Während seiner jüngsten Reise in den Nahen Osten verwechselte der US-Außenminister gelegentlich Zahlen und Fakten, ja einmal sogar die Namen von zwei Journalisten, die er lange kennt. So jedenfalls berichten Presseleute, die dabei waren. Nicht ohne hinzuzufügen, so etwas hätten sie bei Baker nie zuvor erlebt.
James Baker III., 61, Texaner von Geburt, gilt im politischen Washington als ein Eisberg in der Brandung täglicher Aufgeregtheiten. Als einer, der den öberblick behält, wo andere straucheln und schwimmen. Als kühl und kaltblütig, beharrlich und gefährlich.
Seit dreieinhalb Jahren ist Baker jetzt Außenminister. In dieser Zeit hat die Welt ihr Gesicht verändert. Doch Baker war nicht der Held dieses Wandels. Er wirkte mehr wie ein Manager am Rande. Er schmiedete die Allianz gegen den Irak, stand dem Golfkrieg aber skeptisch gegenüber. Sieges-Lorbeer fiel für ihn dabei nicht ab.
Doch seit dem Wahlsieg der Labour Party in Israel scheint James Baker vor einem großen perönlichen Triumph zu stehen: dem erfolgreichen Abschluß der Nahost-Friedenskonferenz, die er ins Werk gesetzt hat. Jetzt muß James Baker eine Entscheidung treffen, bei der er eigentlich nur Fehler machen kann.
Verläßt er das State Department, gilt der Erfolg der Friedensgespräche zwischen Isarael und seinen arabischen Nachbarn als gefährdet. Baker hat Israelis und Palästinenser nur an einen Tisch bekommen, weil er nie nachließ, unermüdlich reiste und ein Geflecht von persönlichen Beziehungen schuf. Dessen Mittelpunkt heißt: Baker. Nur wenige enge Vertraute des Außenministers sind wie er über alle Einzelheiten der vielen vertraulichen Gespräche Bakers mit Politikern im Nahen Osten informiert. Kein Nachfolger könnte bruchlos in Bakers Rolle schlüpfen.
Bleibt er aber im State Department, um seine, wie er es wohl selbst sieht, historische Mission zu Ende zu führen, enttäuscht er einen alten Freund.
Alle Hoffnungen George Bushs, im November als Präsident der Vereinigten Staaten wiedergewählt zu werden, tragen derzeit ebenfalls den Namen Baker.
Seit dem Frühjahr wollen Gerüchte nicht sterben, Baker werde erneut für Bush die Kohlen aus dem Feuer holen - so wie 1988. Damals gab er den Posten des Finanzministers auf, um Bush zum Wahlsieg zu verhelfen. Unter Baker bekam der Bush-Wahlkampof eine Linie, Bush ein neues, energischeres Image und Michael Dukakis, der Gegner, einen Tiefschlag, von dem er sich nicht mehr erholte. Baker sorgte dafür, daß der Demokrat aus Massachusetts aussah wie einer, der Kriminelle laufen läßt, nichts für patriotische Gefühle übrig hat und vor allem: sich nicht richtig wehrt.
Bush siegte, Baker wurde Außenminister.
1992 fehlt dem Bush-Wahlkampf erneut eine klare Linie, eine mitreißende Botschaft. Bush ist mindestens so unpopulär wie vor vier Jahren, sein Gegener diesmal aber ernster zu nehmen. Bill Clinton läßt keinen Tiefschlag unerwidert.
Würde James Baker aus den luftigen Höhen des Außenministeriums hinabsteigen in die Kasematten des Weißen Hauses - zumindest die symbolische Wirkung könnte durchschlagend sein. Andererseits: In Washington geht der Spruch um, es sei viel leichter, Palästinenser und Israelis an einen Tisch zu bringen, als die vielen Berater des Präsidenten. Im Weißen Haus gebe es mehr Fraktionen als im Nahen Osten.
Wechselt Baker aber nicht, und verliert Bush womöglich die Wahl: Es könnte das Ende einer 35jährigen Männerfreundschaft sein. Kein Wunder, daß Baker in dieser Situation gelegentlich Namen und Zahlen verwechselt.
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