Die Demontage des Ross Perot hat schon begonnen. Der Mythos des Milliardärs aus Texas bröckelt. Dabei steht der eigentliche Kampf ums Weiße Haus in Washington erst noch bevor.
Wie zuvor dem vermutlichen Kandidaten der Demokraten, Bill Clinton, setzen nun ganze Heerscharen von Reportern dem Außenseiter aus Texas zu, durchleuchten seine Vergangenheit, nehmen jedes Staubkorn unter die Lupe, das sie unter Perots Teppich finden können.
Es ist unwahrscheinlich, daß der nächste Präsident der Vereinigten Staaten Ross Perot heißen wird. Aber: Allein daß dies denkbar wäre, allein daß die Kandidatur eines Mannes ernstgenommen wird, der vom Politikbetrieb nichts hält, sagt viel über den Zustand, in dem Amerika sich nun befindet.
Mitten im Wahljahr ist die letzte Weltmacht der Erde so verunsichert wie lange nicht mehr. Das war schon vor den Unruhen von Los Angeles so. Das hat sich durch die Unruhen verstärkt. Im Lande herrscht ein starkes Gefühl: So wie bisher geht es nicht weiter.
Die schönen Träume der Reagan-Jahre sind verflogen. Reagan, dem einstigen Schauspieler, war es gelungen, dem Volk inmitten aller Malaise immerhin das Gefühl zu vermitteln, in einem großartigen Land zu leben, wundervoll regiert zu werden. Unter Reagans Nachfolger George Bush bröckelte der Lack vom schönen Bild. Zumal die Wirtschaft, in den ersten Reagan-Jahren boomend, sich in einem langen Tunnel befindet. Nur ganz winzig ist von fern ein Licht zu erspähen.
Die Politik des schönen Scheins und der militärischen Stärke hat zwar die Sowjetunion in die Knie gezwungen, aber auch ein Amerika hinterlassen, in dessen Innenstädten sich außerhalb der Geschäftsviertel seit zwanzig Jahren nichts getan hat. In Schulen bröckelt der Putz, Brücken rosten, viele Gemeinden können kaum ihren Sheriff bezahlen. Mit Entsetzen blicken die USA in den Spiegel und erkennen ein Gesicht mit vielen Wunden und Narben.
Wieviele arm sind, wie viele obdachlos in diesem Land, wurde lange verdrängt. Wie sehr die Reagan-Bush-Jahre die Kluft vertieft haben zwischen den wenigen sehr Reichen und den vielen sehr Armen, lange wollte es niemand wissen. Jetzt rufen die Amerikaner es sich umso lauter ins Bewußtsein zurück.
In dieser Situation wächst die Sehnsucht nach "leadership", nach einer politischen Führung, die Probleme nicht schönredet und medienwirksam Themen besetzt, sondern Probleme löst und die Nation zusammenführt. Weder Bush noch - bisher jedenfalls - Clinton wird das zugetraut.
Das ist der Boden, auf dem eine Kandidatur Perot gedeihen kann. Ob der Außenseiter aus Texas nun antritt oder nicht, ob er gewählt wird oder nicht, ob er am Ende Bush mehr Stimmen wegnimmt oder Clinton - er wird tiefe Spuren hinterlassen in Washingtons politischer Landschaft. Niemand wird gewählt werden, der nicht glaubhaft Perots Botschaft aufgreift: Es muß gehandelt werden im Lande.
Eine überwältigende Mehrheit der Amerikaner hält den Freispruch für weiße Polizisten, die einen wehrlosen schwarzen Verkehrssünder blutig prügelten, für Willkürjustiz. Praktisch jeder, der in den USA in diesen Tagen zu Wort kommt, ruft aber auch zu Ruhe und Besonnenheit auf, fordert ein Ende Gewalttätigkeiten, die diesem Urteil folgten.
(In Washington gingen Weiße und Schwarze zusammen auf die Straße, um gegen das Urteil von Los Angeles zu demonstrieren, friedlich. Schwarze wie Weiße sehen aber auch mit Schrecken, zu welcher Brutalität Menschen gegenüber unschuldigen Mitbürgern fähig sind. Das Fernsehen zeigte immer wieder Bilder von unvorstellbarer Grausamkeit.)
Typisch für Amerika: Im Augenblick der tiefsten Spaltung rückt die Gesellschaft zusammen, lebt die uramerikanische Tugend der Zivilcourage auf. Amerika wäre aber nicht Amerika, wenn die tragischen Geschehnisse von Kalifornien nicht auch prompt ein Wahlkampfthema würden - und ein Geschäft. Es ist schon mehr als makaber, daß Rodney King, das Opfer der prügelnden Polizisten, schweigt, obwohl er vielleicht am ehesten bei denen Gehör fände, die jetzt plündernd durch die Straßen ziehen. Er schweigt, so muß man annehmen, weil er aus seinem Unglück das aus seiner Sicht Beste zu machen versucht. Er will seine Geschichte vermarkten, er steht schon unter Vertrag.
