch nachhaltige Preisbewegungen am Weltmarkt erreichen den Verbraucher hierzulande erst viele Monate später, mit stark abgeschwächter Wirkung. Dennoch: Anfang 1984 erhöhten einige Marken ihre Preise um rund zehn Prozent, und Experten rechnen mit weiteren Anhebungen noch im Laufe dieses Jahres. Langfristig wird Tee teurer, denn weltweit wird Jahr für Jahr mehr davon getrunken. Einer Ausweitung der Produktion guter Tees sind aber ökologische Grenzen gesetzt.

Im Hamburger Hafen, dem bedeutendsten Tee-Umschlagplatz des Kontinents, lagern ständig rund zehntausend Tonnen dieses haltbaren Genußmittels. Damit kämen Deutschlands Teetrinker ein halbes Jahr lang aus. Aber nicht nur die Händler – also Importeure – sondern auch die Packer – also Vermarkter – halten Lager. Markentees sollen nämlich immer gleich schmecken. Der Geschmack der Blätter wechselt aber von Erntewoche zu Erntewoche, von Plantage zu Plantage. Mischungen wie die „ostfriesische“ oder die „englische“ müssen deshalb ständig neu zusammengesetzt, zusammengeschmeckt werden. Das besorgen die Teataster. Teure Tees verschneiden („blenden“) sie mit preiswerteren, neu angelandete mit schon länger gelagerten Vorräten.

Die hohen Zinsen der letzten Jahre haben die Lagerhaltung verteuert. Viele Packer (nicht Händler!) räumten daher ihre Lager. Auch deshalb konnten sie ihre Preise lange halten.

In Deutschland trinken fast nur Kenner Tee. Deshalb kaufen deutsche Händler in Indien und Sri Lanka stets die besten – und damit teuersten – Sorten und Ernten auf. Die meisten Kenner leben in Ostfriesland. Ein Fünftel aller importierten Tees endet in friesischen Aufgüssen. Teebeutel werden dort nur selten verwandt, und auch bundesweit konnten sie ihren Marktanteil von fast fünfzig Prozent in letzter Zeit nicht mehr vergrößern. Auch der Boom der künstlich aromatisierten Kirsch-, Whisky- und-so-weiter-Tees scheint vorüber. In Skandinavien, Italien und Amerika beginnt er erst, zur Freude der deutschen Händler.

Ein halbes Pfund Tee brüht der statistische Durchschnittsdeutsche pro Jahr auf, drei Kilogramm der Ostfriese, noch mehr verbrauchen nur Briten und Iren.

Seit die Opec-Länder zu Geld gekommen sind, steigt der Teeverbrauch auch im Nahen Osten; In Saudi-Arabien etwa verzehnfachte er sich beinahe zwischen 1977 und 1981. Folgenschwerer noch für den Welt-Teemarkt ist das Bevölkerungswachstum im wichtigsten Erzeugerland, in Indien. Die Inder trinken jährlich etwa um so viel mehr Tee, wie die Bundesdeutschen insgesamt verbrauchen. Allerdings nehmen die armen Inder, anders als die reichen Araber, vor allem mit billigeren Sorten vorlieb, sogenannten „bread-and-butter-teas“. Deren Preise sind denn auch an den Auktionsorten am kräftigsten gestiegen, zumal während des indischen Exportverbots für schlichte, Sorten, das im Dezember 1983 verhängt und erst im Mai angesichts außerordentlich reichhaltiger neuer Ernten wieder aufgehoben wurde.

In Sri Lanka, dem zweitwichtigsten Tee-Exportland, ist die Produktion rückläufig. Nach der Verstaatlichung der Teeplantagen kamen oftmals Personen in leitende Funktionen, die die Kunst des Teeanbaus schlechter beherrschen als die des politischen Ränkespiels. Zudem gehen den ceylonesischen Plantagen die Facharbeiter aus. Die geibten Teeverarbeiter und Pflückerinnen gehören nämlich der tamilischen Minderheit an. Ihre Vorfahren wurden von britischen Plantagenbesitzern einst von Indien her nach Ceylon umgesiedelt. Heute bemühen sich die Regierungen beider Länder um eine Rücksiedlung der Tamilen. Die Folge: Auf den Plantagen arbeiten neuerdings Angehörige der singhalesischen Bevölkerungsmehrheit, und inzwischen erledigen auch Männer hier und dort die traditionelle Frauenarbeit des Pflückens.

Männer und Frauen traten im April auf vielen Plantagen Sri Lankas gemeinsam in den Streik. Sie setzten durch, daß beide Geschlechter jetzt gleich bezahlt werden. Der Tagelohn beträgt seither umgerechnet 2,20 Mark; Kinder bekommen etwas weniger.

