Wenn es jemandem gelang, PiAKö als fast trinkbar zu verkaufen, dann Viktor. Er war, was man heute einen begnadeten Netzwerker nennt. Er brachte zusammen, was zusammengehört – und manchmal auch, was oder wer eigentlich nichts miteinander zu tun haben will.
Es wird wahrlich nicht wenig geredet und „getalkt“ im Ruhrgebiet. Mit Vorliebe aneinander vorbei oder übereinander her. Die Stammtisch-Zusammenkünfte in Viktors Rüttenscheider Hinterhof sind anders gewesen. Allein schon wegen der Enge konnten sich hier Künstler und Banker, Kreative und Verwalter, Schreiber und Beschriebene nicht aus dem Weg gehen. Sie rieben sich Schulter an Schulter, bei Stauder, Wein und „Ruhrgebiets-Tapas“ - Currywurst und Frikadellen. Und dann spielte noch „Ruhrschnellweg“ dazu, Viktors sehr eigene Band.
Mit Songs wie „Nur gemeinsam“ oder „Anne Bude“ trat Viktor Seroneit gegen den WDR und dessen sture Fixierung auf kölsches Musikbrauchtum an. Unermüdlich versuchte er den Sender und die Ruhris davon zu überzeugen, dass man auch an Ruhr und Emscher schunkeln kann.
Viktor Seroneit ist ein früher und echter Ruhrstädter gewesen. Heimisch geworden in Rüttenscheid, dessen Wochenmarkt er musikalisch verewigt hat. Fest verwurzelt in Essen. So fest, dass Frank Stenglein ihn in der WAZ zur „Institution in der Stadtgesellschaft“ erhob. Und gleichzeitig ein geduldiger Kämpfer für die Einheit des Reviers. Wer Viktor Seroneit begegnete, hatte anschließend eine Münze mehr in der Tasche: den Ruhr-Sterntaler mit der Zahl 53.
Lange vor dem Kulturhauptstadtjahr 2010 hat Viktor eine Sternfahrt aller Ruhr-Städte organisiert und versucht, den 53 Oberbürgermeistern, Landräten und Bürgermeistern den Refrain seines Liedes nahezubringen: „Nur gemeinsam sind wir stark…“
Dabei ist Viktor eigentlich ein Weltbürger gewesen, wie jeder echte Ruhrstädter. New York war ihm so wenig fremd wie Moskau. Südfrankreich hat er besonders geliebt. Der Wein, den er so freigebig ausschenkte, brachte er von dorther mit.
Viktor verdiente sein Geld als Ingenieur, aber sein großes Herz schlug für viele und für vieles. Das Deutsche Plakatmuseum wäre heute nicht im Museum Folkwang daheim ohne ihn. Jährlich hat er den Internationalen Grafik-Design-Preis verliehen – und den Jazz-Pott, einen Preis für junge, kreative Musiker, die dafür gerne auch von weither nach Essen gekommen sind.
Den Verein „Kinder sind der Rhythmus dieser Welt“ gäbe es nicht ohne Viktor Seroneit. Eine Plakatausstellung zu Kinderrechten hat es bis nach Berlin und zu den Vereinten Nationen geschafft.
Viktor hatte viele Helfer, allen voran Ingrid, seine Frau. Aber er fand fremde Helfer - und Sponsoren - nur, weil er von bezwingender Freundlichkeit war. Auch, weil er großartig kochte. Und weil er stets selbst voranging, vieles aus eigener Tasche bezahlte.
Er ließ nie nach, „unser Viktor“, wie Essens OB Reinhard Paß ihn betitelt hat, beim 200. Stammtisch im PlakatKunstHof. Diesmal war auch Hannelore Kraft dabei und damit erstmals ein Regierungschef des Landes Nordrhein-Westfalen. Viktor hatte eigens nicht nur PiAKö zusammengeschüttet, sondern auch eine NRW-Hymne komponiert und gedichtet: „Mein Herz schlägt wie dein Herz.“ Die Power-Kids der Zollverein-Schule haben gesungen, die Ministerpräsidentin hat sichtbar mitgesummt. Zwar nicht der WDR, aber, immerhin, Center tv, hat’s aufgezeichnet und verbreitet.
Am Samstagfrüh ist Viktor Seroneit nach einer wie immer bewegten Woche während einer Radtour überraschend gestorben. Er war 64 Jahre alt.
ruhrbarone.de 24.07.2011