In einem übertrifft George Bush seinen demokratischen Herausforderer Bill Clinton allemal. Wenn er, wie allgemein erwartet, am Donnerstag abend nächster Woche die Nominierung seiner Partei zum Präsidentschaftskandidaten annimmt, im gewaltigen Rund des Astrodomes zu Houston, wird er gleich dreimal zu sehen sein; einmal leibhaftig, zweimal überlebensgroß auf Bildschirmen hinter seinem Rücken. Clintons Demokraten begnügten sich mit einer Bildschirmwand.
Ab diesem Wochenende strömen die Republikaner in Houston zusammen, um Clinton das Fürchten zu lehren. Im Moment allerdings sind eher sie es, die dem 3. November entgegenzittern, dem Wahltag.
Seit dem Parteitag der Konkurrenz im Juli in New York liegt Clinton in den Umfragen vorn. Das ist normal. Parteitage bedeuten üblicherweise Aufwind für den Kandidaten. Aber Clintons Vorsprung enpuppt sich als außergewöhnlich groß und dauerhaft. Vor vier Jahren war der Vorsprung des damaligen demokratischen Präsidentschaftskandidaten Michael Dukakis in der Woche vor dem Parteitag der Republikaner von 17 auf 7 Prozentpunkte zusammengeschrumpft. Im November hatte dann Bush die Nase vorn.
Nun hoffen die Republikaner, daß sich die Geschichte wiederholt. Er sei ein Kämpfer, versicherte der Präsident einer zweifelnden Fernsehgemeinde, und: Er werde gewinnen. Bilder von Bush als Staatsmann, Themen wie Nahost, Jugoslawien, das Nordamerikanische Freihandelsabkommen erinnerten das Wahlvolk daran, daß sie in Bush einen Präsidenten mit großer außenpolitischer Erfahrung besitzen. Umstellungen im Wahlkampfteam sollen zusätzlich einen frischen Start signalisieren.
All das klang gut in den Ohren der Republikaner. Wäre da nicht stets auch irritierende Untertöne. Clinton laufen die Wähler den Umfragen zufolge nicht nur in den demokratischen Stammlanden zu, sondern auch in den Hochburgen der Republikaner. Und immer wieder quälen Bush Negativ-Berichte über die Bilanz seiner Regierungsjahre und über seine persönlichen Qualitäten.
Vor vier Jahren führte Bush die Dukakis-Demokraten mit dem "L-Wort" vor. Er brandmarkte sie erfolgreich als Liberale, sprich als unpatriotisch, weichlich, unzuverlässig, verschwenderisch. Diesmal sei es Bush, der das "L-Wort" fürchten muß, schrieb eine einflußreiche Ostküstenzeitung. L diesmal wie "landslide", Erdrutsch. éndert sich die Stimmung im Lande nicht gründlich während der letzten zwei Wahlkampfmonate, könnte Bush nicht nur die Wahl verlieren, sondern förmlich aus dem Amt gejagt werden.
Vor vier Jahren gelang es Bush, Dukakis an die Wand zu drängen. Diesmal sah sich Bush kurz vor dem Parteitag mit Schlagzeilen über sein angebliches Fremdgehen in die Defensive gedrängt.
Während die Demokraten mit Macht um die einst an Reagan und Bush verlorenen Wähler der Mitte werben, rücken die Republikaner zusammen, also nach rechts. In ihrer Wahlplattform, die in Houston beschlossen werden soll, verlangen sie, Abtreibung per Verfassungszusatz unter Strafe zu stellen. Sehr zum Entsetzen nicht nur vieler Frauen in den eigenen Reihen.
Houston soll nach dem Willen der Parteitagsregie nichts geringeres erleben als die Wiedergeburt des Kandidaten George Bush. Aber wie? (Eine Gruppe einflußreicher Republikaner, Minister und Senatoren darunter, ließ Bush einen detaillierten Vorschlag für ein radikales Programm zur Ankurbelung der Wirtschaft zukommen. Kernstück: massive Steuersenkungen. Nur beißt sich das sowohl mit Bushs dauerhaften Versicherungen, der Wirtschaft gehe es beständig besser, als auch mit seinem Versprechen, das gewaltige Haushaltsloch der USA zu stopfen.)
Republikanische Wahlkampfprofis rieten Bush, zum "Vision Thing" zu greifen. Der Nation glaubhaft zu machen, daß er eine Vorstellung davon hat, wie und wohin sich Amerikas verändern muß. Leider ist bekannt, daß Bush von Visionen nicht viel hält.
So glauben manche Republikaner, Bushs beste Waffe sei seine Frau. Barbara Bush ist im Gegensatz zu ihrem Gatten ungebrochen populär. Am Mittwoch soll sie das Podium erklimmen und den Delegierten und den Wählern vor den Fernsehgeräten erklären, warum sie George Bush vertraut. Und warum die Nation gut daran täte, das gleiche zu tun.
Andere Republikaner glauben schon lange nicht mehr, daß sie mit Bush die Wahl gewinnen können. Vergeblich blieben alle stillen Versuche, ihn zum Rückzug zu bewegen, Platz zu machen für einen anderen Kandidaten, für einen Phoenix aus der Asche.
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