King verhält sich da im Grunde nicht anders als Politiker, die erst kalkulieren, was ihnen am besten bekommt, bevor sie Stellung nehmen. Es dauerte zwei Tage, bis die Wahlkampfberater von Präsident Bush glaubten sicher zu sein, was dessen Wiederwahl am förderlichsten wäre.
(Dabei erwarteten nicht nur die Schwarzen im Lande, daß Bush beherzt Stellung nahm gegen den Freispruch. Sie erwarteten, daß Washington für Gerechtigkeit sorgt, wo die lokale Justiz parteiisch scheint. Die Mittel dazu gibt es. Sie wurden im Kampf um die Gleichberechigung der Schwarzen früher vielfach angewandt. Der gesetzestreue Durchschnittsbürger erwartete andererseits auch, daß der Präsident keine Minute unbeteiligt zusieht, wie Unschuldige ermordet und ausgeraubt werden, ohne daß die Polizei eingreift.)
Amerikas Wahlkämpfer sehen sich vor der Frage: Wie machen wir es der einen Wählergruppe recht, ohne die andere zu verprellen. Dabei könnten die Ereignisse von Kalifornien ein Anlaß sein, wirkliche Themen in den Wahlkampf zu bringen. Denn die Feuer von Los Angeles haben drastisch erhellt, woran dieses Land krankt: an tiefen sozialen Konflikten, oft - aber nicht nur - entlang der alten Rassengrenzen.
Immer mehr Amerikaner erwarten sich von Washington jetzt einen Aufbruch in eine neue éra der Reformen und der nationalen Versöhnung. Kein Durchwursteln und keinen Schlammwahlkampf. Die Ereignisse von Los Angeles dürften nicht ohne Einfluß darauf bleiben, welchen Präsidenten sich Amerika im November wählen wird.
ZuWoran es den Universitäten wirklich fehlt: an Geist und guten Professoren
Aktualisiert 13. Januar 1989 07:00 Uhr Von Uwe Knüpfer Rund 250 000 Studienempfänger strömten zu Beginn des Wintersemesters in die heruntergewirtschafteten bundesdeutschen Hochschulen – viel mehr als je zuvor. Das weiß inzwischen jeder, der in Deutschland Zeitung lesen kann, denn alle haben es berichtet – von Bild über Spiegel bis zur ZEIT – bebildert, bestaunt. Und so hat auch jeder Verständnis für die armen Studenten und ihre Professoren, die zusammengepfercht in ihren Hörsälen streiken. Der deutsche Katastrophen-Voyeur hat ihnen ein Kämmerlein in seinem weiten Herzen freigemacht, nahe dem für die Hühner aus den Legebatterien. Er hat ein neues Notstandsgebiet entdeckt, den Campus. Die Zahl 250 000 ist frei erfunden. Es war im 26. September des alten Jahres, das neue Semester hatte noch nicht begonnen, in Bonn tagte die Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung. Den Vorsitz in dieser normalerweise gepflegt gelangweilten Runde aus Bildungsbürokraten und -politikern führte Jürgen W. Möllemann, der Bundesbildungsminister. Da die reguläre Tagesordnung an jenem Tag – wie meist – beim besten Willen keine Schlagzeile versprach, erteilte der Vorsitzende sich selbst das Wort zu einer Philippika gegen alle Abwarter, Abwiegler und Abwäger. Er machte das „Affentheater“ – so stand es am nächsten Tag auch brav in den Zeitungen – nicht länger mit, hier mit den Ländern über irgendwelche Kautelen oder Kompetenzchen zu feilschen, derweilen draußen 250 000 junge Menschen zusätzlich in die Hörsäle drängten, viel mehr als je zuvor. Wer auf diese spektakuläre Zahl nicht spektakulär reagiere, werde bald sein blaues Wunder erleben. Die versammelten Minister und Staatssekretäre der Wissenschafts- und Kulturressorts in den Ländern wunderten sich zum einen über den Kenntnisstand des Kollegen aus dem Bund, denn verläßliche Studentenzahlen gibt es immer erst etwa zwei Monate nach Studienbeginn. Zum anderen staunten sie über die Art, wie sie angeblafft wurden – an einem Ort, wo Sottisen sonst das Äußerste sind, was man einander zuwirft. Der eine oder andere Dienstherr der Hochschulen machte sich noch die Mühe, auf die Anstrengungen hinzuweisen, die seine Regierung durchaus schon eingeleitet habe, um den vielen Studierenden gerecht zu werden ... Das sei alles Kleinkram, belehrte ihn der Vorsitzende, ein Zwei-Milliarden-Programm müsse her, und er, Möllemann, werde die Hälfte davon schon beschaffen, wenn die Kollegen aus den Ländern vorher die andere Milliarde auf den Tisch legten. Nein, mit dem Kanzler oder Herrn Stoltenberg habe er noch nicht gesprochen, aber, wie gesagt, über Kinkerlitzchen solle man doch bitte schweigen, wo von einer