Sri Lanka bezieht rund dreißig Prozent seiner gesamten Exporterlöse aus dem Teegeschäft. Der Staat verdient gleich dreifach: Als Plantagenbesitzer und durch das Erheben von Steuern und Zöllen. Es leben außerdem vom Tee: Broker an den Auktionsorten, Exportfirmen und europäische Händler. Dennoch entfallen von einer Mark, die ein deutscher Verbraucher für Tee ausgibt, nur 25 Pfennig auf die Kosten der importierten Ware. Weitere 25 Pfennig gehen für Kosten und Gewinn des Packers drauf 16 Pfennig kassiert der deutsche Fiskus. Und 34 Pfennig schließlich sind für den Händler reserviert, der den abgepackten Tee dem Verbraucher verkauft. Helmut Grösser vom Deutschen Teebüro: „Die große Handelsspanne ist leider nötig, weil Tee keinen Umsatz hat.“

Die deutsche Teekultur im Blick, könnte Grösser auch von einem Teufelskreis sprechen. Geringer Umsatz der Branche bedeutet für sein Teebüro: vergleichsweise wenig Geld für Werbung. Und so wird die Mehrheit der Deutschen wohl nie lernen, Tee richtig zuzubereiten. Tee, so sagen Experten, könne sein göttliches Aroma nur entfalten, wenn das Wasser sauber, die Aufgußmenge reichlich bemessen und von keinem engen Tee-Ei an seiner Geschmacksentfaltung gehindert ist.

Horst Fischer, der Teeprobierer im Hamburger Hafen, kostet im Schnitt zweihundert Sorten Tee täglich. Jede davon, behauptet er, kann er wiedererkennen. Viele Worte verliert er darüber nicht. Seine Antwort auf die Frage: „Wie schmeckt denn nun der Tee, den Sie gerade getestet haben?“ entbehrt des blumigen Vokabulars seiner Kollegen von der Wein-Zunft: „Gut“.

  • Quelle DIE ZEIT, 17.8.1984 Nr. 34

Wenn die Türken gehen

1/1/1990

 
Eine forcierte Heimkehr macht nicht nur Arbeitsplätze frei, sondern schafft auch neue Probleme

Aktualisiert 19. Oktober 1984  07:00 Uhr  Von Uwe Knüpfer

Türkenheim stirbt. Der Duisburger Ortsteil Alt-Hüttenheim, eine geschlossene Siedlung im Eigentum der Mannesmann AG, besteht aus insgesamt 530 Wohnungen. In nur dreizehn davon leben deutsche Familien. Den Rest bewohnen Türken – bewohnten Türken: Knapp dreihundert Wohnungen sind seit dem Sommer unbewohnt. Ihre Fenster sind verrammelt mit hölzernen Läden, die großen Innenhöfe meist menschenleer. Auf den Straßen parken nur wenige Autos. Es ist still. Vereinzelt laufen spielende Kinder ins Bild, buntgekleidet, und wirken, als seien sie auf Expedition in eine Geisterstadt.

Viertausend Türken haben Duisburg verlassen, sind in ihre alte Heimat zurückgekehrt: meist ehemalige Mannesmänner mit ihren Familien. Siedlung und Fabrik trennt nichts als eine breite Autopiste. Natürlich heißt sie Mannesmannstraße.

Das Management von Mannesmann hat die anfängliche Türken-raus-Politik der christlich-liberalen Bundesregierung mit innerbetrieblichen Mitteln unterstützt. So konnten sich Mannesmann-Türken, die in die Heimat zurück wollten, nicht nur ihre gesetzlichen Rentenansprüche kapitalisieren lassen, sondern zusätzlich auch ihre Betriebsrente. Weil Geld allein nicht willig macht, lud das Unternehmen seine ausländischen Mitarbeiter außerdem zu Deutschkursen und machte ihnen klar: Wer nicht besteht, der fliegt – ohne kapitalisierte Rente.

Wenn die ungeliebten Fremden nur endlich dahin gehen, wo sie herkamen, so hoffen noch immer viele Politiker und Bürger an Kabinetts- und Stammtischen, wird es den Deutschen gleich viel besser gehen. Vor allem verschwindet endlich die leidige Arbeitslosigkeit – in Richtung Anatolien, wo sie ohnehin seit langem zu Hause ist. Endlich dürfen dann Deutsche wieder Straßen fegen, sich in Bergwerksstollen krümmen und am Hochofen schwitzen.

Doch solche Rechnungen werden ohne die Türken gemacht. Denn die Ausländer arbeiten und verdienen nicht nur hier. Sie sind zugleich auch Steuer- und Beitragszahler; sie sind Konsumenten, haben große Familien zu kleiden und zu ernähren; sie hinterlegen ihr Erspartes zumeist bei deutschen Banken; sie zahlen Mieten für Wohnungen, die deutsche Behörden ansonsten für unvermietbar halten. Als soziales „Problem“ betrachtet, sichern sie die Arbeitsplätze von Lehrern, Sozialarbeitern und Wissenschaftlern.

Alt-Hüttenheim war noch vor einem Jahr voller Leben. Deutsche und Türken feierten gemeinsam den 70. Geburtstag ihres Ortsteils. Jetzt will Mannesmann in seiner Siedlung vier von sieben Wohnblocks abreißen. Jahrzehntelang wurde hier nicht renoviert, jetzt schätzt der Eigentümer die Modernisierungskosten auf achtzigtausend Mark pro Wohnung. Die dann erforderlichen Mieten würde niemand zahlen wollen – nicht in dieser Wohnlage.

Georg Behrend, beredter Sprecher der Bürgerinitiative „Rettet Hüttenheim – er war selbst 34 Jahre lang Betriebselektriker im Werk jenseits der breiten Straße –, hält dieses Argument seines früheren Arbeitgebers allerdings für „reine Demagogie“: „Wir gucken seit siebzig Jahren auf den Hochofen. Wenn die Wohnungen hier nicht vermietbar sind, müßte man das ganze Ruhrgebiet abreißen.“ Charlie, wie ihn hier alle nennen, verweist in bestem Soziologendeutsch auf die „herrlichen Kommunikationsmöglichkeiten in den Innenhöfen“, auf das reiche Grün in den Straßen, auf das menschliche Maß der Bauten. Charlie ist offenbar alles andere als froh darüber, daß die Türken weg sind. Deren Vertreibung, so scheint ihm zu schwanen, könnte auch ihn seiner Heimat berauben.

