Uwe Knüpfer
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Powell zuckt zurück - doppelter Dämpfer für die Republikaner

8/11/1995

 
Der Zauderer hat sich entschieden. Colin Powell kandidiert 1996 nicht um das Amt des US-Präsidenten. Bill Clintons Chancen auf Wiederwahl verbesserten sich.

Die oppositionellen Republikaner verloren nicht nur ihren aussichtsreichsten Kandidaten: Auch bei Wahlen quer durch die USA schnitten sie schlechter ab als erhofft.

Ungezählte Berichte über "Amerikas ersten schwarzen Präsidenten?" wurden vergeblich geschrieben. Powell, der frühere Chef des US-Generalstabs, hat dem Druck vieler Freunde, Berater und der Medien nicht nachgegeben. Er hat dem  Spiel "Warten auf Powell" ein Ende gemacht.

Der Druck war groß, viele spielten mit. Gleich mehrere Komitees "Powell for President" hatten schon Büros gemietet, Helfer angeheuert. Spender standen Scheck bei Fuß. Gemäßigten Republikanern schien Powell die einzige Chance, Clinton 1996 zu schlagen und gleichzeitig den Rechtsruck ihrer eigenen Partei aufzuhalten.

Powell ist ein Mann der Mitte, innen- wie außenpolitisch decken sich seine Ansichten zumeist mit denen Bill Clintons. Rechte Republikaner machte deshalb der Wirbel um Powell nervös.

Mehr denn je geben in der Partei Ronald Reagans und George Bushs fundamentalistische Christen, außenpolitische Isolationisten und eifernde Kämpfer wider den Wohlfahrtsstaat den Ton an. Diesen Kräften war Powells mögliche Kandidatur ein Dorn im Auge.

Powell (58) ist Amerikas berühmtester Frührentner. Seit er 1993 die Uniform ablegte, ist er Multimillionär geworden. Seine Autobiographie "My American Journey" führt seit Wochen die Bestsellerlisten an - nicht zuletzt wegen des Presserummels um seinen möglichen Einzug ins Weiße Haus. Eine Vortragstour durch die USA glich einem Triumphzug. Umfragen signalisierten, Powell würde Clinton mit Abstand schlagen, würde heute gewählt.

Aber solche Umfragen sind von mäßigem Wert. Powell hat nie einen Wahlkampf geführt. Er ist ein Karriere-Militär, ein Bürokrat. Er fühle "kein Feuer im Bauch", sagte er am Mittwoch in einer überraschend angesetzten Pressekonferenz nahe seinem Wohnhaus in einem Vorort von Washington. (Seine Autobiographie beginnt mit dem Satz: "Gewöhnlich verlasse ich mich auf meine Instinkte.")

Daß er Präsident sein könnte, auch gern sein würde, daran hatte er in den letzten Wochen keinen Zweifel gelassen. Was er fürchtete, war der US-übliche schmutzige Wahlkampf. Schon hatten Powell-Gegner in der republikanischen Partei gestreut, Powells Frau Alma sei depressiv, nehme seit zehn Jahren Medikamente.

Alma Powell war ohnehin entschieden gegen eine zweite, eine politische Karriere ihres Mannes. Sie fürchtete Attentäter - um so mehr seit dem Mord an Yitzhak Rabin -, und sie hing an dem komfortablen, ruhigen Familienleben. Lange genug war sie ihrem Mann von Dienstort zu Dienstort gefolgt.

(Powells Eltern sind aus Jamaica in die USA eingewandert. Er wuchs in der Bronx auf, einer Armeleutegegend in New York. Die Armee, hat er oft gesagt, wurde ihm zur zweiten Familie.

Als Buchautor und "Held des Golfkriegs" wurde Powell nichts als gefeiert. Als Kandidat wäre seine Rolle in Vietnam, wären seine Entscheidungen im Golfkrieg, seine Opposition gegen jedes US-Engagement in Bosnien kritisch überprüft worden. Das Wall Street Journal hat ihm vorgeworfen, "Saddam Husseins Retter" gewesen zu sein. Auch Powells Privatleben wäre nicht länger tabu gewesen.

Schon als Militär war Powell als Zauderer bekannt - was in auffälligem Gegensatz zur verbreiteten Hoffnung stand, Powell wäre ein entschlußstärkerer Präsident als Clinton.)

Clinton hat offiziell zu dem Rummel um Powell nie Stellung genommen. Ganz privat mag er am Mittwoch gefeiert haben. Die verbleibenden Herausforderer auf Seiten der republikanischen Partei schneiden in Umfragen allesamt schlechter ab als er.

Zudem erteilten auch die Wähler den Republikanern in dieser Woche einen Dämpfer. In Wahlen quer durch die USA siegten mal Republikaner, mal Demokraten. Der republikanische Erdrutschsieg vom Vorjahr wiederholte sich nicht.

(Im November 1994 verlor Clintons Demokratische Partei ihre langjährigen Mehrheiten im US-Kongreß, und sie verlor auch in vielen traditionell demokratisch regierten Einzelstaaten. Es begann die "republikanische Revolution".

Doch die Revolution ist ins Stocken geraten. Vielen Wählern gehen die Pläne der Republikaner zu weit. Insbesondere Rentner empören sich über geplante Einschnitte in ihre Gesundheitsversorgung. Die Republikaner wollen bei den staatlichen Zuschüssen zu Krankenversicherungen radikal sparen. Ihr Ziel: ein ausgeglichener Staatshaushalt im Jahr 2002, kombiniert mit Steuersenkungen.

Auch gegen geplante Schnitte ins - ohnehin löcherige - soziale Netz hat sich inzwischen Widerstand formiert. Ebenso gegen geplante Lockerungen von Umweltschutzbestimmungen. US-Vizepräsident Al Gore schimpft den republikanisch beherrschten Kongreß "rechtsradikal, extremistisch, familienfeindlich". Eine wachsende Zahl von Wählern sieht das offenbar inzwischen ähnlich.

In den Zwischenwahlen am Dienstag verteidigten die Demokraten ihre Mehrheit im Abgeordentenhaus von Virginia. In Maine gewannen sie zwei Sitze hinzu, in New Jersey drei. Der demokratische Gouverneur von Kentucky wurde wiedergewählt. Kentucky schien seit den Wahlen vor einem Jahr durch und durch republikanisch.

In den meisten Wahlen siegten Amtsinhaber. Mit anderen Worten: Es waren ganz normale Wahlen. Persönlichkeiten spielten eine große Rolle. Noch sind die mehrfach totgesagten Demokraten nicht beerdigt. Und der Gegner, den sie am meisten fürchteten, genießt weiter seinen Vorruhestand.)


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