Aktualisiert 31. August 1984 08:00 Uhr Der Gesetzgeber hat es bewußt in Ihr eigenes Interesse gelegt, mit der Mutter Ihres Kindes verheiratet zu sein.“ Der Standesbeamte lehnt sich würdevoll zurück und schaut den stolzen, doch ledigen Vater auf der anderen Seite seines Schreibtisches beschwörend an. „Stellen Sie sich vor, Ihr Kind darf ja von Rechts wegen noch nicht einmal ‚Papa‘ zu Ihnen sagen! Vor dem Gesetz sind Sie nur sein Erzeuger.“
Der Ehrentitel Vater ist Ehemännern vorbehalten. Die Diskriminierung unehelich geborener Kinder wurde wirksam bekämpft, auch ledige Mütter stehen heute in vielerlei Hinsicht besser da als noch vor wenigen Jahrzehnten. Ledige Väter hingegen sind nicht nur rechtlos gegenüber ihren Kindern, sie müssen sich, haben sie mit Ämtern zu tun, Diskriminierungen und Schikanen gefallen lassen.
Benjamin wurde zu Hause geboren. Die Hebamme bescheinigte die Geburt. Der Vater, der rechtlich keiner ist, ging zum Standesamt, um das freudige Ereignis der Behörde zu vermelden. Da sitzt er nun, diktiert den Namen der Mutter und gibt auch seinen eigenen an. „Benjamin“, fügt er hinzu, solle sein Sohn heißen. Der Beamte bedauet: „Das sagen Sie. Wir brauchen aber eine schriftliche Bestätigung der Mutter, daß sie diesen Namen will.“ Das leuchtet dem Vater ein.
Doch dann bekommt er die Geburtsurkunde, liest sie und wundert sich. Unter „Eltern“ steht dort nur der Name der Mutter, sodann: Punkt–Strich-Punkt. Noch immer frohgestimmt, erinnert er daran, daß er seinen Namen doch schon nannte „Ja, das ist auch wichtig. Wir müssen schließlich wissen, wer die Geburt gemeldet hat“, lautet die Antwort. Ob das denn ernstlich nötig sei, will der naive Vater wissen und bietet an, zur Bestätigung seiner Vaterschaft gern eine schriftliche Bestätigung der Mutter beizubringen.
Geduldig holt der Beamte aus, erläutert die Rechtslage: „Bei nicht ehelich geborenen Kindern tritt automatisch eine Amtspflegschaft ein. Das Jugendamt erhält von uns eine Nachricht und wird dann Ihre ... äh... Frau vorladen und nach Namen und Anschrift des Erzeugers fragen. Kann sie beides angeben, werden als nächstes Sie angeschrieben und ebenfalls vorgeladen. Man wird Sie dann fragen, ob Sie die Vaterschaft anerkennen. Wenn Sie ja sagen, erhalten wiederum wir vom Jugendamt darüber eine Mitteilung.“
Der Standesbeamte holt ein dickes Buch hervor, in dem die Gemeinde alle angezeigten Geburten chronologisch festhält. Er schlägt es auf: „Dort, an Rana neben dem Geburtsvermerk wird dann nachgetragen: Die Vaterschaft erkannte an der Soundso in Daunddort!“
Ob das nicht ein reichlich kompliziertes Verfahren sei, das sich in Fällen wie dem seinen gut abkürzen ließe, will der staunende Vater wissen. „Das Gesetz geht davon aus, daß bei nicht ehelich geborenen Kindern der Vater unbekannt ist.“
Soll das Kind getauft werden, zeigen sich die Kirchen flexibler als der Staat. „Das Kind kann ja nichts dafür, wenn seine Eltern in Unordnung leben“, sagt Domkapitular Max Huber aus dem schwarzen Passau.
Auch der protestantische Pastor, fragt: „Warum laßt ihr euch denn nicht konsequenterweise auch trauen?“ Die Frage sei „werbend“ gemeint, beteuert Albrecht von Mutius aus dem Evangelischen Büro in Düsseldorf. Er könne durchaus begreifen – nicht billigen –, daß viele junge Leute heute die Institution Ehe „als Fessel verstehen und nicht als eine Chance“.
Kompliziert wird es für Benjamins Eltern erst wieder bei der Lohnsteuerstelle im Einwohnermeldeamt. Sie möchten, daß Benjamin auf der Lohnsteuerkarte des Vaters eingetragen wird. „Sie sind ja nicht verheiratet!“ Der Schalterbeamte hat verdächtig lange den Bildschirm seiner elektronischen Einwohnerkartei studieren müssen. Was nun klingt wie ein Vorwurf, entspringt seiner Ratlosigkeit. Der Beamte entschuldigt sich, sucht seinen Vorgesetzten auf. Derweil wächst die Menschenschlange am Schalter.
Zurückgekehrt auf seinen Stuhl hinter der milchglasbewehrten Theke, verkündet er: „So geht das nicht. Sie müssen sich erst vom Jugendamt bestätigen lassen, daß Sie gemeinsam in einem Haushalt wohnen.“ Benjamins Mutter will das nicht einleuchten. „Wer“, fragt sie, „soll das denn wissen, wenn nicht das Einwohnermeldeamt?“ Kurzes Nachdenken seitens des Beamten, dann: „Wir kennen ja nur Straße und Hausnummer. Wie sollen wir denn wissen, ob Sie in derselben Wohnung leben?“ Einwand der Mutter: „Und woher soll das Jugendamt das wissen? Die Amtspflegschaft ist aufgehoben.“ Der Beamte ist ein freundlicher Mann, ein sehr junger übrigens dazu. „Ich telephoniere“, bietet er an, „und frag’ mal nach.“ Unmut in der Warteschlange.
Als der Beamte zurückkehrt, klärt sich der Fall nach Art der Bürger von Schilda: „Beim Jugendamt ist der Vorgang tatsächlich nicht vorhanden.“ Kunstpause. „Aber ich habe mit dem Kollegen gesprochen, er weiß jetzt Bescheid. Sie brauchen nur hinzugehen, erklären, daß Sie zusammen wohnen, und dann kommen Sie mit der Bescheinigung zurück.“ Benjamins Mutter würde gern noch fragen, warum sie eine solche Erklärung nicht an Ort und Stelle schon abgeben kann. Doch die Menge drängelt, und Benjamins Vater wiegelt ab. Er möchte das Erreichte nicht gefährden.
Uwe Knüpfer
- Quelle DIE ZEIT, 31.8.1984 Nr. 36