Uwe Knüpfer
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Helmut Kohls Tagebuch: Anschreiben gegen den Undank

20/11/2000

 
Im Nachhinein finde ich es selbst erstaunlich, dass ich trotz dieser Gegner Bundeskanzler geworden bin, schreibt Helmut Kohl in seinem Tagebuch. Datum: 3. Januar 2000. Mit feiner Ironie. Diese Gegner, das sind: Partei-Freunde wie Kurt Biedenkopf, aber auch Teile der Medien.

Der 3. Januar 2000: Soeben hat Kohl erfahren, dass die Bonner Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren gegen ihn einleitet. Der Parteispendenskandal der CDU hat nun ihren Ehrenvorsitzenden, den Ex-Kanzler, hat das Denkmal Helmut Kohl erreicht. Damit habe ich gerechnet, notiert er trocken. Aber: Für meine Frau ist das Ganze ein Schock.

An seinen Memoiren will Kohl noch länger feilen, doch sein Tagebuch der letzten beiden Jahre bringt er schon jetzt unters lesende Volk. Es soll Ende November im Verlag Droemer erscheinen. Ausgewählte Presseorgane bekamen vorab ein Manuskript. So ist größtmögliche Aufmerksamkeit garantiert.

Kohl kopiert das Erfolgsrezept des Oskar Lafontaine. Von dem er auch sonst überraschend viel hält - merke: Besiegte Sozialdemokraten sind gute Sozialdemokraten. Kohl über Lafontaine: Er ist ein leidenschaftlicher Europäer, ein Mann mit einer wirklich europäischen Überzeugung. Ganz im Gegensatz zu Gerhard Schröder. Der hat Kohl bekanntlich besiegt.

Die Welt des Helmut Kohl kennt Freund und Feind, kennt Gut und Böse - und wenig dazwischen. Immer wieder beschreibt er, wie er helfen konnte, diesem oder jener, seinen/ihren Karriereweg zu machen. Umso schofeler wirkt der Undank, der Kohl entgegen schlug, als er die Freunde benötigte: nach dem 3. Januar 2000.

Da fallen sie von ihm ab, die ihm doch (fast) alles verdanken, wie Angela Merkel zum Beispiel. Kohl glaubt, dass sich einige in meiner Partei wünschen, ich würde das Land lieber heute als morgen verlassen und auswandern oder aber bald infolge eines Herzinfarkts oder einer anderen tödlichen Krankheit das Zeitliche segnen. Beim anschließenden Staatsbegräbnis würde man sich dann gerne wieder zeigen. Kohl kennt sie, die Menschen.

Undank scheint er nicht wirklich übel zu nehmen. Wohl aber dies: dass seine Gegner die Geschichte fälschen wollen und mich als korrupten und machtgierigen Politiker darstellen.

Das darf nicht sein. Deshalb holt Kohl nun zum Gegenschlag aus, im Kampf um die veröffentlichte Meinung. Die Welt soll den wahren Helmut Kohl erkennen. Den Menschen Kohl. Der beim Großen Zapfenstreich weinen muss: Als Junge hat man uns beigebracht, dass ein Mann keine Rührung zu zeigen hat. Eine dümmliche Vorstellung. Der fest in der Familie verankert ist. Der gern mit guten Freunden ein Glas Wein hebt, ansonsten aber von Grund auf genügsam ist. Sein Ferienhaus am Wolfgangsee, ausgesprochen schlicht sei es, betont er, und: gemietet. Siehe: Hier schreibt niemand, der sich bereichert hat.

Das wird Kohl auch nicht vorgeworfen. Wohl aber, dass er wissentlich Gesetze brach, um seiner Partei zu helfen, im Kampf der Guten gegen die Anderen. Er räumt ein: Ja, ich habe 2,1 Millionen DM Spendengelder an den Rechenschaftsberichten vorbei direkt für die Partei eingesetzt und damit gegen das Parteiengesetz verstoßen. Das war ein Fehler.

Kohls Tagebuch ist dazu ein einziges: Na und? Einer wie er, soll der nicht auch mal einen Fehler machen dürfen?

Kohl: Ein Leben lang habe ich mich bemüht, verlässlich zu sein. Und Deutschland zu dienen, und der CDU. Was doch schließlich fast dasselbe ist.

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