Noch vor einem Jahr mußte Boris Jelzin die USA durch die Hintertür betreten. Nur ein einziger Senator, Bob Dole aus Kansas, begrüßte ihn am Flughafen. Die US-Regierung wollte Michail Gorbatschow nicht vor den Kopf stoßen.
Diesmal wurde der russische Präsident mit allem Pomp und allen Ehren empfangen. Die Abgeordneten und Senatoren auf dem Kapitol feierten den Gast mit stehenden Ovationen. Der Applaus galt zum Teil der Botschaft, die Jelzin mitbrachte, zum Teil diente er der Wiedergutmachung.
Boris Jelzin genoß die neue Rolle, nannte George Bush einen Freund. Aber er gab auch zu verstehen, daß er nichts vergessen hat. Nur einen einzigen Trip unternahm er hinein ins Landesinnere der USA. Er besuchte eine Fleischfabrik in Kansas, wo Doles Wähler wohnen. Und er traf sich mit Bill Clinton, der anstelle von Bush ins Weiße Haus einziehen will.
Es war ein Gipfeltreffen ganz neuer Art. Zum erstenmal standen sich in Bush und Jelzin nicht die Führer zweier rivalisierender Supermächte gegenüber. Jelzin akzeptierte den Anspruch der USA, nunmehr allein weltweite Interessen zu verfolgen. Er brachte das Eingeständnis mit, daß Rußland vorerst mit sich selbst genug zu tun hat.
Das hört man gerne in den USA, aber man versteht es auch so: Die Luft ist raus aus Gipfeltreffen dieser Art.
Jelzin sieht Rußland auf einer Einbahnstraße in Richtung Demokratie und Marktwirtschaft. Erneut warb er um Hilfe des Westens. Wer jetzt nicht investiert in das neue Rußland, so Jelzin, der verpaßt eine historische Chance.
Das deckt sich mit der Meinung der US-Regierung. Für die Mehrzahl der Abgeordneten und Senatoren aber ist es nichts als eine vage Hoffnung.
Die USA haben sich hoch verschuldet, nicht zuletzt, um die Sowjetunion durch einen Rüstungswettlauf in die Knie zu zwingen. Jetzt ist dieser Wettlauf gewonnen, die Gefahr gebannt. Jetzt ist es Zeit, in unser eigenes Land zu investieren, denkt die Mehrzahl der Amerikaner. Deshalb ist es höchst fraglich, ob den schönen Worten und Bildern vom Gipfel auch harte Dollar folgen werden.
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April 2020
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