nationalen Aufgabe die Rede sei. Der „Neue Studentenboom“ war geboren, noch ehe es ihn gab. Pünktlich zum Vorlesungsbeginn schickte jeder Chefredakteur, der sich auf seinen scharfen Themen-Riecher viel zugute hält, Photographen und Reporter in die nächste Alma mater. Fündig zu werden, fiel denen nicht schwer, denn die Anfängervorlesungen quollen tatsächlich über, wie jedes Jahr um diese Zeit und besonders im Modefach der Saison, der Betriebswirtschaftslehre. Und so lachte dem Zeitungsleser am nächsten Morgen allüberall der Student mit dem Klappstuhl gequält entgegen. Für die Studenten begannen herrliche Wochen. Nach entbehrungsreichen Jahren ohne öffentliche Aufmerksamkeit und Zuneigung war endlich ihre Meinung zur Ausbildungssituation gefragt, und wie. Natürlich wußten sie die richtige Antwort: Katastrophal! Sie wären nicht die Blüte ihres Jahrgangs, wenn die Studienanfänger nicht sofort begriffen hätten: Jetzt ist action gefragt. Als hellwache Medien-Demokraten formierten sie sich prompt zur „Neuen Studentenbewegung“. Es begann mit vereinzelten Streiks, die kaum anders verliefen als jedes Jahr zu dieser Zeit. Nur mit zwei kleinen Unterschieden: Diesmal wurde die Rektoratsbesetzung in Duisburg, die im vorigen Jahr selbst vom örtlichen Anzeigenblatt verschlafen worden wäre, noch in Hamburg und Frankfurt mit einem wollüstigschaudernden „Na-bitte!“ medienmäßig registriert; und die Akteure wirkten diesmal viel zuversichtlicher und fröhlicher als sonst – und wurden bald auch zahlreicher. Im Gegensatz zur „Alten Studentenbewegung“ betrat die neue eine bereits gut ausgeleuchtete Bühne vor einem ergriffen wartenden Publikum. Der Auftritt gelang, der Applaus brandete von taz bis FAZ und zurück. Besonders beglückt zeigte sich das Frankfurter Blatt: Endlich eine Studentenbewegung, wie man sich den Schwiegersohn wünscht: zielstrebig und brav, das Machbare stets im Blick, großen Theorien abhold, selbstbewußt und dabei heiter. Und dann noch Hand in Hand mit den Herren Professoren! Herzerquickend. Erst als zu den artigen Forderungen nach mehr Professoren und größeren Hörsälen auch solche nach einer Veränderung der Paritäten in den Gremien kamen, hob die FAZ leitartikelnd ihren Zeigefinger: Kinder, folgt nicht den linken Verführern! Da fügte es sich gut, daß just in dieser Zeit die Regierungschefs aus Bund und Ländern dem Bundesbildungsminister und den Studenten ein schönes Weihnachtsgeschenk einzupacken versprachen: ein – tatsächlich – Zwei-Milliarden-Programm. Gestreckt auf sieben Jahre. Ordentliches Protestieren sei eben erfolgreich, schrieben einige Kommentatoren flink – und stellten ihr eigenes Licht gehörig unter den Scheffel. Die Aktivisten unter den Studenten rochen zwar den Braten und forderten flugs zwei Milliarden jährlich. Doch ist noch sehr die Frage, was im neuen Jahr übrig sein wird von der neuen Bewegung der Studenten. Hochschulleitungen, die nun die gerufenen Geister auch gern wieder in der Flasche hätten, haben noch kurz vor Ausrufung der akademischen Weihnachtspause sedierend gedroht, womöglich ein ganzes, im Streik vertanes Semester nicht anerkennen zu können. Das wird auf die angehenden Schwiegersöhne (und -töchter) seine Wirkung doch wohl nicht verfehlen. Denn, mein Gott, wenn es jetzt kein Ende hätte mit dem Protest, wenn es weiterginge: Was dann alles aufbrechen könnte! Zwar tragen deutsche Professoren ihren Talar heute zumeist nur bei Festlichkeiten im Ausland – Muff ist aber immer noch genug darunter. Daß Geld es ist, was bundesdeutschen Hochschulen noch am wenigsten fehlt, wird jeder Gastdozent aus dem Ausland, jeder Humboldt-Stipendiat bestätigen. Aber vielleicht würde ja, wenn wieder mehr an und über Hochschulen diskutiert würde, darüber gesprochen, warum die meisten akademischen Studienordnungen noch immer so aussehen, als sei es die einzige Aufgabe der Universität, ihre Professoren zu reproduzieren. Wo doch weit mehr als 90 Prozent aller Hochschulabsolventen dermaleinst alles mögliche tun und sein werden, nur das eine nicht: deutscher Professor. Oder es würde darüber gesprochen, warum Generationen angehender Juristen nach der ersten Orientierungsphase in tatsächlich vollen Hörsälen zu den Repetitoren pilgern. Oder darüber, warum es unter den rund 25 000 