Ihr Exodus hat jedenfalls schon manchen anderen um bisher sicher geglaubte Einkünfte beraubt. Ihre Lebensmittel-Großeinkäufe tätigten die Türken bei Aldi in Huckingen. Der verschwiegene Handelsriese gibt Umsatzzahlen nicht preis. Auch die Hauptgemeinschaft des Deutschen Einzelhandels hat noch nie ermittelt, was und wieviel die Gastarbeiter-Familien kaufen. Sicher glaubt man dort nur zu wissen, daß sie „gerade im Schlußverkauf eine große Rolle“ spielen.

Für Ismet Tepe dagegen ist die Sache klar. Er besitzt einen Lebensmittelladen in Alt-Hüttenheim – noch. Um sechzig Prozent, so schätzt er, sei sein Umsatz seit dem Sommer gesunken. Auch Hakki Bankaoglu gleich nebenan, der Videos verleiht und Getränke sowie Süßes verkauft, klagt über schlechte Geschäfte. Dem deutschen Bäcker um die Ecke geht es nicht anders, und mittelbar spüren die Umsatzeinbußen der türkischen Kleinhändler auch die deutschen Großhändler.

Der Leiter der Sparkassen-Zweigstelle Hüttenheim weist zwar Gerüchte energisch zurück, seine Filiale solle geschlossen werden. Doch daß der Weggang der Türken auf Spar- und Darlehenskonten durchaus deutliche Spuren hinterlassen hat, räumt er ein. 360 von insgesamt zweitausend Sparkonten, die in seiner Filiale geführt wurden, sind aufgelöst worden. Rund zwei Millionen Mark an Einlagen gingen verloren, knapp zehn Prozent der Gesamteinlage. In etwa gleicher Höhe zahlten die türkischen Ex-Kunden Darlehen vorzeitig zurück. Filialleiter Althans: „Nicht ein einziger Fall mußte der Rechtsabteilung übergeben werden. Das war schon sehr positiv, wie die Leute ihre Sachen erledigt haben.“

Die Universität Duisburg befragte türkische Arbeitnehmer danach, wie groß ihre „Rückkehrneigung“ sei. Nebenbei kam heraus, daß die Befragten nur ein Fünftel ihrer Einkommen in die Heimat überweisen. Der große Rest fließt wieder zurück in die deutsche Volkswirtschaft.

Auch die Schulträger lernen in Duisburg gegenwärtig ein „Ausländerproblem“ ganz neuer Art kennen und fürchten. 1672 türkische Schüler mußten sich im Sommer, manchmal Hals über Kopf, von ihrem Klassenverband trennen. Die beiden Hauptschulen in der Umgebung Alt-Hüttenheims bekamen zum neuen Schuljahr nur jeweils eine fünfte Klasse voll. Insgesamt meldeten sich hier weniger als fünfzig Schüler. Da die nachrückenden deutschen Schüler-Jahrgänge wegen des „Pillenknicks“ ohnehin schwach sind, gerät manche Schule in arge Existenznot, wenn jetzt auch noch die Ausländerkinder wegbleiben. Die Stadt Duisburg denke einstweilen nicht daran, eine Schule zu schließen, beteuert der zuständige Schulrat. Doch seien „für die Zukunft organisatorische Maßnahmen nicht auszuschließen“. Vorerst mußten zwanzig Lehrer versetzt werden, und die Klassen wurden kleiner.

Viele Pädagogen haben sich in den letzten Jahren mit großem Engagement weitergebildet, um den besonderen Schwierigkeiten ihrer türkischen Schüler gerecht zu werden. Viele Universitäten bieten inzwischen spezielle Ausbildungsgänge an. Nicht auszudenken, wie das Heer der arbeitslosen Akademiker weiter wachsen würde, wenn wirklich alle Türken gingen.

Von der Essener Ruhrkohle sind schon zu viele Türken weggegangen. Zeitlich parallel zur Geltungsdauer der Bonner Rückkehrhilfen spendierte das Unternehmen jedem ausländischen Mitarbeiter 2,5 Monatsgehälter plus Weihnachtsgeld, wenn er sich entschloß, vorzeitig auszuscheiden. Im Durchschnitt waren das zehntausend Mark. Das verlockte mehr Türken als geplant. Eigentlich hatten in diesem Jahr dreitausend „in die Anpassung gehen“ sollen. Jetzt werden es voraussichtlich doppelt so viele sein. Die meisten der Ausscheidenden sind erfahrene Bergleute und nicht ohne weiteres zu ersetzen. In einzelnen Abbaustreben kann der Betrieb nicht länger aufrechterhalten werden. An eine Erneuerung des spendablen Angebots, das bis zum 30. Juni befristet war, denkt bei der Ruhrkohle deshalb heute niemand mehr.

Ähnlich die Bundesregierung. Zwar gibt sie ihre Rückkehrhilfe-Aktion offiziell als „vollen Erfolg“ aus. Dennoch heißt es in Norbert Blüms Arbeitsministerium, an eine zweite Auflage werde nicht gedacht. Nicht zuletzt deshalb, weil die freundlichen Hilfeangebote oft als „Abschiebeprämien“ mißverstanden worden seien.

