Amerikas Wähler reiben sich verdutzt die Augen. Normalerweise gelten Republikaner als Männer, die schnell zur Waffe greifen. Demokraten dagegen gelten als eher weichlich im Umgang mit einheimischen Gangstern und ausländischen Tyrannen. Jetzt, angesichts des Trauerspiels auf dem Balkan, scheinen die Rollen vertauscht.
Präsident Bush, ein Republikaner und Weltkriegsoffizier, tut alles, um eine Entwicklung zu vermeiden, an deren Ende amerikanische Soldaten in Leichensäcken aus Jugoslawien in die Heimat zurückkehren könnten.
Bill Clinton, sein demokratischer Herausforderer, ein "Ungedienter", nutzt die Chance und macht sich zum Anwalt einer möglichen UN-Militäraktion, wenn nicht zur Befriedung Bosniens, so wenigstens zur Abschreckung der Serben.
Bush ist der Gefangene seiner eigenen Politik. Im Vorfeld des Golfkrieges beschwor er den Vergleich Saddam Husseins mit Adolf Hitler. Die freie Welt müsse aus dem Versagen der Appeasement-Politik vor dem Zweiten Weltkrieg Lehren ziehen, so Bush damals. Sie müsse Aggressoren rechtzeitig auf die Finger klopfen.
Eben diese Lehren scheint Bush jetzt vergessen zu haben. Dabei waren es hohe Beamte seiner Regierung, die Serben-Führer Milosevic vor Wochen schon mit Saddam und Hitler verglichen. Diesen Vergleich greifen die Demokraten und ihr Kandidat Clinton jetzt auf. Es fällt ihnen nicht schwer, so Punkte zu machen. Clinton führt Bush als außenpolitischen Zauderer vor, einen, der starken Worten wachsweiche Rückzieher folgen läßt. Und das zu einem Zeitpunkt, da die Beliebtheit des Präsidenten ohnehin auf einen neuen Tiefpunkt abgesackt ist.
Bush ist nicht zu beneiden. Tut er nichts, könnte Clinton die letzte Bastion des Präsidenten schleifen: Sein Image als sicherer und führungsstarker Außenpolitiker. Schickt Bush aber Soldaten nach Bosnien, ist schon jetzt der Vorwurf absehbar: Der Präsident opfert amerikanische Jungs, um im November wiedergewählt zu werden.
Am liebsten muß Bush es sein, wenn diesmal andere die Kastanien aus dem Feuer holen, sprich: die Europäer.
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April 2020
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