Professoren so wenige von Weltruf gibt – und auch nur wenige, die ihre Studenten begeistern können und wollen. Denn es stimmt schon, daß es die angehimmelte Hochschulautonomie nicht gibt, deren Verlust immer dann besonders elegisch beklagt wird, wenn es über den Staat zu zetern gilt, dessen bürokratische Organe gelegentlich ihrer Pflicht nachkommen, den Fluß der Milliarden Mark an Steuergeldern hinein in die Hochschulen mehr oder weniger penibel zu kontrollieren oder (Pfui Teufel!) in Einzelfällen sogar in Frage zu stellen. Ansonsten gibt es nur die alltägliche Autonomie des Hochschullehrers, insbesondere desjenigen mit dem C4-Gütesiegel. Acht Wochenstunden während des laufenden Semesters (das gottlob nie lange dauert) muß er in der Regel der Lehre widmen. Worüber und auf welche Art, ist fast vollständig ihm überlassen. In der restlichen Zeit forscht er wahrscheinlich. Hochschulleitungen gelingt es im besten Fall, die zahlreichen Partikularinteressen der Hochschulangehörigen zu bündeln durch Addition und Vorlage der Rechnung beim großen Nährer Staat. Oder sie verkörpern sich in starken Rektoren oder Präsidenten, welche als leicht barocke Figuren die hinter ihnen stehende „öffentliche Körperschaft“ repräsentieren wie konstitutionelle Monarchen. Der akademische Mittelbau darf sich um die Einheit von Forschung und Lehre kümmern und seinen Frust in der Personalvertretung artikulieren. Die Studenten sollen studieren. Im „Dossier“ der ZEIT war jüngst die originelle Behauptung zu lesen, die Ausrufung des Bildungsnotstandes durch Georg Picht in den sechziger Jahren habe den massiven Ausbau der Natur- und Ingenieurwissenschaften und den damit einhergehenden Verfall der rühmlichen deutschen Geisteswissenschaften zur Folge gehabt. Kann schon sein, daß Verfall das richtige Wort ist. Sollte es ihn geben, hinge er aber sicher nicht damit zusammen, daß es in der Bundesrepublik heute zu wenig Philosophen, Philologen oder Pädagogen – im akademischen Sinne – gäbe. Das Gegenteil ist der Fall: Nie gab es in diesem Lande so viele davon. Die Zeit des gigantischen Ausbaus der Hochschulen war auch die Zeit des großen Lehrerausbildungsschubs – und die der Aufblähung der Philosophischen Fakultäten. Dennoch kommt kaum einer der Gedanken, die sporadisch die Welt bewegen, wenigstens die bundesdeutsche, aus den Studierstuben der Universitäten. Woran mag es liegen, daß ein einziger Aufsatz von – sagen wir: Hans Magnus Enzensberger – mehr anregende Ideen enthält als zehn geisteswissenschaftliche Dissertationen heute üblicher Art? Auch darüber könnte gesprochen werden, wie über vieles mehr. Wahrscheinlich wird aber überhaupt nicht gesprochen. Am Ende müßte man sonst womöglich Konsequenzen ziehen. Wahrscheinlich werden „Neuer Bildungsnotstand“ und „Neue Studentenbewegung“ genauso enden wie andere Saison-Phänomene auch: Geld rein, Klappe zu. Schade wär’s.
Korrespondenten der New York Times in vielen Ländern der Welt haben ausgeschrieben, wie es Fremden mit Kindern dort ergeht. Sie geben ihren Lesern Tips, wohin sie als Touristen mit ihren Sprößlingen zu deren Unterhaltung gehen können.
In London empfiehlt sich ein Besuch im Zoo, in Moskau der Gang ins Puppentheater. In China, so erfahren wir, kann man immerhin prächtiges Kriegsspielzeug erwerben, wenn auch keine Wegwerfwindeln. Toll für Kinder sind Griechenland und Spanien. Probleme entstehen in Moskau, schon allein, weil es dort keinen McDonald’s gibt. Dabei sind die Russen im Grunde kinderlieb. Ganz anders als wir Deutschen. Für New York Times-Korrespondent James M. Markberg zählt die Bundesrepublik zu jenen Ländern, die eine amerikanische Familie auf Reisen besser meidet: ‚Wenn Sie mit Ihren Kindern eine schöne Zeit in diesem Teil der Welt erleben wollen, nehmen Sie sie mit nach Holland. Dort lieben sie Kinder.“ Nicht daß es in Deutschland keine Attraktionen gäbe: Da wäre immerhin die Fußball-Bundesliga – die aber dummerweise ausgerechnet im Sommer pausiert. Doch in dieser Jahreszeit, schreibt Markham, entschädigt die Kleinen eine Bootsfahrt auf dem Rhein oder ein Museumsbesuch: „Das Deutsche Museum in München ist ein Smithsonian im Kleinformat.“ Auch seien die Parks schön und zahlreich hierzulande; das wär’ schon was: „Doch die Rasenflächen sind für Hunde gedacht und nicht für Kinder.