Nahezu gleichzeitig entschied der Präsident, daß Industrieunternehmen die Grenzwerte für den Ausstoß giftiger Gase zeitweilig überschreiten können, ohne die ôffentlichkeit zu informieren. Nicht nur nach Reillys Meinung ist das ein klarer Verstoß gegen Geist und Buchstaben des strengen US-Luftreinhaltungsgesetzes.
Schon im März hatte Bushs Innenminister Manuel Lujan, einer der zahlreichen Gegenspieler Reillys in der Regierung, Schluß gemacht mit einem lang genossenen Einspruchsrecht. Jahrzehntelang konnte jeder US-Bürger durch einen Brief nach Washington die Ausbeutung öffentlichen Bodens durch private Unternehmen blockieren. ôlfirmen, Bergbaubetriebe und Rancher atmeten auf, als Lujan das, wie er es nannte, "29-Cent-Einspruchsrecht" aufhob. 29 Cent, soviel kostet in den USA das Porto für einen einfachen Brief. Jetzt müssen Umweltschützer ihre Besorgnisse vor Gericht vortragen.
Seit der Vorwahlkampf ausgebrochen ist, bangt George Bush weniger um die Eulen, mehr um seine Wiederwahl. Kaum einen Wähler interessieren seine - unbestrittenen -außenpolitischen Erfolge. Den Wahlbürger schmerzt, daß er heute in der Regel weniger Geld in der Tasche hat als vor zehn oder zwanzig Jahren. Es ist populär, dafür nicht nur Japaner und Deutsche, sondern auch die eigenen Umweltschutzauflagen verantwortlich zu machen.
Er habe jetzt nur noch dreierlei im Sinn, versprach Bush denn auch Ende letzten Jahres: "Jobs, Jobs, Jobs". Entsprechend litt die Bereitschaft der US-Regierung, sich für den Umwelt-Gipfel Anfang Juni in Rio de Janeiro auf Grenzwerte für den Ausstoß von Kohlendioxid festlegen zu lassen.
Bush ist bei der Wahl im November darauf angewiesen, die West-Staaten erneut zu gewinnen. In Meinungsumfragen sah er auch dort zuletzt bedenklich schwach aus. Traditionell republikanische Wähler sind unzufrieden mit einem Präsidenten, der ihnen nicht entschieden genug das Banner der traditionellen Werte des Westens (siehe oben) hochhält.
Bushs Berater haben den Präsidenten augenscheinlich überzeugt, daß es sich eher lohnt, um die Stimmen dieser Treuen von einst zu kämpfen als um die Stimmen der Umweltschützer. "Ich habe nicht eine einzige positive Reaktion von Umweltschutzverbänden auf irgendeine unserer Regierungsentscheidungen erlebt," schrieb Lujan seinem Gegenspieler Reilly gallig ins Stammbuch.
In Rio könnte sich Bush dennoch als oberster Weltökologe feiern lassen. Noch klagen Wissenschaftler, zuwenig sei bekannt über die Zusammenhänge zwischen Industrie-Emmissionen und Klimaveränderungen. Die größte Umwelt-Datenbank der Erde könnte ihnen Auskunft geben. Doch sie ist verschlossen. Bush könnte sie öffnen.
Niemand hat die Erdoberfläche so detailliert fotografiert wie die US-Luftwaffe, niemand verfügt über so viele und so gute Erdbeobachtungssatelliten. Niemand weiß mehr über den Zustand der Meere als die US Navy. Der Kalte Krieg ist zuende, die militärische Geheimniskrämerei keineswegs.
Umweltschützer und einflußreiche Parlamentarier drängen den Präsidenten, die Archive des Pentagon für die Umweltforschung zu öffnen. Unter PR-Gesichtpunkten könnte Rio für Bush dazu genau der richtige Ort sein.
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April 2020
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