Uwe Knüpfer
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New York gegen Bonn - die Uno gewinnt

2/6/1992

 
Erst hat das Angebot niemand so richtig ernst genommen. Doch inzwischen wächst die Sorge in New York, Teile der Vereinten Nationen könnten tatsächlich aus der amerikanischen Millionenstadt abwandern. Allzu märchenhaft klingen die Lockrufe der deutschen Regierung - großzügige Büros am Rhein, Beamtenvillen im Grünen, Sprachkurse, und alles kostenlos. Die Uno ist es gewohnt, knapp gehalten zu werden.
Erst hat Entwicklungshilfeminister Spranger vorgeschlagen, drei Uno-Unterorganisationen aus New York abzuziehen und an den Rhein zu holen, in den Schürmann-Bau neben dem Langen Eugen. Nach dem Wegzug von Parlament und Regierung soll aus Bonn schließlich ein Nord-Süd-Zentrum werden. In der amerikanischen Öffentlichkeit wurde das nicht weiter zur Kenntnis genommen. Wer ist Herr Spranger? Die UN-Beamten lächelten allenfalls überlegen; wenn es ein Nord-Süd-Zentrum auf der Welt gibt, dann ist es New York. Und wenn Teile der Uno tatsächlich abwandern sollten, dann gleich in die Dritte Welt oder in den einstigen Ostblock.
Doch dann verlieh Kanzler Kohl dem deutschen Anliegen Nachdruck. Seither gilt das Angebot als zumindest ernsthaft gemeint. Und die Vereinten Nationen haben erkannt: Daraus läßt sich Nutzen ziehen.
Die drei umworbenen Agenturen - für Entwicklung, Bevölkerung und Frauen - sind bisher nicht im UN-Hauptgebäude untergebracht, sondern in angemieteten Büros nebenan. Die Uno zahlt dafür jährlich 14 Mio Dollar Miete.
Die Vereinten Nationen sind knapp bei Kasse. Vor allem vom Hauptgeldgeber USA werden sie nach wie vor kurz gehalten. Die US-Regierung ist mit Zahlungen in Höhe von rund 1,1 Mrd DM im Rückstand. Dabei werden die Aufgaben der Weltorganisation nicht kleiner, im Gegenteil. Seitdem die Sowjetunion und Jugoslawien in ihre Bestandteile zerfallen, steigt die Zahl der Mitglieder. Auch wächst seit dem Ende des kalten Krieges die Bedeutung der Uno als Vermittlungsinstanz in Konfliktfällen und als Friedensstifter. Es wird eng in den Räumen am East River.
Nicht nur die Bonner Regierung hat das erkannt, sondern auch der Stadtrat von New Rochelle, einem Vorort zwanzig Kilometer draußen im Norden von Manhattan. New Rochelle wirb um Unicef, den Weltkinderfond. Die Miete im Vorort würde nur ein zwanzigstel dessen betragen, was Unicef derzeit bezahlt.
Das ist zwar immer noch teurer, als der versprochene Nulltarif am Rhein, dennoch nehmen die New Yorker Stadtväter die Gefahr aus dem Vorort im Moment noch ernster als die aus Deutschland. Der Umzug nach New Rochelle könnte schnell stattfinden, der an den Rhein erst, wenn überhaupt, in einer vagen Zukunft. Doch weder jetzt noch in Zukunft glaubt New York auf die Uno oder Teile von ihr verzichten zu können.
Es scheint zwar langsam wieder aufwärts zu gehen mit der US-Konjunktur, am New Yorker Arbeitsmarkt ist davon aber nichts zu spüren, im Gegenteil. Nur einer von zehn Jugendlichen, die neu in den Arbeitsmarkt drängen, findet einen Job. Selbst Absolventen der Elite-Universitäten, früher aufgesogen von Anwaltskanzleien, Unternehmen und Banken der Wall Street, versuchen sich mit Gelegenheitsjobs über Wasser zu halten. Die City kämpft um jeden Arbeitsplatz.
Ob am Ende New Rochelle tatsächlich Sitz von UN-Institutionen wird oder Bonn oder beide oder ob doch alles beim Alten bleibt, also in Manhattan - einer dürfte von dem Streit auf jeden Fall profitieren: die Weltorganisation selbst. So umworben war sie schon lange nicht mehr. Selbst wer nicht ernsthaft wegwill aus New York, tut jetzt gerne so, als ob - damit die Stadt endlich für bessere Büros sorgt und Washington seine Schulden bezahlt.

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