“ Außer in den ihnen zugewiesenen Reservaten, so sieht es der Autor, sind Kinder in Deutschland im Grunde allerorten unerwünscht. Und nur ein langes deutsches Hauptwort scheint ihm „schrecklich“ genug, dieses Verhalten treffend zu benennen Kinderfeindlichkeit. „Wenn meine Kinder mit dem Bus zur Schule fahren, treffen sie regelmäßig auf ältere Deutsche, die sie herumstoßen, quetschen und ihnen den Sitzplatz streitig machen; lachen die Kinder oder werden sie beim Scherzen laut, werden sie mit barschen Drohungen zur Ordnung gerufen – jedenfalls wird der Versuch unternommen.“ Zwar klebten sich die Deutschen gerne Aufkleber an ihre Autos, die behaupten, der Fahrer besitze „Ein Herz für Kinder“, aber „ihre aggressive Fahrweise führt zu fürchterlichen Unfällen mit Kindern im Straßenverkehr“. An Kreuzungen und Übergängen mit Ampeln sollten sich Touristen daher besser deutschen Gewohnheiten anpassen, rät Markham: stehenbleiben, warten, sich nach den Signalen richten. Aber auch nur dort, denn: „Die einzige Möglichkeit für einen Touristen, mit der allgegenwärtigen Kinderfeindlichkeit klarzukommen, besteht darin, die Einheimischen einfach zu ignorieren. Wenn ältere Menschen mittels böser Blicke versuchen, Ihre Kinder zu bändigen, blicken Sie genauso böse zurück!“ Uwe Knüpfer
Mit neuer Optik und besserem Komfort will die Deutsche Bundesbahn das Image ihrer Nahverkehrszüge aufpolieren. Zwischen Köln und Gummersbach pendelt – als Versuch – seit Anfang September der „Aggertaler“.
Nach den euphorischen Ankündigungen der Bundesbahn-Pressestelle hätte eigentlich ein Raunen durch die wartende Menge gehen müssen, als die erste „City-Bahn“ in den Hauptbahnhof von Köln einfuhr. Niemand raunte. Ja, nicht einmal der Informations-Schaffner wußte, wann die City-Bahn und wann der normale Zug die Strecke befährt. Wirklich unübersehbar wird die Neuerung erst, wenn man den Zug bestiegen hat. Manch ein Fahrgast soll schnurstracks wieder kehrtgemacht haben, Richtung Schaffner, mit der Frage, wo denn die zweite Klasse sei. Das „neue Kapitel im Schienenverkehr“ ähnelt im Innern den Intercity-Großraumwaggons. Die Sitze sind stoffbezogen, die klassischen Gepäcknetze über den Köpfen verschwunden, der Boden ist gummi-genoppt wie in den Wartehallen von Flughäfen. Polster und Wandflächen changieren zwischen dottergelb und orangerot. Leider legt sich das Intercity-Feeling, sobald der Zug anfährt, spätestens aber, wenn er wieder hält. Die City-Bahn schaukelt, ruckt und rüttelt (natürlich) wie jeder andere Nahverkehrszug auch. Gerade Berufspendler will die Bundesbahn von der Straße locken. Hat der „Aggertaler“ Erfolg, sollen künftig überall dort in der Umgebung von Ballungszentren, wo keine S- oder U-Bahn mehr hinkommt, City-Bahnen verkehren, im festen Zeittakt. Ganz kleine Bahnhöfe werden nicht mehr angefahren, der Zug gewinnt dadurch an Tempo: Die Bahn fordert auf zum „Park and Ride“. Der größte Clou der City-Bahn findet sich am Ende des Waggons. Zwei Getränkeautomaten stehen dort, offerieren „Cold drinks“, Kaffee, Espresso und Kakao. Einheitspreis: 1,50 Mark. Auch Bier ist im Angebot. Niemand braucht hier mit der Papptasse in der Hand durch die Gänge zu seinem Platz zu wanken. Mit hohen Tischen und Lehnen an den Wänden gleicht die Automatenecke einer Mischung aus Stehkneipe und Kaffee-Shop. Ein Gepäckabteil gibt es nicht mehr in der City-Bahn. An seine Stelle ist ein Mehrzweckraum getreten, freundlich gestylt wie die anderen Zugteile auch. Fahrräder passen hier rein und Kinderwagen. Ob die City-Bahn Zukunft hat, schreibt die DB, „liegt zu großen Teilen an der Resonanz im Bergischen Land“. Wer regelmäßig mit dem „Aggertaler“ fährt, hat große Chancen, von Mitarbeitern eines Marktforschungsinstituts befragt zu werden. Bisher habe fast jeder bereitwillig Auskunft gegeben, sagt eine Interviewerin. Die Stimmung schwanke zwischen spontaner Zustimmung und Angst Angesichts des Fragebogens überkomme viele Fahrgäste nämlich die pure Sorge, auch „ihre“ Strecke könnte eines Tages stillgelegt werden. Uwe Knüpfer
Was Schule ist, weiß jeder. Hier liegen sinnliche Erfahrungen vor. Auch unter Kultur vermag sich der eine oder die andere durchaus etwas vorzustellen. Aber was ist Schulkultur?