Die Türken haben die deutschen Politiker schon richtig verstanden. In Frankfurt erscheinen vier türkische Tageszeitungen mit einer Gesamtauflage von 200 000 Exemplaren. Fast achtzig Prozent der von den Duisburger Wissenschaftlern befragten Türken gaben an, regelmäßig WDR 4 zu hören: Sendungen. in ihrer Muttersprache. Ausländerfeindliche Äußerungen aus Bonn machen in Kreuzberg und Hüttenheim blitzschnell die Runde.

Der Sozialwissenschaftler Faruk Sen ist sich nach vielen Gesprächen mit Landsleuten in Duisburg sicher: „Die meisten von denen, die zur Rückkehr entschlossen sind, hat nicht das Geld dazu bewogen. Der stärkste Beweggrund ist, daß sie sich von ihrer deutschen Umgebung abgelehnt fühlen.“

Obwohl der psychologische Feldzug der Bundesregierung also gelungen scheint: Der Exodus von „Türkenheim“ ist in dieser räumlich konzentrierten Form ein Einzelfall und wird es vorerst bleiben. An anderen Orten ist mit einer so massierten Rückkehr nicht zu rechnen. Denn der verbalen Peitsche ebenso zum Trotz wie dem finanziellen Zuckerbrot deuten alle vorliegenden Umfragen darauf hin, daß die Mehrheit der Türken bleiben will. Wer weiß: Vielleicht wird ihnen eines Tages nicht nur Charlie dafür dankbar sein.

Aber das Beispiel Alt-Hüttenheim macht deutlich, daß eine massive Rückkehr von Gastarbeitern nicht nur Probleme löst, sondern neue schafft.

  • Quelle DIE ZEIT, 19.10.1984 Nr. 43

Von Reiz der armen Rhön

1/1/1990

 
Wo alle Straßen enden – das Mittelgebirge an der Grenze von Uwe Knüpfer

Aktualisiert 22. Februar 1985  07:00 Uhr  Von Uwe Knüpfer

Er ist barfuß in seinen Pantinen, der alte Mann, der da, mitten im tiefen Winter, seelenruhig am Leubach steht und mit uns plaudert; ohne Hast und ohne Socken. Der Bach fließt durch das Rhön-Städtchen Fladungen und trieb einst elf Mühlen an. Heute sind es immerhin noch zwei. Einen Bäcker gibt es nicht: Die Einwohner backen ihr Brot noch selbst.

In dem Bach, so berichtet der alte Mann, war auch schon mal Gift, das kam von „drüben“ und kostete gut 4000 Rhön-Forellen im Staubecken oberhalb von Fladungen vor der Zeit das Leben. „Von drüben“, das heißt natürlich: aus der DDR. Kurz hinter dem Ort hören alle Straßen auf, Wanderwege verlaufen sich im Wald, eine Schneise und ein Zaun markieren das Ende der westlichen Welt.

Wir sind in der Mitte Deutschlands, in der Bayerischen Rhön und fast in Thüringen, in einem Mittelgebirge, das für den Wintersport wie geschaffen scheint. Jedenfalls suggeriert dies jener höhnisch gemeinte Uralt-Sprucn, der der Rhön bescheinigt, hier gebe es neun Monate Winter und drei Monate Schnee. Kalt ist es in der Tat. Und Schnee findet sich auch: auf der Wasserkuppe, dem mit 950 Metern höchsten Gipfel (aber der liegt schon in Hessen), ebenso wie auf dem Kreuz- und dem Arnsberg, dem doppelten Mekka der Alpin-Skiläufer im bayerischen Teil des Gebirges.

Eigentlich ist es ja der fränkische Teil. Doch scheinen die Franken hier mit ihrer politischethnischen Zuordnung durchaus einverstanden. Die Touristik-Manager der Region versuchen gar aus dem „bayerisch“ Kapital zu schlagen. Mit der Rhön beginne „Deutschlands schönstes Urlaubsland“, werben sie.

Vorsichtshalber fahren wir nicht an einem Wochenende zum Kreuzberg, sondern an einem Donnerstag. Es schneit, und kurz hinter Bischofsheim geht es ohne Schneeketten nicht mehr weiter. In fast 900 Metern Höhe, auf einem gebührenpflichtigen Parkplatz, erwarten uns klirrender Frost und eine unüberblickbare Menge Gleichgesinnter. Es herrscht Hochbetrieb. Die Sicht ist schlecht, die Schlange am Lift lang. Alles Muskelfleisch fühlt sich an wie zu Eis erstarrt, schon bevor uns einer der fünf Ankerlifte in die Höhe zieht, einer – mit Muße – Dreiminutenfahrt entgegen.

Dichtes Gedränge auch am anderen touristischen Wallfahrtsort hier auf dem „heiligen Berg der Franken“: in der Klosterschänke. Familien mit frierend-unzufriedenen Kindern warten ungeduldig, daß andere Familien, kurz zuvor noch in ähnlich peinlicher Lage, endlich ihren Tisch freimachen.

Das Herzstück dieses eigenartigen Gebirges, ist – Wasserkuppe hin, Kreuzberg her – zweifellos der langgezogene Gebirgsstock, der sich bei Bischofsheim beginnend bis in die DDR hinein nach Norden erstreckt: die Lange oder auch die Hohe Rhön genannt. Obenauf, immer höher als 800 Meter über dem Meeresspiegel, dehnen sich weite, moorreiche Hochflächen, nur leicht gewellt und spärlich bewaldet. Sporadisch öffnen sich weite Ausblicke über breite Täler auf andere sanftgebuckelte Höhen und wieder andere, die schemenhaft dahinter liegen.

