Nach den euphorischen Ankündigungen der Bundesbahn-Pressestelle hätte eigentlich ein Raunen durch die wartende Menge gehen müssen, als die erste „City-Bahn“ in den Hauptbahnhof von Köln einfuhr. Niemand raunte. Ja, nicht einmal der Informations-Schaffner wußte, wann die City-Bahn und wann der normale Zug die Strecke befährt. Wirklich unübersehbar wird die Neuerung erst, wenn man den Zug bestiegen hat. Manch ein Fahrgast soll schnurstracks wieder kehrtgemacht haben, Richtung Schaffner, mit der Frage, wo denn die zweite Klasse sei.
Das „neue Kapitel im Schienenverkehr“ ähnelt im Innern den Intercity-Großraumwaggons. Die Sitze sind stoffbezogen, die klassischen Gepäcknetze über den Köpfen verschwunden, der Boden ist gummi-genoppt wie in den Wartehallen von Flughäfen. Polster und Wandflächen changieren zwischen dottergelb und orangerot.
Leider legt sich das Intercity-Feeling, sobald der Zug anfährt, spätestens aber, wenn er wieder hält. Die City-Bahn schaukelt, ruckt und rüttelt (natürlich) wie jeder andere Nahverkehrszug auch.
Gerade Berufspendler will die Bundesbahn von der Straße locken. Hat der „Aggertaler“ Erfolg, sollen künftig überall dort in der Umgebung von Ballungszentren, wo keine S- oder U-Bahn mehr hinkommt, City-Bahnen verkehren, im festen Zeittakt. Ganz kleine Bahnhöfe werden nicht mehr angefahren, der Zug gewinnt dadurch an Tempo: Die Bahn fordert auf zum „Park and Ride“.
Der größte Clou der City-Bahn findet sich am Ende des Waggons. Zwei Getränkeautomaten stehen dort, offerieren „Cold drinks“, Kaffee, Espresso und Kakao. Einheitspreis: 1,50 Mark. Auch Bier ist im Angebot.
Niemand braucht hier mit der Papptasse in der Hand durch die Gänge zu seinem Platz zu wanken. Mit hohen Tischen und Lehnen an den Wänden gleicht die Automatenecke einer Mischung aus Stehkneipe und Kaffee-Shop.
Ein Gepäckabteil gibt es nicht mehr in der City-Bahn. An seine Stelle ist ein Mehrzweckraum getreten, freundlich gestylt wie die anderen Zugteile auch. Fahrräder passen hier rein und Kinderwagen. Ob die City-Bahn Zukunft hat, schreibt die DB, „liegt zu großen Teilen an der Resonanz im Bergischen Land“. Wer regelmäßig mit dem „Aggertaler“ fährt, hat große Chancen, von Mitarbeitern eines Marktforschungsinstituts befragt zu werden. Bisher habe fast jeder bereitwillig Auskunft gegeben, sagt eine Interviewerin. Die Stimmung schwanke zwischen spontaner Zustimmung und Angst Angesichts des Fragebogens überkomme viele Fahrgäste nämlich die pure Sorge, auch „ihre“ Strecke könnte eines Tages stillgelegt werden.
Uwe Knüpfer
- Quelle DIE ZEIT, 16.11.1984 Nr. 47