Natürlich, da steht Ciceros/Heisenbergs gipserne Büste in der Aula des Gymnasiums, oder es überfällt uns die Erinnerung an den weißhaarigen Musiklehrer, der alle Sextaner zum Tonleiterabsingen antreten ließ; zwecks Rekrutierung geeigneter Talente zur Komplettierung des Schulchors. Kultur, so lernten wir daraus, ist etwas Hehres, Ernstes, Getragenes, kurz: ist nicht von dieser Schülerwelt. Nun begibt es sich aber seit geraumer Zeit immer häufiger, daß Menschen sich, teilnehmend an Ereignissen, die den amtlichen Stempel „Kultur“ tragen dürfen, ganz offensichtlich famos amüsieren. Im Schauspielhaus zu Bochum etwa erklingt frohes Lachen sogar, wenn brandaktuelle Inszenierungen zu sehen sind – ja gerade dann. In einigen Museen sieht man die Bilder oder die geblümten Kaffeetassen kaum vor lauter Kindern. Es ist schon lange wieder chic, die geplante Bebauung eines Stadtplatzes unter ästhetischen mehr als unter verkehrstechnischen Gesichtspunkten zu diskutieren. Die Kultur, so schließen wir daraus, ist von ihrem hohen Sockel gestiegen (oder gefallen), und siehe da, jetzt ist sie mitten unter uns. Davon, meinten die weisen Väter der Stadt Münster in Westfalen, müßte eigentlich auch etwas in den Schulen zu bemerken sein. Und so baten sie schon 1980, und seither alljährlich mit ständig wachsendem Erfolg, die Schüler und die Lehrer ihrer Stadt, doch öffentlich mal vorzuführen, was sie derzeit unter Kultur verstehen. Den gleichen Appell richteten sie jetzt an die 23 anderen nordrhein-westfälischen Großstädte, die, gemeinsam mit Münster und Osnabrück, das „Sekretariat für gemeinsame Kulturarbeit“ mit Sitz in Wuppertal unterhalten. Von der Resonanz auf ihren Aufruf waren die Initiatoren, so sagen sie, selbst überrascht. Fast 300 Projekte wurden vorgeschlagen. 67 davon werden am 10. November in der Halle Münsterland, wo sonst Bullen versteigert werden, zu sehen und zu hören sein. Fast 1400 Grund-, Haupt-, Sonder-, Realschüler und Gymnasiasten aus allen Teilen des Landes werden dann dort musizieren, Selbstgereimtes rezitieren, parodieren, tanzen oder Ausstellungen, ja gar „Environments“ zeigen. „Schulkultur NW 85/86“ nennt sich das Ganze. Die Münsteraner Großveranstaltung soll erst der Auftakt sein einer Serie, dann dezentraler Aktionen gleicher Art. Nordrhein-Westfalens Kultusminister Hans Schwier hat dazu nicht nur seinen Segen gegeben, sondern auch gleich seine Teilnahme an der Auftaktveranstaltung in Aussicht gestellt. Dort kann er sich dann (wenn er sich beeilt beim Gang durch die Halle) erst türkische Folklore anhören, danach vielleicht eine „Kindersymphonie“, flugs darauf die „8×5×1-Rockband“, als Schmankerl zwischendurch „... es muß nicht immer Marzipan sein“ (eine Revue), bevor er, gegen Abend, erschöpft aber glücklich den satten Sound einer Schüler-Big-Band genießt. Wer das Programmheft des Tages der schulischen Kultur durchblättert, gewinnt den Eindruck, es gibt nichts, womit sich Lehrer und Schüler (ganz normaler Schulen) heute nicht beschäftigen: Stadtgeschichte, Pantomime, Videos, „Wohnen“, Kabarett, Musical, Märchen – und das alles, da sind sie ganz unbefangen, gilt ihnen als Kultur. Sollte dem Minister bei seinem Bummel von Bühne zu Bühne der Überblick abhanden kommen, kann er zwischendurch dem Münsteraner Literaturprofessor Gunter Reiß lauschen. Der will über das „Lernziel Kultur?“ – mit Fragezeichen – referieren. Reiß wurde engagiert, das einjährige Projekt wissenschaftlich zu begleiten. Überbau muß sein; ganz ohne höhere Weihen geht es ja doch nicht. Das ist deutsch. Undeutsch hingegen scheint das Spektakel selber zu sein. Denn in dessen Mittelpunkt stehen Darbietungen mit Titeln wie „Lieder erfinden“ oder „Theater“, an denen jeder Besucher, so er will, teilnehmen kann. Workshops nennt man so etwas, und die Initiatoren schließen sich dem an. Germanist Reiß beteuert: Dem Deutschen fehlen die Worte. Uwe Knüpfer
Tschernobyl war für die Atomindustrie, was Leipzig für Napoleon bedeutete. In der Völkerschlacht bei jener Stadt verlor Frankreichs Soldatenkaiser den Ruf, unbesiegbar zu sein.
