Der Goldrausch ist zuende. Kalifornien steht vor der Pleite. Staatsbedienstete erhalten seit Wochen keine Schecks mehr, sondern eine Art staatliches Notgeld; Wechsel auf künftige Einnahmen. Wer kann, verläßt den Staat an Amerikas Westküste, der einst als golden galt, als Dorado aller Glücks- und Sonnensucher.
Eine halbe Million Jobs hat Kalifornien in den letzten zwei Jahren verloren. Jeder zehnte hier ist arbeitslos. Und das in einem Staat, der während der achtziger Jahre in den USA und weltweit als ein Muster galt: vollgestopft mit High-Tech-Industrie, verwöhnt vom Klima, traditionell tolerant gegenüber Minderheiten jeder Art, wohltätig gegenüber seinen Armen.
Nichts davon gilt mehr, wie nicht nur die blutigen Unruhen von Ende April in Los Angeles bezeugen. Selbst die Natur spielt nicht mehr mit. Bereits mehrfach bebte in diesem Jahr die Erde. Die Angst vor Big One, dem großen, alles zerstörenden Erdbeben, wächst. Hinzu kommt eine Dürre, die seit sechs Jahren anhält. Lachszuchtbetriebe mußten mangels Wasser aufgeben.
Und auch die als vorbildlich geltenden staatlichen Sozialprogramme sind gefährdet. Dem Staat fehlen in diesem Jahr rund elf Mrd Dollar. Die Einzelstaaten der USA sind gezwungen, ausgeglichene Haushalte vorzulegen. Der Weg in die Verschuldung ist ihnen versperrt. Es bleiben nur zwei Mittel: Steuererhöhungen und Einsparungen. Weil sich Regierung und Parlament über die richtige Mischung von beidem nicht verständigen können, ist Kalifornien nun seit mehr als 40 Tagen ohne Haushalt. Der Staat bezahlt seine Beamten mit Zetteln, auf denen steht, daß sie später Geld bekommen. Manche Banken weigern sich inzwischen, diese Wechsel anzunehmen.
Das Sparen und Steuererhöhen fällt den Kaliforniern deshalb so besonders schwer, weil sie beides schon hinter sich haben. Auch im letzten Jahr stand der Staat vor einem Haushaltsloch, 14 Mrd Dollar tief. Der republikanische Gouverneuer und das von den Demokraten beherrschte Parlament einigten sich auf einen Rettungsplan. Viele Steuern wurden drastisch erhöht, Sozialprogramme zusammengestrichen, ein Lohnstopp für Staatsbedienstete verfügt. Sie bekommen fünf Jahre lang Gehaltserhöhungen nur noch in Höhe des Inflationssatzes.
Doch ein Jahr später stellte sich heraus: Die Einnahmen flossen längst nicht so wie vorausberechnet. Der erwartete Wirtschaftsaufschwung blieb aus. Und die Schlange jener, die um staatliche Wohlfahrtsschecks anstanden, wuchs. Während Steuerzahler in andere Staaten mit niedrigeren Steuersätzen fliehen, rücken aus Mexiko und Südamerika Jahr für Jahr Hunderttausende von Neu-Kaliforniern nach; Habenichtse in der Regel.
Woher das Geld diesmal holen? Die Demokraten wollen vor allem an Zuschußprogramme für die Städte heran. Die Städte stöhnen; sie haben selber kein Geld. Gouverneur Wilson will zwei Mrd. Dollar aus dem Bildungsetat herausschneiden. Das wollen die Demokraten nicht mitmachen. Für den Vorsitzenden des Haushaltsausschusses im kalifornischen Parlament, John Vasconcellos, hieße das, "die Zukunft zu opfern".
1985 hielten drei von vier Kaliforniern ihren Staat für den "besten Platz zu leben". Heute denken das nur noch 30 vH. Und nicht wenige Kalifornier machen ihren Gouverneur, Pete Wilson, verantwortlich für den Abstieg. Wilson redet in schonungsloser Offenheit über die Probleme seines Staates. Er redet ihn herunter, glaubt nicht nur der Demokrat Gray Davis: "Kalifornien braucht einen Führer, keinen Kritiker."
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April 2020
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