Uwe Knüpfer
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Leitartikel zum einstweiligen Ende des US-Etatstreits

8/1/1996

 
Der Streit um den US-Haushalt dreht sich um mehr als ein paar Einsparungen hier oder da. Er geht um politische Weichenstellungen, womöglich für Jahrzehnte. Er ist zudem eine musterhafte Auseinandersetzung zwischen Präsident und Kongreß, zwischen Exekutive und Legislative.

Die Republikaner im Kongreß zielen auf eine weitgehende Entmachtung Washingtons, eine Verschiebung von Zuständigkeiten von der Bundesregierung hin zu den Einzelstaaten oder, darüber hinaus, zu den Betroffenen, den Bürgern. Sie wollen Schluß machen mit einer seit den dreißiger Jahren gewachsenen Tradition des väterlichen, des sorgenden Staates.

Sie wittern die Chance und wollen sie nutzen, eine éra zu Grabe zu tragen. Eine Ära, die mit dem New Deal, der aktiven Wirtschaftspolitik Franklin Roosevelts, begann und in Lyndon Johnsons "Krieg gegen die Armut" gipfelte. Eine Ära, die der Hauptstadt Washington und deren Regierungsbürokratien ungeheuren Ausbau brachte und die Macht in den USA verschob: von den Staaten zum Bund, vom Kongreß zum Präsidenten. Bis Roosevelt war die US-Hauptstadt, verglichen mit Berlin oder London, ein verschlafenes Provinznest.

Viele Republikaner halten die historische Entwicklung für krankhaft, für unamerikanisch. Der machtvolle Staat - auch in seiner industriellen Ausprägung des Wohlfahrtsstaats  - ist eine europäische Erfindung, und schon das Wort Versicherungspflicht klingt in den Ohren vieler Amerikaner nach Sozialismus. Für sie lebt nach wie vor jene Idee der amerikanischen Pionierzeit, wonach sich alles zum Besten richte, wenn nur der Bürger allein über sein Schicksal und das seiner nächsten Umgebung gebiete. Die USA wurden, schließlich, von Auswanderern aufgebaut, die auf der Flucht vor Obrigkeiten, vor Bevormundung und staatlicher Gängelung waren.

Weitgehend vergessen ist, daß der väterliche Staat in den USA vor sechzig Jahren genau deshalb auf den Plan trat, weil die Idee des "Laß-mal-machen" zuvor versagt hatte. Die Weltwirtschaftskrise ließ Millionen von Amerikanern in bitterer Armut versinken - und Europa im braunen Sumpf.

Es gehört, ganz nebenbei, zu den Widersprüchen des republikanischen "Revolutionsprogramms", daß es Zuwächse für die größte und stolzeste Zentralbehörde der USA vorsieht, das Militär.

Die Macht des US-Kongresses ist seine Zuständigkeit für die Finanzen. Das überaus komplizierte US-Haushaltsrecht erlaubt es, mit Etats so gut wie jede gewünschte Gesetzesinitiative zu verknüpfen, und so wird es gemacht. Deshalb lag es für die jetzige Kongreßmehrheit nicht fern, an die Bewilligung von Geldern für die Bezahlung von Beamten ihr gesamtes Programm zu fesseln - auch wenn diese Art von Politik durch Erpressung neu war, selbst für die USA.

Die Republikaner mußten allerdings die Erfahrung machen, daß die Mediendemokratie denjenigen bevorteilt, der GEGEN etwas ist.

Die innenpolitische Macht des US-Präsidenten ist es, Nein sagen zu können, ist sein Veto. Der Etat besteht aus eine Vielzahl von Einzelgesetzen. Gegen jedes kann der Präsident sein Veto einlegen, das nur mit einer Zweidrittelmehrheit in beiden Häusern des Kongresses aus dem Weg zu räumen ist. Clinton macht von seinem Vetorecht und der Medienmacht seines Amtes derzeit virtuos Gebrauch. Die Republikaner haben die Schlacht um die öffentliche Meinung, genannt Haushaltsstreit,  verloren. Deshalb lenkten sie nun ein, und die Weltmacht gibt endlich wieder Visa aus, öffnete wieder ihre Museen.

Doch gesiegt hat Clinton deshalb noch lange nicht. Er stemmt sich, mit einigem Erfolg, gegen den Zeitgeist. Die Revolution ist nicht besiegt. Sie ist vertagt.


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