Rauh sei dieses Land, wußten frierende Durchreisende seit alters her zu berichten. Dazu ist es karg und steinig. Die Bauern, die hier lebten, waren immer arm. Das wissend, wirkt der seltsame Liebreiz der Landschaftsformen geradezu deplaziert. Gelassen schlängeln sich unregulierte Bäche und Flüßchen durch Täler, in denen es Sägewerke gibt, beinahe mehr als Kirchen, aber keine Industrie. Je ärmer das Dorf, desto weniger Fachwerkfassaden wurden. in den Wirtschaftswunderjahren unter bonbonfarbenem Rauhputz versteckt. Aus der Not heraus haben sich die Städtchen ihr mittelalterliches Ortsbild bewahrt. Das beginnt sich nun als Segen zu erweisen.

Doch zurück zur Landschaft. Von Liebreiz war die Rede, Schroffes ist ihr fremd. Und so entbehrt sie auch Steil- und Buckelpisten. Menschenarm, naturbelassen, wie die Rhön daliegt, niederschlagsreich und kalt, ist sie im Winter so recht ein Ziel für Menschen, die anderes wollen als bibbernd Schlange zu stehen und um andere Skiläufer wie um Slalomstangen herum ins nahe Tal zu wedeln. 20 Langlauf-Loipen mit einer Gesamtlänge von rund 160 Kilometern werden regelmäßig gespurt.

Tage später, an einem der Parkplätze entlang der „Hochrhönstraße“, der fränkischen „Route des Crêtes“, steigen wir in die Rundloipe „Moorschlinge“ ein. Weit voraus lösen sich die Umrisse eines Schnelleren hinter einem Schleier aus Schnee allmählich auf. Nur ein paar vom Frost in bizarre Kristallskelette verwandelte Sträucher und Bäume geben dem Auge Halt. Die Illusion sibirischer Weite und Einsamkeit ist perfekt. Zu hören ist nichts als ein leises Pfeifen. Es ist der Wind. Er jagt über das Hochplateau, läßt dort unsere Spur unter einer Düne von Schnee rasch wieder verschwinden.

Als wir gestartet waren, hatten wir ihn kaum bemerkt: den Kiosk am Parkplatz. Jetzt, nach einer knappen Stunde Rundkurs, riechen wir ihn schon, bevor wir die Rauchschwaden sehen, die von dort den Duft „bester thüringischer Bratwürste“ vom Grill herübertragen. Rund um das Holzhäuschen stehen kleine Gruppen fröhlich schwatzender Menschen, die alle in der vom Handschuh befreiten Faust ein knackiges Brötchen halten. Darin eingeklemmt ist die längliche dunkelbraune Wurst, die, wie der erste Bin beweist, nicht das geringste gemein hat mit ihren industriell gefertigten Namensvettern, die uns in den Imbißbuden der Großstädte so ärgern können. Die gute Stimmung der Mampfenden, das merken wir schnell, hängt freilich auch zusammen mit dem warmen Apfelwein, den es ebenfalls für wenig Geld zu kaufen gibt.

Daß hier thüringische Würstchen feilgeboten werden statt solcher Nürnberger oder Coburger Art, ist keine Reminiszenz an die Bewohner jenseits der übernächsten Berge. Wer in die Rhön fährt, kann seinen Urlaub tatsächlich in Thüringen verbringen, ganz ohne Visum. Die sächsischen Grafen von Henneberg nämlich teilten sich zu Feudalzeiten die Rhön mit den Bischöfen von Würzburg und Fulda. An die Stelle der Grafen trat 1741 das Haus Sachsen-Weimar, weshalb auch der bekannte Herr von Goethe einige Tage in Ostheim weilte: Gleich zweimal, 1780 und 1782, hatte er dort Verwaltungsdinge zu regeln.

Ostheim und einige das Städtchen umgebende Weiler bilden heute eine thüringische Enklave im Bayerischen. Hier werden statt Knödeln Klöße gegessen, dazu trinkt man keine Maß, sondern „Bierchen“. Hier wird auf lutherische Weise Gott gedient, und selbst mancher Zwiebelturm hat noch eine lange, schlanke Spitze obenauf.

Und so klärt sich auch, was dem Nachkriegs-Westdeutschen an den Namen mancher Rhön-Städtchen so geheimnisvoll in die Irre führend dünkt. Ostheim, Nordheim, Sondheim firmieren auf Straßenkarten und Ortsschildern allesamt als „vor der Rhön“ gelegen – wo sie doch, wenn nicht mittendrin, so doch augenfällig dahinter liegen. Im Osten nämlich.

Bei einsetzender Dämmerung folgen wir dem zugeschneiten Weg von der Sennhütte hinab nach Fladungen. Zwei Spurrillen, die ein anderer Langläufer schon vor uns durch den Neuschnee zog, bieten Halt und Orientierung. Wie hineingeworfen in das Tal unter uns liegen Nordheim rechts, Fladungen links, Heufurt dazwischen. Die Sonne inszeniert noch immer ihr dramatisches Wolkentheater, als wir die ersten Häuser erreichen. Ein Landwirt auf seinem Traktor, dem wir begegnen, starrt uns an, als wären wir Yetis.