Der Reaktorunfall von Tschernobyl in der Ukraine, am 26. April 1986, nahm der Menschheit den Glauben, die Atomkraft gebändigt zu haben. Jedenfalls der Mehrheit in jenem Teil der Menschheit, der die Freiheit genoss, sich eine eigene Meinung auf der Grundlage vielstimmiger Informationen zu bilden. Zwölf Jahre nach Tschernobyl wurde der Ausstieg aus der Atomenergie in Deutschland zum Ziel der Regierungspolitik. In der Ukraine jedoch werden nach wie vor 13 Atomkraftwerke nach der Art von Tschernobyl betrieben. Dass sogar die Anlage in Tschernobyl selbst buchstäblich bis heute lief, ist Teil Eins des Skandals. Die Sowjetunion existiert nicht mehr. Ihre Propaganda- und Management-Methoden aber leben offenbar fort. Und zwar, leider, dank Erster Hilfe aus dem Westen. Die EU erkaufte die Stilllegung des Reaktors von Tschernobyl durch Subventionen für die Fertigstellung anderer AKWs. Das ist Teil Zwei des Skandals. Westliche Reaktorbauer erhoffen sich Aufträge - und die Chance einer Renaissance der Atomenergie in EU-Europa. Betriebswirtschaftlich betrachtet ist das verständlich. Andererseits: Auch Napoleon erholte sich von der Niederlage, die er bei Leipzig erlitt. Auf die Insel Elba verbannt, sammelte er seine Getreuen und stieß erneut auf den Kontinent vor. Er kam bis Waterloo. Auf jenem Schlachtfeld fand des Korsen Herrschaft für immer ihr Ende. Das Waterloo der Atomindustrie: Das wäre ein weiterer GAU. Wer darauf nicht warten will, muss auf den Ausstieg setzen, hier und überall - und ganz besonders in der Ukraine. Ein Bild sagt mehr als tausend Worte, hieß es früher, als wir noch naiver waren. Inzwischen, im Zeitalter der virtuellen Wirklichkeiten, wissen wir, dass auch dieser Satz gilt: Ein Bild lügt besser, als es tausend Worte können.
Vier Jahre lang, von 1995 bis 1999, schockierte die Fotoausstellung Vernichtungskrieg - Verbrechen der Wehrmacht ihre rund 900 000 Besucher - und jene, die sich den Glauben nicht nehmen lassen wollten, die Finger der Wehrmacht seien im Zweiten Weltkrieg sauber geblieben. Deutsche Landser hätten sich eben nicht an Massakern, an der systematischen Ausrottung der osteuropäischen Juden beteiligt. Die Fotos sprachen eine andere Sprache. Sie zeigten Leichen, Massengräber, Erschießungen, sie zeigten Wehrmachtssoldaten. Aber zeigten sie die Wahrheit? Wer Soldat war in diesem schrecklichen Krieg, ihn überlebte, womöglich in Gefangenschaft, wer sein junges Leben zerstört sah, Angehörige verloren hat und vielleicht auch die Heimat, wer im Schützengraben gelegen hat, Befehlen folgend - und bei keinem Massaker zugegen war: Wie will man es einem solchen Menschen verdenken - der selber Hitlers Opfer war -, wenn er sich angegriffen, ja beleidigt sah durch eine Ausstellung, die provozieren wollte, die auf Schlagzeilen aus war, wo Nerven bloß lagen, wo Sensibilität gefordert ist? Es waren ja nicht nur die Ewiggestrigen, die Kritik an der Ausstellung übten. Umso bedauerlicher ist es, dass Alt- und Neonazis die Fehler der Ausstellungsmacher propagandistisch ausschlachten konnten. Denn Fehler enthielt die Ausstellung. Wissenschaftler haben diese Fehler nun dokumentiert. Dabei kam heraus: Nur wenige Fotos sind nachweislich falsch beschriftet gewesen. Doch leider genügt eine Lüge unter tausend Wahrheiten, die Wahrheit in den Schmutz zu ziehen. Für Freunde der Mathematik beginnt erst am Montag, was der Rest der Welt schon vor einem Jahr begeistert begrüßt hat: das neue Jahrhundert.
