Uwe Knüpfer
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Spion&Spion vor Gericht - Prozeß eröffnet Einblicke ins Innenleben der CIA



4/8/1992

 
In seinem Roman "Unser Mann in Havanna" karikiert Graham Greene die kindlich komplizierte Denkwelt der Spione. Selbst ein Staubsaugerschaltplan kann darin gefährliche Dimensionen gewinnen. Greene beschreibt die seltsame Form von rücksichtsloser Kameraderie, wie Agenten sie pflegen. In einem Gerichtssaal in Washington ist derzeit zu bestaunen, wie es tatsächlich zugeht bei Spionens. Graham Greene hätte seine helle Freude daran.
Clair George war eine mächtige Figur in der CIA, der Central Intelligence Agency, dem US-Geheimdienst. Von 1984 bis 88 war er dort der dritte Mann (!), zuständig für alle verdeckten Operationen, weltweit. Jetzt steht er vor Gericht, angeklagt des Meineids und der Irreführung des Parlaments und der Gerichte. Zeuge der Anklage ist Alan D. Fiers, unter George einst Chef der CIA-Einsatzgruppe Mittelamerika. Es heißt, George und Fiers seien Freunde (gewesen?).
Fiers hat sich von der Anklage "einkaufen" lassen mit der Zusage, selber nur wegen geringfügiger Vergehen belangt zu werden. Dafür packt er jetzt aus. Jedenfalls scheint es so - dank Graham Greene wissen wir ja, daß in der Welt der Spione nichts so ist wie es aussieht.
Jedenfalls bezeugt Fiers, er habe den Kongreß belogen, und zwar auf Weisung von George. Es ging um Nikaragua. Die Reagan-Regierung hat die dortigen Contra-Rebellen mit Waffen und die Katholische Kirche mit Geld versorgt, um die sozialistische Sandinisten-Regierung auszuhebeln - was ja letztlich auch gelang. Das alles via CIA. Was damals, Mitte der 80er Jahre vielen als kommunistische Lügenpropaganda galt, ist längst gerichtsnotorisch. Der Schönheitsfehler der CIA-Aktionen war, daß der Kongreß sie ausdrücklich untersagt hatte.
Dummerweise, aus CIA-Sicht, schossen die Sandinisten im Oktober 1986 ein Flugzeug vom Himmel, das Waffen für die Contras transportierte. Der Pilot, Eugene Hasenfus, sagte aus, er sei von CIA-Agenten angeheuert worden. Einer davon nenne sich Max Gomez.
Die empörten Abgeordneten im US-Kongreß verlangten Aufklärung. Fiers wurde vor einen Untersuchungsausschuß zitiert. Natürlich wußte er genau Bescheid über die Operation. "Max Gomez" hieß in Wirklichkeit Felix Rodriguez und war einer von Fiers’ Agenten. Nur: Den Abgeordneten spielte Fiers den Verblüfften vor. Auf Weisung, wie Fiers sagt, von George. Der habe angeordnet: "Wir sagen denen, wir checken das noch."
Anschließend zirkulierten im CIA-Hauptquartier Buttons mit dem Aufdruck: "Wer ist Maximo Gomez". Und einer, auf dem stand: "Ich bin Max Gomez". Den reservierte sich der Chef persönlich, Clair George. Sagt Fiers. Spione haben Humor, jedenfalls untereinander.
Spione können auch weinen. Das ergab sich am zweiten Tag des Prozesses. Fiers sollte aus seiner eigenen Personalakte vorlesen; die guten Zeugnisse, die sein Chef ihm geschrieben hat, George eben. Da kamen dem Agenten die Tränen. Eindrucksvoll.
Es fiel Fiers sichtlich schwer, da Wort "Lüge" in den Mund zu nehmen. Kein Wunder, der Begriff kommt im Wortschatz von Agenten nicht vor, war zu erfahren. Im CIA-Jargon war Fiers’ Falschaussage damals vor dem Kongreß eine "nicht wahre Stellungnahme". Jetzt rang er sich durch: "Wenn Sie es eine Lüge nennen wollen, dann, ja, will ich der Wirklichkeit ins Gesicht sehen. Ich akzeptiere dieses Wort."
Einen solchen Prozeß hat Amerika noch nicht gesehen. Alle Beteiligten haben stets im Glauben gehandelt, sie agierten im Auftrag und Interesse der USA. Jetzt hat ihr eigener Staat sie verklagt. Spione werden als Zeugen vernommen und sollen gegen ihre eigenen Chefs aussagen - wo die erste Regel doch ist, die alle Agenten lernen: unbedingte Loyalität.
öbrigens nennen einvernommene Spione vor dem Gericht nicht ihren wirklichen Namen, so weit geht die Wahrheitssuche nicht. Sie identifizieren sich als, zum Beispiel, "Agent Nummer 6". Nr. 6 entpuppt sich als eine junge Frau, die in der Aktenablage der CIA arbeitet.
Film- und Fotoaufnahmen sind in US-Gerichtssälen nicht gestattet. In diesem Prozeß dürfen nicht einmal die sonst üblichen Porträt-Zeichungen gemacht werden.
Jedenfalls gilt das für die Presse und "normale" Zaungäste des Prozesses. Da gibt es aber auch noch andere Zuhörer. Sie tragen unauffällige Anzüge in gedeckten Farben und halten sich gern an Zeitungen fest, ohne darin zu lesen. Es heißt, einer in der hintersten Reihe nehme den gesamten Prozeß auf, heimlich. Ein anderer hantierte mit einem unindentifizierbaren Gerät, während sich vorne Richter und Anwalt leise unterhielten. Von dem Gerät führte ein Kabel zum Ohr des Mannes. George, auf der Anklagebank, sah das und lächelte milde. Die Gerichtsdiener blicken weg.
Ex-CIA-Spione haben einen Fonds gegründet. 250000 Dollar sind schon eingegangen, zur Finanzierung der Verteidigung ihres einstigen Chefs. James Potts diente unter George in Afrika. Er versäumt keinen Gerichtstag. Daß Fiers gegen George aussagt, findet Potts "verabscheuungswürdig". Für die Tatsache, daß George und Fiers den Kongreß belogen haben, findet er Worte von anderer Qualität: "Sie hielten sich schlicht an das übliche Verfahren, nie mehr zu sagen, als unbedingt nötig ist."
Alan Fiers, der nun, wenn auch unter Mühe, den Begriff "Lüge" akzeptiert, kann dennoch die Aufregung im Grunde nicht verstehen. Schließlich sei es doch in Washingtons Insider-Zirkeln ein "offenes Geheimnis" gewesen, was die CIA da trieb in Nikaragua; lange bevor Eugene Hasenfus abgeschossen wurde. Viele Leute seien dann ganz plötzlich "sehr vergeßlich" geworden, wundert er sich.

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