Am 12. Juni wird George Bush 68 Jahre alt. Eine große Mehrheit der Amerikaner scheint der Meinung, es wäre besser, er ginge in Rente. Stattdessen will sich Bush im November als Präsident der Vereinigten Staaten bestätigen lassen. Weil er, wie er glaubt, seinen "Job" bisher gut erledigt hat. Hat er das?
Europäer, Deutsche zumal, haben keinen Grund zur Klage. George Bush ist zu einem Zeitpunkt Herr im Weißen Haus geworden, als die andere Supermacht zusammenbrach. Er hat nicht nur die USA, er hat die Welt besonnen und sicher durch wahrhaft revolutionäre Zeiten geführt. Er hat triumphierende Gesten vermieden, hat erst Gorbatschow, dann dessen Nachfolgern die Hand zur Freundschaft gereicht. Bush hat die Initiative ergriffen, nach dem Ende des Kalten Krieges eine neue, bessere Weltordung zu errichten. Es ist ihm schwerlich anzukreiden, daß die Welt diese Ordung so schnell nicht finden konnte.
George Bush hat die Bundesregierung ermutigt, den Weg zur deutschen Einheit zu gehen. Er hat sie auf diesem Weg begleitet, vielleicht auch geleitet.
Und George Bush hat den Golfkrieg geführt. Was zuhause in den USA am meisten zählt: Er hat ihn gewonnen, die eigenen Verluste waren gering. Aber was triumphal wirkte, geriet mit wachsendem Abstand ins Zwielicht. War der Krieg wirklich unvermeidbar? Und warum ist Saddam noch immer an der Macht?
Vor allem aber fragen Amerikaner ihren Präsidenten, warum er daheim so wenig bewirkt hat. Kaum jemals kam jemand so glänzend vorbereitet in das Weiße Haus. Bush war Vizepräsident, er war Diplomat, er war CIA-Chef. Nach den sorglosen Reagan-Jahren trat er als ein Macher an, als "Umwelt-Präsident", als "Erziehungs-Präsident".
Nichts davon hat er eingelöst. Während Bush das Staatsschiff souverän durch stürmische Weltmeere lenkte, ließ er unter Deck die Balken verfaulen. Unter Reagan und Bush ist das Staatsdefizit in schwindelerregende Höhen gewachsen. Aber mitnichten zugunsten des Zustands von Schulen, Städten und Straßen. Im Gegenteil: Das Land wirkt weithin ausgepowert.
Im Weißen Haus herrscht Konfusion. Die Berater des Präsidenten wissen nicht, was sie noch tun können, ihren Chef aus dessen Meinungstief herauszuheben. Ein Auftritt a la Reagan - seht her, ich bin der Landesvater, don’t worry, be happy! - ging daneben. Die Rolle liegt Bush nicht. Auch die Bilder eines Präsidenten, der als Staatsgast in Japan bei Tisch bewußtlos wurde und sich übergab, sind unvergessen. Schon suchen einige Redenschreiber und Berater vorsichtig Distanz.
Der Vorwahlkampf war, das hat das amerikanische Wahlsystem so an sich, eine Schlammschlacht. Er hat aber auch gezeigt: Die amerikanischen Wähler haben die Nase voll von Politikern, die auf dem diplomatischen Parkett nicht ausrutschen, sich zuhause aber gegenseitig des Versagens beschimpfen. Sie sehnen sich nach einem Kapitän, der Klar Schiff macht an Bord.
Ob Ross Perot das kann, ob Bill Clinton - in den nächsten Monaten werden beide auf Herzen und Nieren geprüft. Nur eines ist für eine Mehrheit der Amerikaner gewiß: Bush kann es nicht.
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April 2020
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