Eigentlich nominieren die beiden großen Parteien, die Republikaner und die Demokraten, ihre Präsidentschaftskandidaten auf Parteikongressen im Sommer. Doch im Fernsehzeitalter sind diese Kongresse zu Medienspektakeln geworden, von A bis Z inszeniert, die jeweilige Partei und ihren Kandidaten in möglichst hellem Licht erstrahlen zu lassen. Die Entscheidungen fallen vorher.
Sie fallen in Vorwahlen, in denen die Parteiorganisationen in den 50 US-Bundesstaaten ihre Delegierten für den Parteikongreß bestimmen. In vielen Staaten sind diese Vorwahlen für jeden Interessierten offen - sie heißen dann "primaries" -, in anderen stimmen Parteimitglieder in Versammlungen ab. Dann spricht man von "caucus". Primaries sind für die Presse interessanter, weil sie eher Prognosen für den Wahlausgang erlauben.
Traditionell findet der erste Caucus einer Wahlsaison in Iowa statt, die erste Primary in New Hampshire. Beide Staaten wachen eifersüchtig darüber, daß sich daran ja nichts ändert. 1996 haben sich Delaware und Louisiana vorgedrängelt, aber ohne großen Erfolg. Nur wenige Kandidaten treten dort an, die anderen haben ihre Treue zu Iowa und New Hampshire erklärt. Das entwertet die Vorwahlen von Delaware und Louisiana.
Die Konkurrenz der Staaten hat ihren Grund: Die frühen Vorwahlen ziehen Schwärme von Journalisten an, und jeder Staat möchte gern - wenigsten einmal in vier Jahren - nationale Beachtung finden, internationale gar. Für die Vorwahlkampfzeit in New Hampshire haben dort Tausende von Reportern aus aller Welt seit Monaten Hotelzimmer reserviert (Anm. für die Red.: ich auch).
Der Zwergstaat im Nordosten der USA hat kaum mehr Einwohner als Köln und ist schwerlich repräsentativ, aber schon seit Wochen zieht es Politiker immer wieder dorthin, geben sie Millionen für Werbespots aus, die nur in New Hampshire ausgestrahlt werden. Dessen bodenständige Bürger genießen nämlich den Ruf, Königsmacher zu sein. Oder besser: Königsverhinderer. Wer es hier nicht schafft, den ersten oder zweiten Platz bei den Vorwahlen zu belegen, hat kaum noch Chancen, am Ende der Präsidentschaftskandidat seiner Partei zu werden. Allein schon deshalb, weil die Presse ihn dann nicht mehr beachtet.
1992 machte Pat Buchanan Amtsinhaber George Bush in New Hampshire das Leben schwer, fügte er Bush frühe Wunden zu, von denen der Präsident sich nicht mehr erholte. Bei den Demokraten belegte Bill Clinton, was ihm nach frisch erblühten Sexskandälchen kaum mehr jemand zugetraut hatte, einen beachtlichen zweiten Platz hinter dem inzwischen vergessenen Paul Tsongas. Clintons Kandidatur war wiedergeboren, er galt fortan als das "Comeback Kid".
1996 braucht Clinton der Vorwahl in New Hampshire nicht entgegenzuzittern. Er ist der Präsident, seine Zustimmungsrate ist so hoch wie selten während seiner Amtszeit, seine Wahlkampfkasse ist wohlgefüllt und: Herausforderer fehlen. Clinton ist der erste demokratische Kandidat seit 32 Jahren, gegen den sich in New Hampshire kein ernsthafter Gegner aus der eigenen Partei erhebt.
Auch wenn sich in anderen Staaten noch Gegenkandidaten bewerben sollten: Clinton dürfte ein direkter Durchmarsch zur erneuten Nominierung im August in Chicago sicher sein. Er kann sich in Ruhe bereits jetzt auf den eigentlichen Wahlkampf, auf seinen mutmaßlichen republikanischen Herausforderer konzentrieren.
Der wird wohl Bob Dole heißen. Es sei denn, die Bürger von New Hampshire erteilen dem 72jährigen Mehrheitsführer im Senat einen deutlichen Schuß vor den Bug. Acht Mitkandidaten hoffen genau darauf und arbeiten gezielt daran. Lieblingskind der Presse ist derzeit Zeitungsherausgeber und Multimillionär Steve Forbes.
Forbes Hoffnung teilen Phil Gramm, Lamar Alexander, Bob Dornan, Alan Keyes, Richard Lugar, Morry Taylor und - wieder einmal - Pat Buchanan. Sie alle eint, daß sie in weiteren Wählerkreisen so gut wie unbekannt sind und sich - von Lugar abgesehen, der sich als Außenpolitiker profiliert hat - in konservativ-populistischen Bekenntnisssen überbieten.
Die republikanische Partei ist seit den Zeiten George Bushs deutlich nach rechts gerückt. Wer 1996 ihr Kandidat werden will, hat sich bei fundamentalistischen Christen und der Waffenlobby lieb Kind zu machen, hat gegen Wohlfahrtssstaat und Bürokratien, für "familiäre Werte" und gegen das Recht aurf Abtreibung zu Felde zu ziehen.
Nach der Primary in New Hampshire (am 20. Februar) zieht der Troß gen Süden, zum "Super-Dienstag", gleichzeitigen Vorwahlen am 12. März in Florida, Mississippi, Oklahoma, Tennessee und Texas. Wenn Dole seine Verfolger bis dahin immer noch nicht abgehängt hat, wird es schwer für ihn.