Mathematisch gesehen war das jetzt zu Ende gehende Jahr das letzte des 20. Jahrhunderts. Im Alltag setzte sich diese Einsicht nicht durch. Vielleicht war die Freude der Menschheit auf Neues einfach zu groß. Und schließlich: war nicht Aufbruch überall? Deutschlands noch immer recht neue Regierung schien sich endlich gefangen zu haben - dank kräftiger Schützenhilfe der Opposition. Der CDU-Spendenskandal, der Sturz Helmut Kohls vom Sockel des allseits bewunderten Staatsmanns: die Union als Denver Clan. Darob gefiel Gerhard Schröder sich und anderen in der Kanzlerrolle immer besser. Aufbruch auch draußen. Der Balkan war endlich halbwegs befriedet, der Krieg ums Kosovo fast schon vergessen. EU-Europa schien auf dem Weg zu innerer Harmonie und neuer Größe im Zeichen des Euro. In Russland stand der zu Silvester ins Amt gehobene Präsident Putin für einen frischen Start seines Landes in Richtung Markt und westlicher Werte. Auch die USA rüsteten sich, einen neuen Präsidenten zu wählen. Im Nahen Osten schien endlich ein dauerhafter Frieden zwischen Israel und allen seinen Nachbarn greifbar zu sein. Nicht zuletzt: täglich mehrfach verkündeten Nachrichtensprecher den scheinbar unaufhaltsamen Anstieg der Börsenkurse. Analysten verkündeten die Geltung angeblich neuer Gesetze der Ökonomie. Dann begann 2000 das Jahr der milden Enttäuschungen und herben Rückschläge. Die new economy sah plötzlich ziemlich alt aus. Die Nahost-Friedensgespräche von Camp David gingen im Sommer ohne Ergebnis zu Ende. Am Jordan wurde wieder gebombt und geschossen. Das passte zur Katastrophe von Kaprun, zum Absturz der Concorde, zum Tod in der Kursk. Putins Ernennung wurde zwar vom Wahlvolk bestätigt, doch unter dubiosen Umständen. Moskau schien eher hinter den Ural zu rücken denn weiter gen Westen. Der Euro, noch immer nicht greifbar, verlor stetig an Wert, gemessen am Dollar. Darüber freute sich zwar Europas exportabhängige Wirtschaft, aber auch das große Lager der Euroskeptiker, nicht nur auf den britischen Inseln. Auch mit den Reformen der Europäischen Union ging es nur knirschend voran. Der Gipfel von Nizza am Ende des Jahres führte, das war das Beste an ihm, drastisch vor Augen, dass Europa jetzt dringend benötigt, was Bundespräsident Herzog einstens Deutschland verordnet hat: einen kräftigen Ruck. Immerhin: der Balkan blieb ruhig. Die Krise der Union bescherte der SPD ein Ende ihrer Wahlniederlagen in den Ländern und, vor allem, den Machterhalt an Rhein und Ruhr. Doch die Berliner Koalition, statt den guten Wind zu nutzen, manövrierte sich stockend durch Rentenreform, Ökosteuerkrise und BSE-Skandal; ohne Eleganz und ohne Vision. Andererseits: sie kam damit durch. Mehr hat das Volk wohl nicht erwartet. Zumal die Union keine strahlenden Alternativen zu bieten verstand, weder inhaltlich noch personell. Selbst die US-Amerikaner verblüfften durch Pannen. Sie wirkten außerstande, einen neuen Präsidenten zu wählen. Das gelang nur mit Hilfe der Gerichte, mehr schlecht als recht. So scheinen die Mathematiker eben doch Recht behalten zu haben. 2000 war nicht das Jahr des großen Neubeginns. Vielleicht sollten wir es schnell - nein, nicht vergessen -, aber ablegen, als Versuch im Unreinen, und versuchen, es besser zu machen, im wahrhaft ersten Jahr des dritten Jahrtausends. Auffällig viele Angehörige des Kabinetts Schröder haben die erstaunliche Fähigkeit, sich selbst zu demontieren. Von Lafontaine über Riester und Naumann zu Scharping und Klimmt: Die Reihe der enttäuschenden Hoffnungsträger wird länger und länger. Jetzt scheint sich auch eine der wenigen Lichtgestalten dieser Bundesregierung einreihen zu wollen.
Hans Eichel hat es verstanden, als Sparminister populär zu werden. Jetzt ist sein Ruf ernsthaft in Gefahr. Von Eichel selbst geht die Bedrohung aus. Aus dem Weihnachtsurlaub hat er zu Vorwürfen Stellung genommen, er habe die Flugbereitschaft der Bundeswehr allzu häufig für Dienstreisen in Anspruch genommen. Er fliege nicht zum Spaß, ließ Eichel uns wissen. Und: Fliegen sei die unbequemste Art des Reisens. Und: die Flugbereitschaft zu nutzen spare Steuergelder statt sie zu verschwenden. So spricht der Sparer der Nation? Niemand hat dem Finanzminister vorgeworfen, zum Spaß in der Gegend herum zu fliegen. Aber Minister sind nun mal gehalten, Flugzeuge der Luftwaffe nur dann zu benutzen, wenn andere Verkehrsmittel nicht in Frage kommen. Und wenn die dringende Notwendigkeit der Reise über jeden Zweifel erhaben ist. Sprich: Im Umgang mit der Flugbereitschaft ist größtmögliche Sparsamkeit gefordert. Wenn das jemand verstehen sollte, ist es der Bundesfinanzminister. Wer anderen den Gürtel enger zieht, darf sich keine Laxheit im Umgang mit dem eigenen erlauben. Eine Flugstunde mit der Luftwaffe kostet uns Steuerzahler gut 7000 Mark. Ein Flug mit einer Airline von Berlin nach Frankfurt kostet nur einige hundert Mark. Eichel ist seit Januar 30-mal auf dieser Route mit der Luftwaffe geflogen. Dafür muss er sehr triftige Gründe gehabt haben. Bisher hat er sie nicht genannt. |
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