Uwe Knüpfer
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George Bush: Abgang mit Donnerhall

16/7/1992

 
George Bush ist ein Gentleman der alten Schule. So beschreiben ihn Freunde, so sieht er sich selbst, so wirkt er im persönlichen Umgang. In die Geschichte wird er eingehen als der Präsident, der die USA am öftesten ins Duell geführt hat. Und als der einzige, der kriegerische Aktionen noch in den allerletzten Tagen seiner Amtszeit eingeleitet hat.
(Schon öfter waren Präsidentenwechsel in den USA von Kriegsereignissen überschattet. Truman wurde Präsident, als der zweite Weltkrieg in seinen letzten, entscheidenden Zügen lag. Seinem Nachfolger Eisenhower hinterließ Truman den Korea-Krieg. Lyndon Johnson „vererbte“ Nachfolger Nixon das Schlamassel von Vietnam. Doch nie zuvor wurden die Fanfarenstöße der Inauguration von mutwillig herbeigeführtem Geschützfeuer übertönt, so wie jetzt, wo in Irak gebombt, in Washington gefeiert wird.)
Das neue Schießen am Golf wäre nicht nötig gewesen, hätte George Bush als Feldherr des Golfkriegs vor zwei Jahren das erklärte Kriegsziel gehabt, Saddam aus dem Amt zu vertreiben. Das Ziel wurde nachgereicht, als der Waffenstillstand schon beschlosssen war. Jetzt sind die USA und ihre Alliierten um Reparatur bemüht.
 Das ist typisch für George Bush. Er war ein Präsident starker Ankündigungen, vieler Taten und - leider - widersprüchlicher Botschaften. Er zeigte eine harte Hand gegenüber Noriega in Panama, wie schließlich gegenüber Saddam, und er bewies in Somalia, daß Krieger ihre Faust auch öffnen können, um humanitäre Hilfe zu bringen. Vor allem: Er bewies Besonnenheit, als der Ostblock und dann die Sowjetunion zusammenbrachen.
Andererseits zeigte sich Bush immer wieder merkwürdig inkonsequent. Er ließ Saddams Wiedererstarken nach dem Golfkrieg zu. Er ließ guten Worten gegenüber den Reformern in der Ex-Sowjetunion kaum Geld folgen. Er verurteilte den Genozid auf dem Balkan und sah tatenlos zu. Er sprach von einer Neuen Weltordnung und blieb deren Beschreibung doch schuldig.
Die gleiche Konsequenzlosigkeit findet sich in seiner Innenpolitik. Bush ließ es auch dort an Initiativen nicht fehlen. Seine Regierung produzierte Ideen und Gesetzentwürfe in Serie. Nur: allzuoft, um sie anschließend mutwillig oder aus Lustlosigkeit im Getriebe der Gesetzgebungsmühle spurlos verschwinden zu lassen. Oder um sie - wie es mutigen Umweltgesetzen wie dem Clean Air Act erging - anschließend durch Einschränkungen und Auflagen wieder zu entwerten.
Schon als Kind wurde George Herbert Walker Bush von einem Chauffeur zur (Elite-) Schule gefahren. Er war und blieb, trotz Weltkriegs- und Geschäftserfahrung, der in vielerlei Hinsicht typische Sprößling des Geldadels der amerikanischen Ostküste. Ein Gentleman.
Anders als sein Nachfolger Clinton hat Bush das Kleinklein der Politik, das Buhlen um Zustimmung, die Zwänge der Medien und des Wahlkampfs, nie gemocht und nie ernst genommen. Für einen Gentleman ist an Politik nur interessant, was Staatskunst ist. Sich mit dem Schraubschlüssel über das politische Getriebe zu beugen, um „Amerika wieder in Bewegung zu bringen“, das war George Bush zuwider. Deshalb hat ihm eine Mehrheit der Wähler den Laufpaß gegeben. Denn in den USA sitzt das Gefühl tief, im Lande sei nun so manches dringend der Überholung bedürftig.
Ein Gentleman sieht die Bühne internationaler Politik als einen Club von Staatsmännern. Ein Gentleman glaubt an die Kraft persönlicher Kontakte zwischen wichtigen Männern. Das funktioniert in Vereinen demokratischer Staaten, wie Nato oder KSZE. Es führt in die Irre im Umgang mit vordemokratischen Regierungssystemen.
Nur ein Beispiel dafür ist Bushs wachsweiche Haltung gegenüber den Machthabern in Peking. Er war der erste Botschafter seines Landes in der Volksrepublik China. Das Verständnis für Potentaten wie Deng Xiaoping hat Bush seither nie verlassen, auch nicht nach dem Massaker auf dem Platz des Himmlischen Friedens. Die Diktatoren in Peking und anderswo hat das ganz sicher nicht entmutigt, Terrorakte gegen ihre eigenen Völker zu begehen.
Auch in seiner Politik gegenüber dem Irak setzte Bush lange, wohl zu lange darauf, mit Saddam dealen zu können wie mit texanischen Ölmagnaten. Jene Pinzipienfestigkeit, auf der die Strahlkraft amerikanischer Außenpolitik gegenüber einst dem Faschismus, dann dem Kommunismus beruhte, geriet darüber allmählich außer Sicht. Am Ende der Riegierungszeit von George Bush, dem letzten US-Präsidenten aus der Generation der Weltkriegssoldaten, ist oft nur schwer zu erkennen, wofür die USA weltweit eintreten, wofür sie gegen Hitler-Deutschland und Japan gekämpft haben. Daß sie für mehr stehen als für eigene Macht- und Geschäftsinteressen.
Bush war Präsident in einer Zeit, als wieder einmal eher Mechaniker und Kreuzritter gefragt waren denn Gentlemen; in den USA selbst und weltweit: Um hier zu reparieren und dort der neuen Weltordnung ein Gerüst fester Prinzipien zu geben. In den Worten eines amerikanischen Beobachters: George Bush war „der richtige Präsident zur falschen Zeit.“

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