Es sollte ein Befreiungsschlag werden. Eine live übertragene Pressekonferenz zur besten Sendezeit sollte das Image von George Bush aufpolieren, sollte zeigen: Dies ist der amtierende Präsident, er regiert das Land, beherrscht die Themen. Doch eher wurde es ein Schlag ins Wasser.
Der strapaziöse US-Vorwahlkampf ist zuende. Der eigentliche Präsidentschafts-Wahlkampf hat begonnen. Die Schlagzeilen aber gehören weder dem Amtsinhaber im Weißen Haus, Bush, noch seinem Gegenspieler von den Demokraten, Clinton, sondern Ross Perot, dem Milliardär aus Texas. Das sollte sich ändern, hofften die Bush-Berater. Und sie inszenierten für ihren Chef einen Medienauftritt a la Ronald Reagan.
Journalisten wurden gerufen, sich im feierlichen Ostflügel des Weißen Hauses zu versammeln, vor einem Rednerpult mit den Insignien der Macht. Im Hintergrund eine weit geöffnete Flügeltür. Durch sie war Bushs Vorgänger viele Male geschritten, um dem Fernseh- und Wahlvolk direkt seine Meinung zu sagen. Doch Reagan mit seiner Hollywood-Vergangenheit war der perfekte Präsidentendarsteller. Verglichen mit ihm wirkte Bush wie sein eigener Ansager.
Eher beiläufig erklomm er das Rednerpult, eher kameradschaftlich als souverän ging er auf die Fragen der Reporter ein.
Die kannten fast alle nur ein Thema: Ross Perot. Dabei wollte George Bush der Nation doch mitteilen, daß und warum er für einen Verfassungszusatz ist, der die Regierung zwingt, einen ausgeglichenen Haushaltvorzulegen. Anders, so ist seine Meinung und die einer großen Gruppe von Abgeordneten, ist das gewaltige Haushaltsdefizit der USA nicht in den Griff zu bekommen.
Doch des Präsidenten Meinung dazu war auch vorher schon bekannt. Und Bill Clinton, der Gouverneur von Arkansas, bekam gleich anschließend Gegelgenheit, in einem einstündigen Interview mit CNN dem Volk zu erklären, wie er den Auftritt und den Vorschlag des Präsidenten sah: "Erheiternd und verblüffend". Auch Clinton ist für Sparsamkeit, aber gegen den Verfassungszusatz, weil er der Regierung für alle Zeit die Hände binden würde - auch wenn es eigentlich gälte, mit gepumptem Geld die Konjunktur auf Trab zu bringen. In seinen Augen habe es eine "Aura der Irrealität", sagte der Mann, der Bushs Nachfolger werden will, wenn der Präsident in die Verfassung schreiben will, der Staat dürfe keine Schulden machen, und zur gleichen Zeit einen Haushalt mit Rekord-Defizit vorlegt.
So sahen es auch die im Weißen Haus versammelten Journalisten, so sehen es die Kommentatoren. Sie interessierte viel stärker: Wie angeschlagen wirkt Bush? Ist er nervös, sieht er seine Felle schwimmen? Wären heute Wahlen, läge den meisten Umfragen zufolge Perot vor Bush und Clinton. Weniger als vierzig Prozent der Amerikaner haben eine positive Meinung von der Amtsführung des Präsidenten. Vor einem Jahr, nach dem siegreichen Golfkrieg, waren es weit über siebzig Prozent.
Bush bemühte sich denn auch nach Kräften, die Erinnerung an die "Operation Wüstensturm" wiederzubeleben. Er halte sich für einen "guten Präsidenten", sagte der Präsident, und er sei optimistisch, daß dies am Wahltag im November auch die Mehrheit des Volkes wieder so sieht: "Ich möchte meinen Job fortsetzen, um diesem Land zu helfen. Ich möchte den Weltfrieden bewahren und sichern helfen - und wir haben das bisher ganz gut geschafft."
Das stellte niemand in Frage. Wohl aber die Weigerung des Präsidenten, auf dem Umweltgipfel in Rio substantielle Verträge zu unterzeichnen. Bush, sichtlich ungehalten, hielt dem entgegen, kein Land der Welt habe bisher soviel Geld für den Umweltschutz ausgegeben wie die USA. Er werde aber keinen Vertrag unterschreiben, der Amerikaner arbeitslos macht, und überhaupt weigere er sich, Kritik von Umwelt-"Extremisten" anzunehmen.
CNN war der einzige Sender, der die Bush-Pressekonferenz wie gewünscht live übertragen hat. Das Weiße Haus hatte gehofft, alle großen Sender würden dafür Platz schaffen in ihren Programmen. So wie sie es für Reagan oft genug getan haben. Bush hatte erst einmal zuvor in seiner Amtszeit eine solche Fernseh-Pressekonferenz gegeben. Doch ABC, CBS und NBC weigerten sich. Mit der Begründung, hier äußere sich nicht der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika, sondern schlicht ein Wahlkämpfer. Dafür sei ihnen ihre Sendezeit zu schade. Stattdessen liefen die "Simpsons", "Top Cops" und eine Wiederholung der Bing-Cosby-Show.
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