Daß die Rhön heute mehr ist als ein Geheimtip unter Wanderfreunden meist älteren Semesters, daß auffallend viele junge Familien mit Kindern durch Fladungen, Ost-, Nord- und Bischofsheim streifen, ist zweifellos die Folge einer umstrittenen Hotelansiedlung mitten im Naturschutzgebiet. Das „Rhön-Park-Hotel“, eine 1100-Betten-Burg, würde die östliche Silhouette der Langen Rhön beherrschen, wenn sie sich nicht so schamhaft schieferverkleidet oberhalb des Dorfes Roth im Wald verstecken würde: ein Zugeständnis an die prostestierenden Naturfreunde. Der Bau hat sich gelohnt. Erstens wurde er, Anfang der siebziger Jahre, vom Fiskus wegen seiner Grenznähe und der „Strukturschwäche“ der Region kräftig gefördert. Zweitens erfreut er sich bei Urlaubern ganz offenkundig, großer Beliebtheit. Selbst extreme Freizeit-Aktivisten brauchen das Hotel im Grunde kaum zu verlassen. Schwimmbad, Sauna, Kegelbahn, drei Restaurants, Kindergarten, Tennishalle, Spielautomaten und die langen Korridore des Hause lassen der Langeweile Keine Chance, Wer will, kann – im Bademantel – stundenlang durch die vielen Flure der wie Treppenstufen in den Hang gedrückten Bauteile wandern und zwischendurch immer wieder Aufzug fahren.

Die Geschäftsleute von Ostheim, während der Planungs- und Bauzeit eher skeptisch, würden heute wohl jeden Sonntag eine Bittprozession zu dem Hotel hinauf zelebrieren, sollte jemals der Plan erwachen, es wieder abzureißen. Denn in Ostheim kaufen die Appartement-Bewohner Lebensmittel ein, schaffen sich neue Schuhe an oder Spielzeug für die Kinder. Viele von ihnen wohnen vielleicht auch, wenn sie im nächsten Jahr wiederkommen, in einer kleinen Pension. Ganz folgerichtig sind die ehedem niedrigen Übernachtungs- und Essenspreise in der Bayerischen Rhön kräftig gestiegen in den letzten Jahren.

Ohne das „Rhön-Park-Hotel“ in seiner Nähe könnte es sich auch der junge Stettener Wirt des alten Gasthofs „Zur Linae“ nicht erlauben, jenen bekannten rheinischen Viktualien-Spediteur bei sich halten zu lassen, der seit Jahren, von Paris aus, frische Fische gleichmäßig über die deutsche Edelfreßlandschaft verteilt. Wen große Portionen, Papierservietten und „gutbürgerlicher“ Gasthaus-Service nicht stören, kann in der „Linde“ übrigens preiswert schlemmen: eine Consommée vom Reh vielleicht oder Donauwaller im Wurzelsud, Seezungenfilets in Krebsbuttersauce.

Von ihrer kulinarischen Tradition her freilich zählt die Rhön zu jenen Landstrichen, in denen der Armut ihrer Bewohner wegen gut essen stets gleichbedeutend war mit viel essen. Die Tradition ist lebendig, und wer sich darauf einläßt, tut gut daran, anschließend auf lange Wanderung zu gehen. Ein Marsch durch den Rhöner Winterwald wird gegenwärtig leicht zum Hindernisrennen. Die Waldarbeitertrupps kommen mit der Arbeit kaum nach, so viele stramme Bäume, mitten im Forst, liegen quer. Sie sind, samt Wurzeln, im Herbststurm einfach umgefallen. Der sterbende deutsche Wald eröffnet dem Wanderer ganz neue Perspektiven: Er kann die Bäume, die der Schnee bedeckt, als wär’s ein Leichentuch, jetzt auch von unten betrachten.

*

Auskünfte: Fremdenverkehrsverband Rhön, Postfach 6 69, 6400 Fulda, Tel. (06 61) 60 06-3 05 und Fremdenverkehrsverband Franken, Gebiet Rhön, Landratsamt, 8740 Bad Neustadt, Tel. (0 97 71) 9 43 10.

  • Quelle DIE ZEIT, 22.2.1985 Nr. 09

Auf Unternehmer studieren

1/1/1990

 
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Der Mond über Herne Zwo

1/1/1990

 
Auf der Suche nach Wanne-Eickels diskretem Charme von Uwe Knüpfer

Aktualisiert 28. Juni 1985  08:00 Uhr  Nichts ist so schön wie der Mond von Wanne-Eickel.“ Und weiter? „Die ganze Luft ist erfüllt von ew’gem Mai. Und jede Nacht am Kanal von Wanne-Eickel ist voller Duft wie die Nächte von Hawaii.“

Für Hohn kann das nur halten, wer von Wanne-Eickel keine Ahnung hat. Die Einheimischen sehen in dem Schlager, mit dem Friedel Hensch und die Cypris den Ort 1961 berühmt machten, ihre Nationalhymne, die witzigste der Welt. Auch wenn sie verlegen schmunzeln – das Mondlied spricht den Menschen in Bickern und Wanne aus der Seele, und wenn sie was getrunken haben, im Bayernzelt der Cranger Kirmes vielleicht, singen sie alle, alle mit. Drei junge Frauen, Wannes reger Musikszene verhaftet, brachten es zu lokaler Berühmtheit im letzten Jahr auf der Kirmes. Sie nannten sich „Luna Sisters“, und besorgten dem Liedchen vom Mond ein grandioses Comeback. Die Wanner waren aus dem Häuschen.

