Die letzten Weltwirtschaftsgipfel sind den Amerikanern in unguter Erinnerung. Zu hoch waren die Erwartungen, zu kläglich die Resultate. Die Lösung der GATT-Frage - der Streit um die Einzelheiten eines neuen Welthandelsabkommens - wurden zweimal auf die lange Bank geschoben. Des US-Präsidenten Appell an andere Länder, doch bitte ihre Zinsen zu senken, um die Konjunktur weltweit in Schwung zu bringen, stieß auf taube Ohren. Und auch für Gorbatschow und seine Sowjetunion sprang außer warmen Worten nichts heraus.
Diesmal sind die Erwartungen an den Gipfel in den USA gering. Umso verlockender ist es für George Bush, das Treffen in München als Erfolg enden zu lssen. Aus Sicht der US-Regierung wäre das erreicht, wenn dreierlei geschähe:
- Wenn die sechs anderen Regierungschefs sich bereit zeigen, mehr als bisher für die Ankurbelung der Welt-Konjunktur zu tun.
- Wenn die GATT-Verhandlungen durch eine Einigung wenigstens in der Agrarfrage neuen Schwung erhalten.
- Wenn es Boris Jelzin bei seiner ersten Fast-Teilnahme an einem G7-Treffen anders ergeht als Vorgänger Gorbatschow. Wenn also zumindest eine erste Tranche des 24-Mrd-Dollar-Hilfsprogramms für Rußland auf den Weg nach Moskau gebracht werden kann.
(Die US-Regierung erhofft sich für ihre heimische Wirtschaft in Osteuropa und Asien nach dem Zusammenbruch des Kommunismus neue Märkte. Jelzin ist es bei seinem Besuch in Washington gelungen, die Amerikaner zu überzeugen, daß es ihm ernst ist mit Marktwirtschaft und Demokratie. Gorbatschow hat immer nur schöne Versprechungen gemacht, heißt es am Potomac, Jelzin handelt. Das hat die Bereitschaft gefördert, ihm mit Geld zu helfen, auch wenn Rußland noch nicht alle Bedingungen des Weltwährungsfonds erfüllt. In der Nacht auf Freitag stimmte der Senat mit großer Mehrheit einem Hilfsprogramm für Osteuropa im Prinzip zu.
George Bush hat es im Wahlkampfjahr bitter nötig, wenigstens international wieder als bewährter Führer dazustehen. Nichts würde ihm zuhause mehr helfen, als wenn von München wider Erwarten ein spürbarer Ruck für die Weltwirtschaft ausginge. Auch die US-Wähler erhoffen sich von Auslandstrips ihres Präsidenten nur dreierlei, in Bushs eigenen Worten: Jobs, Jobs, Jobs.
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April 2020
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