Stolz und Sorge mischen sich in den Reaktionen der Amerikaner auf die Bosnien-Politik ihres neuen Präsidenten Clinton. Stolz, weil wieder einmal die USA beherzt vorangehen, wo die Europäer zaudern und zögern. Sorgen äußern vor allem Militärs und außenpolitische Experten.
„In den Balkan, auf Zehenspitzen“ titelte die New York Times einen warnenden Bericht. „Balkan“ stand gleichbedeutend für „Sumpf“ und unkalkulierbares Abenteuer.
Einer Gallup-Umfrage zufolge finden es aber 67 vH der Amerikaner durchaus richtig, daß Clinton Lebensmittel per Fallschirm über bosnischen Bergtälern abwerfen läßt. Berichte über strahlende Bosnier, die US-Reportern radebrechend und mit Tränen in den Augen versichern: „Clinton is good!“ erwärmen die amerikanische Volksseele.
Die US-Medien berichten zwar breit auch über Zweifel, ob denn die Abwürfe tatsächlich dort landen, wo sie ankommen sollen, aber was heißt das, wenn gleichzeitig diejenigen, denen die Hilfe gilt, sagen - in den Worten eines Hühnerzüchters aus Gorazde -: „Er (Clinton) kann uns nicht alles geben. Aber er hat uns schon Hoffnung gegeben.“
Außerdem berichten USƒPiloten aus Frankfurt, wie präzise sie die Flüge durchgeführt haben. So addiert sich zum Stolz auf die moralische Richtigkeit der Aktion zusätzlich noch der Stolz auf die Tüchtigkeit der eigenen Soldaten. Das ist eine Mischung, die in Amerika immer gefällt.
Zumal Clinton gleichzeitig den diplomatischen Druck auf die Kriegsparteien verstärkt; vor allem über den Schulterschluß mit Moskau. Selbst Henry Kissinger, Richard Nixons legendärer Sicherheitsberater und Außenminister, bescheinigte der Regierung, eine „ausgesprochen geschickte“ Balkan-Politik zu betreiben. Aber Kissinger warnte auch, die Erinnerung an den Vietnamkrieg wachrufend: „Ich möchte nicht noch eimal eine idealistisch gesinnte Regierung in einen vergleichbaren Morast hieinrutschen sehen.“
Diese Gefahr scheint Kissinger und anderen vor allem dann gegeben, wenn die USA sich tatsächlich mit Soldaten an einer Friedenstruppe beteiligen, die dafür sorgen soll, daß ein Vertrag - wenn er denn zustandekommt - auch eingehalten wird. Die USA, meint Kissinger, sollten das besser den Europäern überlassen und sich nur aus der Luft an eventuellen Kampfhandlungen beteiligen.
Denn daß es im früheren Jugoslawien auch nach einem Friedensschluß nicht friedlich zugehen wird, steht für alle Experten fest. Aber viele und offenbar auch Clinton sehen in der multinationalen Truppe eine Chance, zu einer neuen Qualität internationaler Kooperation zu gelangen.
Denn gedacht ist daran, daß die Uno der Nato die Aufgabe überträgt, diese Friedenstruppe zusammenzustellen, und zwar unter Beteiligung der Russen. Was der Nato auf dem Umweg über den Balkan zu einem neuen Selbstverständnis verhelfen würde. Außerdem wäre es ein Schritt auf dem Weg zu einem neuen System kollektiver Sicherheit, das die Kräfte des einstigen Warschauer Paktes einschließt.
Diese Perspektive vor allem ist es, die Moskau bewegen könnte, sich in Bosnien an die Seite der USA zu stellen.
Doch Kissinger, der ausgefuchste Machtpolitiker, warnt davor, über solch vagen Hoffnungen die konkreten Gefahren zu übersehen. Für ihn ist das „nationale Interesse“ der USA an einer Stationierung von US-Truppen auf dem Balkan bisher nicht erkennbar. Zbigniew Brzezinski, ein anderer Ex-Sicherheitsberater (unter Präsident Carter) sieht das anders. In seinen Augen kranken die bisherigen Visionen von einer „Neuen Weltordnung“ an einem Mangel an Moralität und damit an Anziehungskraft.
Die Weltgemeinschaft, und die USA voran, müßten deutlich machen, meint Brzezinski in einem Aufsatz im „World Monitor“, daß es ihnen nicht nur um die Freiheit des Kapitalverkehrs geht, sondern auch um Werte, um Menschenrechte. Wie könnte man das besser demonstrieren, als wenn die Uno Werten zuliebe in Bosnien interveniert?
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