Uwe Knüpfer
  • Home
  • Archiv
  • Bücher
  • Zur Person
  • Impressum
  • Kontakt

Vom Leben in der Mitte

18/7/2013

 
Mit „Mitte“ darf man dem Berliner nicht kommen. Erstens ist da, wo der Berliner ist, sowieso die Mitte. Weshalb die ganze Aufregung um den neuen „Flughafen“ Berliner im Grunde kalt lässt: wer braucht schon ein Flugzeug, um von Wilmersdorf zum Wannsee zu kommen?
Zweitens hat Berlin angeblich selbst eine Mitte. Jedenfalls behaupten das Touristen und die, die dort wohnen. Also Schwaben und Kreative. Menschen, die nicht wissen, dass man Brötchen „Schrippen“ nennt.

Die Mitte ist jener Ortsteil Berlins, den echte Berliner prinzipiell nicht betreten. Erstens (siehe oben), weil dort, wo sie leben - also in Schöneberg, Lichterfelde oder Neukölln - sowieso die wahre Mitte ist.

Zweitens, weil in der Gegend zwischen dem Brandenburger Tor, dem Potsdamer, dem Rosenthaler und dem Alexanderplatz Berliner Subventionsempfänger weder leben können noch wollen. Alles viel zu teuer. Currywurstfritten vierfuffzig: Nee, det gloobste nich! Und dann die vielen Schwaben und Politiker und Touristen! Alles fremdbesetzt. Wie die reden! Englisch, Spanisch, Transnistrisch - jedenfalls weder Türkisch noch Deutsch, wie es sich gehörte. Da fühlste Dir fremd.

Dabei ist der Berliner insgeheim natürlich schon ein bisschen stolz, dass seine Stadt jetzt so ungeheuer angesagt ist, bei Schwaben aus der ganzen Welt.

Junge Amis haben Stars und Stripes in den Augen, wenn sie von Berlin erzählen. Wo man für 4,50 Euro satt wird. Wo man beim Flanieren ungestraft ein Wegbier süppeln kann. Das Schönste, jedenfalls für kreative junge Amis mit betuchten Eltern: für den Preis eines fensterlosen New Yorker Wohnklos sind in Berlin ganze Häuser zu mieten! Und überall wird Englisch getalkt. Also jedenfalls in Mitte.

Berlin ist „open“ rund um die Uhr. Ständig und überall fahren Bahnen und Busse. Für peanuts, man! Cafés, die auf sich halten, bieten Breakfast auch weit nach 16 Uhr noch an. Irgendwelche Geschäfte sind immer geöffnet. Uhren und Gedächtnisse werden überflüssig. Welchen Tag wir haben? Wie spät es ist? Egal. Wer will das wissen? Jung und kreativ, alt und dement: so kommt man sich näher. Alles fließt, da, wo die Mitte ist.

Schöne Grüße
(Brief aus Berlin, für ID55/Juli 2013)


Kommentare sind geschlossen.
    Loading
    Getty

    Archiv

    April 2020
    April 2019
    Februar 2019
    Mai 2018
    März 2015
    Januar 2015
    Oktober 2013
    Juli 2013
    April 2013
    Juni 2012
    Januar 2012
    Dezember 2011
    September 2011
    August 2011
    Juli 2011
    Mai 2008
    Dezember 2000
    November 2000
    Februar 1996
    Januar 1996
    Dezember 1995
    November 1995
    Oktober 1995
    Dezember 1992
    Oktober 1992
    September 1992
    August 1992
    Juli 1992
    Juni 1992
    Mai 1992
    April 1992
    Januar 1990

    Kategorien

    Alle
    Außenpolitik
    Bildung
    Bonn
    Ernährung
    Europa
    Fdp
    Frankreich
    Glossen
    Integration
    Irak
    Kommentare
    Kultur
    Leitartikel
    Medien
    Nachrufe
    Nahost
    Nato
    Rechte
    Religion
    Reportagen
    Rezensionen
    Ruhr
    Soziales
    Spd
    Sport
    Terror
    Umwelt
    Usa
    Verkehr
    Vorwärts
    Vorwärts
    Wirtschaft
    Zeit Artikel

    Downloads

    Die kompletten Jahrgänge 
    1992, 1993, 1994, 1995 sind als unformatierte txt. Dateien (Fließtext) erhältlich.

    Disclaimer

    Viele der hier verfügbaren Texte sind nicht end-redigiert. Sie können Fehler enthalten, die in der Druckfassung korrigiert worden sind. Das trifft insbesondere auf die Beiträge aus den Jahren 1992-2000 zu (USA-Berichterstattung). Das Copyright zu allen hier verfügbaren Texten und Fotos liegt beim Autor beziehungsweise bei den Fotografen. Wer Fotos oder Texte, im Ganzen oder teilweise, kopieren oder sonstwie publizistisch verwenden will, bedarf dazu der ausdrücklichen Einwilligung des Autors beziehungsweise des Fotografen.

Powered by Create your own unique website with customizable templates.