Ganz laut mitgesungen, dafür gibt es Zeugen, hat Helmut Hellwig, Wanner von Geburt, gelernter Postler und seit Jahren direkt gewähltes Mitglied des Landtags. Die politischen Finessen hat er, nicht untypisch für Wanne, bei den „Falken“ erlernt, der sozialdemokratischen Kinder- und Jugendorganisation. Das Mondlied gefällt ihm: „Wer schon mal am Kanal poussiert hat, so wie ich, kann das nur positiv empfinden.“

Ihr rotverklinkertes Einfamilienhaus haben Helmut Hellwig, Enkel eines Bergmanns, und seine Frau, Tochter eines Bergmanns, ganz nahe der Gegend gebaut, in der beide aufgewachsen sind. Warum ist einer wie Hellwig, der gewiß auch anderswo Karriere hätte machen können, Wanne-Eickel immer treu geblieben? „Woanders hätten wir Heimweh.“ Und dann, das ist für ihn das Größte, hat er doch neulich bei einem Spaziergang zum erstenmal seit vielen Jahren wieder eine Nachtigall singen gehört! Daß sie die Nestwärme einer Kleinstadt spüren dürfen, inmitten der toleranten Riesenstadt Ruhrgebiet, das vor allem anderen mag es sein, was Wanne-Eickeler in Wanne-Eickel hält. Andere kleben aus dem gleichen Grund an Castrop-Rauxel oder Gelsenkirchen-Schalke.

Nein, Wanne-Eickel ist gewiß nicht auf die Weise schön, wie es Würzburg oder Bamberg ist. Nicht einmal das kommunale Werbeamt behauptet das. Schüchtern-trotzig setzt man dort auf die stille Einsicht des Fremden, daß kein Ort in Wahrheit so schaurig sein kann, wie der Name „Wanne-Eickel“ klingt.

Dem Fremden fällt hier vor allem auf, wie leicht er einen Parkplatz findet. Eine schmale Seitenstraße des Haupteinkaufsboulevards, nach Mozart benannt, trug einst ein sehenswertes Glasdach. Schon seit einem halben Jahrhundert ist es nur noch auf Ansichtskarten zu bewundern. Heute, da Einkaufspassagen eine Renaissance erleben, trauern die Wanner ihrer demontierten nach.

Wie zum Trost haben sie die Mozartstraße wenigstens vom Autoverkehr befreit. So hat auch der kleine kreisrunde Platz in ihrer Mitte seine Ruhe zurück. Er erinnert an ein intimes Theater, in dem gerade nichts gegeben wird. Der Passant steht auf der Bühne, die Balkone in den eingewölbten Jugendstilfassaden links und rechts könnten Logen sein. In einem Haus eine Kneipe – sie heißt „Zauberflöte“. Gegenüber, hinter vergilbten Plakaten, residiert die DKP.

Lieblos wirkt der Rest der City, ausgestorben nach Geschäftsschluß. Das Leben der Wanne-Eickeler spielt sich hier nicht ab. Da lohnt schon eher ein Bummel durch die Zechen-Kolonie in Röhlinghausen. Winzige Armeleutehäuschen inmitten großer Gärten, gegenüber Villen, einst gebaut für das höhere Bergbaupersonal. Die Holzläden der Häuschen sind dunkelgrün, ihre Türen international: Hier scheint ein Dali-Fan zu wohnen, nebenan ein Western-Freund, dort ein Kakteenzüchter. Welch tiefe Wahrheit ruht im deutschen Schlager: „Ich kenn’ die ganze Welt, von Rio bis Port Said, ich kenn die Côte d’Azur, die Rosen von Athen ...“

Der Rentner auf dem Küchenstuhl vor seiner weinumrankten Laube sitzt dort schon die ganze Zeit, ohne irgendwas zu tun. Es sieht nicht so aus, als würde sich daran bis zum Mittagessen etwas ändern. Warum mäht er nicht wenigstens den Rasen oder liest die Zeitung?

Sein Nachbar bosselt am Taubenschlag herum, einem umfunktionierten Bauwagen. Er tut das mit jener bedächtigen Ausdauer, die dem Bergmann unter Tage anerzogen wird.

Jahrhundertelang gab es hier nichts als Ackerland und Sumpfgelände. Darauf dämmerten Dörfchen wie Eickel, Bickern, Wanne und Crange. Daß zwei von ihnen, per Bindestrich verbunden, einmal Großstadt spielen sollten, erscheint rückblickend wie ein Irrtum der Geschichte. Crange, immerhin, war schon im späten Mittelalter zu regionalem Ruhm gelangt. Es hatte ihn den „Emscherbrücher Dickköppen“ zu verdanken, Wildpferden, die in den von Menschen gemiedenen Auwäldern des einst idyllischen Emschertales lebten. Sie waren, gefangen und gezähmt, als willige und ausdauernde Arbeitstiere weithin geschätzt. In Crange wurden sie verkauft.

Aus dem Pferdemarkt, alljährlich abgehalten am Laurentiustag, dem 10. August, wurde die „Cranger Kirmes“, das Oktoberfest des Ruhrgebiets. Niemand zweifelt daran, daß die inzwischen 550. Kirmes auch in diesem Jahr wieder über 400 Schausteller und mehr als drei Millionen Besucher nach Herne locken wird.

