Im Vorwahlkampf hatten Gerüchte über außereheliche Affären Clintons die Runde gemacht. Auch während des Parteitages waren vor der Halle Pamphlete zu finden, in denen Frauen behaupteten, ein Verhältnis mit Clinton gehabt zu haben. Mehr als das hatte die Nation dem Gouverneur von Arkansas übelgenommen, wie er mit dem Vorwurf umgegangen ist, er habe schon mal Marihuana geraucht. Ja, habe er, hatte Clinton im Fernsehen eingeräumt, aber nicht in den USA, wo das verboten ist, sondern als Student in England. Außerdem habe er "nicht inhaliert".
Seither nennen ihn die Republikaner nur noch "Slick Willy", den glatten Willy.
Der Schuldenberg, die Arbeitslosigkeit, der Zustand der Schulen, das desolate Gesundheitssystem: Das Staatsschiff bewege sich auf einen Felsen zu, fuhr Cuomo fort: "Die Besatzung weiß es. Die Passagiere wissen es. Nur der Kapitän des Schiffes scheint es nicht zu wissen." Er erinnerte an die Triumphparaden nach dem Sieg im Golfkrieg. Gern würde er an einem weiteren Triumphmarsch teilnehmen - "durch Städte und Dörfer, wo alle Menschen sicher sind, wo Kinder Kinder sein können und Zugang zu Colleges haben." Cuomo fügte hinzu: "Treten Sie ab, Mr. Bush, Sie haben Ihre Parade gehabt!"
Spätestens jetzt schienen die Delegierten überzeugt, daß sie mit Bill Clinton, slick oder nicht, eine reelle Chance haben, im November zu siegen. Maxine Waters, die geachtete schwarze Kongreß-Abgeordnete aus Los Angeles, setzte noch eins drauf. Sie machte klar, daß Clinton nicht nur die Hoffnung der Ostküsten-Liberalen a la Kennedy und Cuomo ist, sondern auch die Hoffnung der Schwarzen: "Bill Clinton vesteht, was vorgeht in Amerika. Mit ihm können wir Amerika wieder aufbauen. Es ist Bill Clintons Zeit, ihm schlägt die Stunde der Geschichte."
Jesse Jackson war bereits am Tag zuvor zu Wort gekommen. Der schwarze Reverend hatte seine Gemeinde wie gewohnt mitgerissen. Für einen schwarzen Jugendlichen in South Central Los Angeles sei es ein Schritt nach oben, ein Glück, ins Gefängnis zu kommen: "Dort ist es kühl im Sommer, warm im Winter, dort bekommt er zu essen, dort findet er Arbeit." Auch Jackson, obwohl von Clinton nicht umworben, stellte sich hinter den Kandidaten.
Nacheinander gaben die Delegationen der Einzelstaaten ihre Stimme ab, am späten Mittwochabend - "Der große Staat von Illinois, der Heimatstaat von Abraham Lincoln, ... hat 155 Stimmen für den nächsten Präsidenten der Vereinigten Staaaten von Amerika, Bill Clinton!" Und so fort, von Alabama bis Wyoming. 2145 Stimmen machen die Mehrheit aus.
Den Demokraten aus Ohio fiel die Ehre zu, die magische Linie zu passieren. "178 Stimmen für Bill Clinton", da waren es insgesamt 2244. Damit war es offiziell. Musik setzte ein, Aluminium-Lametta schneite vom Himmel der Halle, und die Menschen riefen: "Wir wollen Bill! Wir wollen Bill!"
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