Sie hat langes blondes Haar, sieht blendend aus, sie kann bezaubernd lachen - und viele amerikanische Wähler haben schrecklich Angst vor ihr. Hillary Clinton kann machen, was sie will, die Republikanische Partei und die Medien bauen die Frau des voraussichtlichen Präsidentschaftskandidaten der Demokraten, Bill Clinton, zum feministischen Bürgerschreck auf.
Im Juli wird, so nicht alles täuscht, der Parteitag der Demokraten Clinton zum Präsidentschaftskandidaten küren. Alle anderen Bewerber hat der Gouverneur von Arkansas inzwischen praktisch aus dem Feld geschlagen, trotz einer Vielzahl von Skandälchen und Affärchen, die ihm nachgesagt oder angehängt wurden. Der Fortgang der Dinge ist berechenbar, also für die amerikanischen Medien uninteressant. Clinton kommt in den Nachrichten kaum noch vor. Ross Perot, der Milliardär aus Texas und Vielleicht-Kandidat von eigenen Gnaden, ist derzeit der Liebling der Presse. Und Hillary Clinton ist ihr liebstes Opfer.
Das Ritual amerikanischer Politikerauftritte ist festgefügt. Schräg hinter einem jungen Strahlemann - den Clinton trotz öbergewicht ganz überzeugend verkörpert - hat eine anbetend glückliche Gattin zu stehen, schweigend natürlich, an der Hand wenn möglich ein paar ganz reizende amerikanische Kinder.
Keine Präsidentengattin konnte so bewundernd blicken wie Nancy Reagan. Keine verkörpert die sorgende Hausmutter so überzeugend wie die gegenwärtige Herrin im Weißen Haus, Barbara Bush. Doch was wäre, wenn Clinton Präsident würde? Dann würde Hillary First Lady. Viele Amerikaner zurück da zurück.
Die 44jährige verkörpert ein gänzlich anderes Frauenbild als Nancy Reagan oder Mrs. Bush. Sie verdient viermal so viel wie ihr Mann, sie zählt zu den hundert bekanntesten Anwälten der USA, sie ist eine engagierte und bekannte Kinderrechts-Aktivistin. Zudem ist sie Mutter einer zwölfjährigen Tochter, kann überzeugend reden und ist viel schlanker als ihr Mann.
Anfangs waren die Medien begeistert, als Clintons Wahlkampagne in Schwung kam und Hillary zum Star machte. Glänzend, wie sie an seiner Seite Gerüchte erledigte, Bill sei fremdgegangen. In ihrer Ehe habe es schwierige Situationen gegeben, gestand Bill ein, und Hillary machte klar: Alles weitere geht außer uns niemanden an. Seither ist das Thema gestorben, sehr zur Verblüffung der Washingtoner Profis.
Keine Frage: Hillary Clinton, Absolventin der renommierten Yale-Universität, ist selbstbewußt und ehrgeizig. Als Kind wollte sie Astronautin werden und war empört, als die Nasa ihr zurückschrieb: "Wir nehmen keine Mädchen." Als Governeursgattin verschreckte sie konservative Wähler, weil sie ihren Mädchennamen Rodham beibehielt. Erst als die Clintons beschlossen, ins Weiße Haus einziehen zu wollen, nahm sie den Namen ihres Mannes an - um es nicht noch schwieriger zu machen.
So hoch schwappten zunächst die Wellen der Hillary-Begeisterung, daß vielerorts Clinton-Anhäger SIE sehen und hören wollten, nicht IHN. Hillary for President, hieß es schnell. Warum sich mit der zweiten Wahl begnügen, wenn die bessere Hälfte des Clinton-Paares Hillary heißt? Der Gattin Standard-Antwort: "Wenn Ihr ihn wählt, bekommt Ihr mich dazu." Bill Clinton deutete an, seine Frau werde in einer von ihm geführten Regierung "eine bedeutende Rolle spielen".˙ Prompt witterten die Wahlkampfplaner der Republikaner einen wunden Punkt am Strahlemann Clinton. "Das ist keine Familie - das ist eine GmbH," streute das Bush-Lager über die Clintons. Eine Firma, in der Hillary der Boß ist und Bill der Laufjunge. Und Jerry Brown, Clintons letzter - chancenloser - Konkurrent im demokratischen Lager, veralbert die Clintons als "die Bonnie und Clyde der amerikanischen Politik."
Das Gift wirkt. Der Wahlkörper Amerika reagiert allergisch. "Hillary Clintons Lebenslauf und ihr Verhalten sind typisch für den Wandel der amerikanischen Frau und der amerikanischen Ehe, und jetzt steckt sie in dem Dilemma, daß die ôffentlichkeit das Ausmaß dieses Wandels nicht wahrhaben will," beschreibt Ruth Mandel von der Rutgers University Hillarys Problem.
Mrs. Clintons Vorzüge addieren sich in ihrem Medien-Image zu einem einschüchternden Zerrbild. Eine Frau, die alles zu können scheint, die Karriere und Mutterschaft vereint, ist vielen unheimlich. Dagegen hilft Witzeln. Schon wird kolportiert, junge Frauen achteten beim Kleiderkauf darauf, daß ihr neues Büro-Kostüm "nicht zu hillary aussieht." Hillarys lebster Haarschmuck, ein schwarzes Stirnband, droht zum Erkennungszeichen für Frauen zu werden, die zuviel wollen. Die "Lady Macbeth mit dem Stirnband" machte eine Zeitung aus der Kandidaten-Gattin.
Peinlich genau registrieren die Medien jedes Wort aus ihrem Mund. Ist sie beredter als ihr Mann? Bekommt sie mehr Applaus? Deutet sie politische Ambitionen an? Bloß nicht.
Vorsichtshalber machen die Clintons seither getrennt Wahlkampf. Hillary beschränkt sich auf Erziehungsthemen. Und Bill weist Unterstellungen von sich, er wolle seine Frau zur Ministerin machen. Hillary-Fans, auch die gibt es, werden vertröstet, sinngemäß: Laßt uns erst mal einziehen ins Weiße Haus. Dann sehen wir weiter, gemeinsam.
Kommentare sind geschlossen.
|
Loading Getty
Archiv
April 2020
Kategorien
Alle
DownloadsDie kompletten Jahrgänge DisclaimerViele
der hier verfügbaren Texte sind nicht end-redigiert. Sie können Fehler
enthalten, die in der Druckfassung korrigiert worden sind. Das trifft
insbesondere auf die Beiträge aus den Jahren 1992-2000 zu
(USA-Berichterstattung). Das Copyright zu allen hier verfügbaren Texten und
Fotos liegt beim Autor beziehungsweise bei den Fotografen. Wer Fotos oder
Texte, im Ganzen oder teilweise, kopieren oder sonstwie publizistisch verwenden
will, bedarf dazu der ausdrücklichen Einwilligung des Autors beziehungsweise
des Fotografen. |