Nach Herne, ja, denn die Stadt Wanne-Eickel gibt es nicht mehr. 1974, während der großen nordrhein-westfälischen Gebietsreform, ging sie, um eine Eingemeindung nach Bochum zu vermeiden, mit der nur wenig größeren Nachbarin eine „Städteehe“ ein. Herne stellte den Namen und das Rathaus, Wanne-Eickel den Oberbürgermeister und das Wappentier. Inzwischen ist ein neuer OB im Amt, einer, der aus Herne stammt.

Wanne-Eickel, die selbständige Stadt, war das Kunstprodukt einer anderen Gebietsreform gewesen, der von 1926. Damals lebten in Röhlinghausen, Bickern, Eickel, Crange, Holsterhausen und Wanne rund hunderttausend Menschen, mehr als zehnmal soviel wie nur fünfzig Jahre zuvor. Die Zechengesellschaften waren von der Ruhr aus nordwärts gewandert und hatten die Emscherdörfer anschwellen lassen. Rund um die Gruben entstanden Bergmannssiedlungen. Rasch überwucherten sie die Überbleibsel feudaler Vergangenheit. Die Bauern machten Kohle. Ihre Namen verschwanden aus den Grundbüchern und tauchten auf Straßenschildern wieder auf.

Den Abbau der echten Kohle besorgten Gastarbeiter. Angeworbene Malocher strömten an die Emscher. Zuerst aus Thüringen und Hessen, seit den späten achtziger Jahren des 19. Jahrhunderts aus den „deutschen Ostgebieten“. 1918 gab hier bald jeder dritte „Polnisch“ als Muttersprache an.

Die Werber der Zechengesellschaft lockten mit Arbeit und guten Wohnbedingungen. Mietskasernen wie in englischen Industrierevieren wurden nicht benötigt. An Baugrund war kein Mangel. Das ist heute noch zu spüren. Die „dichtbesiedeltste Stadt Europas“ stellt man sich anders vor. „Verdichtete Bebauung“, eine der architektonischen Totschlag-Parolen der siebziger Jahre unseres Jahrhunderts, ist selten zu finden in Wanne-Eickel. Zumindest im Sommer wirken weite Teile der Stadt durch und durch grün.

Im Ortsteil Röhlinghausen, einst beherrscht von Mannesmann und der Zeche Königsgrube, ist es ruhig geworden. Eigentlich hatte die Stadt, wie vom Bergbau gewünscht, das Zechengelände in eine Abraumdeponie verwandeln wollen. Eine Bürgerinitiative aber verlangte nach Ruhe und Grün, „und zwar sofort“, und sammelte dafür fast so viele Unterschriften, wie der Stadtteil Bürger hat. Das gab dem SPD-Ortsverein, traditionell allem Neuen gegenüber skeptisch und der IG Bergbau hörig, denn doch zu denken. Er schwenkte um. Auch die Genossen im Rathaus, erst pikiert, folgten bald dem neuen Kurs.

Aus dem Zechengelände wird jetzt eine Grünanlage, und zusätzlich gab die Landesregierung viel Geld für „Maßnahmen der Wohnumfeldverbesserung“ her. Aus Hinterhöfen wurden Plätze, Fassaden bekamen neue Anstriche. Noch nie seit den Zeiten der Zechenwerber hatten die Röhlinghauser soviel öffentliche Zuwendung erfahren.

Als die Zechen starben – 1976 machte der letzte Pütt von Wanne-Eickel dicht blieben die Zechengesellschaften und ihre Rechtsnachfolger doch die größten Grundstücksherren der Gemeinde. Jahrzehntelang war hier ohne sie nichts gelaufen. Hier wurde gebaut, was der Bergbau brauchte und wie er es wünschte. Und was er nicht brauchte, das wurde nicht gebaut.

Erst in den sechziger Jahren begann die Stadt ein Eigenleben zu führen. Sie kaufte Grundstück auf Grundstück und begann zu bauen; der Kumpel würde sagen, „auf Deibel komm raus“. Vor allem Schulen, vierzehn an der Zahl. Aber auch Kindergärten, Jugendheime und eine der ersten Fußgängerzonen der Republik.

Heute ist der Baurausch längst verflogen. Geblieben sind die Schulden, ist aber, bei den Stadtvätern, auch das Gefühl, die Eile sei vonnöten gewesen. Es galt, Zuschüsse von Bund und Land zu ergattern, solange deren Säckel prall gefüllt und die Finanzminister freigebig waren.

Wenn etwas auffällt bei einer Fahrt durch Wanne-Eickel, dann ist es die ungewöhnlich hohe Zahl von Schienen und Schranken. Sie erinnern an Wannes glanzvolle Zeiten als wichtiger Eisenbahnknotenpunkt. Doch auch das ist passé. Intercity-Züge halten hier nicht, auch wenn Wanne-Eickel als wohl einziger Stadtteil der Bundesrepublik noch immer einen eigenen Hauptbahnhof besitzt. Der Bundesbahn scheint es zu mühsam, aus ihren Streckenplänen den „Hbf Wanne-Eickel“ zu streichen und ihre Züge nur noch nach Herne 1 rollen zu lassen. Und die „Alt-Herner“ denken natürlich nicht im Traum daran, auf ihren eigenen Hauptbahnhof zugunsten des größeren im Vorort zu verzichten. Uwe Knüpfer

  • Quelle DIE ZEIT, 28.6.1985 Nr. 27
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