Die Verteidigung hat unverhohlen und erfolgreich auf die Solidarität einer überwiegend dunkelhäutigen Jury mit dem schwarzen Angeklagten gesetzt. Ein beispielloser Aufgallopp von Experten und Gegenexperten hat den von der Verteidigung erwünschten Erfolg gehabt: Zweifel zu wecken an der Verläßlichkeit der vorgelegten Indizien.
Orenthal James Simpson und seine Anwälte haben nun gut lachen. Alle anderen können nur hoffen, daß die Jury recht hatte. Daß Simpson tatsächlich unschuldig ist.
So oder so, der Prozeß war eine Katastrophe.
Eine Katastrophe für das US-Rechtssystem: Das Vertrauen der Amerikaner in die Funktionstüchtigkeit ihrer Justiz hat einen Tiefpunkt erreicht. Wäre Simpson nicht reich und berühmt, der Prozeß wäre vor spätestens einem halben Jahr zuende gewesen, und vermutlich mit einem Schuldspruch. Justitia ist käuflich - das haben viele Amerikaner schon immer geglaubt. Nun fühlen sie sich darin bestätigt..
Der Prozeß war aber auch eine Katastrophe für die Medien. Sicher, der Fall war faszinierend und sensationell, der Prozeß gelegentlich spannend. Aber nichts davon rechtfertigt die exzessive Besessenheit, mit der sich das Fernsehen und auch die seriösesten US-Zeitungen auf den Fall gestürzt haben, gefolgt von den Medien in aller Welt. Die Mondlandung, der Mord an Kennedy, der Golfkrieg - alles scheint neben dem Simpsonprozeß zu verblassen. Wir im Mediengewerbe sollten uns schämen.
Die Unterschiede zwischen Boulevard- und seriöser Presse verschwammen. Die Medien erlagen der Verlockung des Blutes und der Einschaltquoten. Das Publikum, steht zu befürchten, wird es sich merken. Und uns in Zukunft noch weniger glauben.
Denn das lehrt die nüchterne, schnelle Entscheidung der Jury von L.A.: Niemand unterschätze den Eigensinn von Geschworenen, Wählern und Lesern.