Die Demokraten fordern Militäreinsatz in Jugoslawien - Regierung und Militärs sitzt das Vietnam-Trauma in den Knochen
Über Amerikas Bildschirme flimmern in diesen Tagen nicht nur Bilder von den erschossenen Kindern in Bosnien, sondern auch Erinnerungen an den Zweiten Weltkrieg und das militärische Desaster der USA in Vietnam. Die US-Demokraten und ihr Präsidentschaftskandidat Bill Clinton fordern zwar einen Militäreinsatz in Jugoslawien, die Militärs aber warnen, und Präsident George Bush zögert. Die US-Regierung verlangt nach präziseren Informationen über die Vorgänge in serbischen Gefangenenlagern.
Der ehemalige Nato-Oberbefehlshaber Galvin riet dem Präsidenten via TV von einer Militäraktion rundweg ab. Andere Militärs taten das gleiche im Stillen; nachdrücklich. Das Pentagon sorgte dafür, daß frühe Rufe aus der Bush-Regierung nach einem härteren Vorgehen gegen die serbischen Freischärler rasch wieder verstummten. Galvin erinnerte daran, wie einfach es sei, in einen Guerillakrieg verwickelt zu werden, wie schwer aber, ihn zu beenden.
Der kanadische General Mackenzie, gerade vom Uno-Einsatz in Jugoslawien zurück, schätzt, man benötige allein mindestens 40000 Soldaten, nur um in Sarajewo für Ruhe zu sorgen. Um den Nachschub zu sichern, müßte ein Korridor zwischen Sarajewo und Split freigehalten werden. Ohne massiven Einsatz weiterer Bodentruppen gehe das nicht, sagen die Militärs. Die bosnischen Gebirgszüge gelten ihnen als "gottgegebenes Gelände" für den effektiven Einsatz von Guerillas.
Bill Clinton und die Demokraten im Kapitol fordern seit langem, den Serben mit Kampfeinsätzen der Uno zu drohen, mindestens mit Bombardements der serbischen Artilleriestellungen. Militärs halten dagegen, wie schwer es sei, in unebenem Gelände kleine Nester von Kämpfern punktgenau zu treffen. Außerdem seien Waffen und Heckenschützen in Jugoslawien allgegenwärtig. Und was ist, wenn die Serben aus Rache die Uno-Blauhelm-Truppen angreifen, fragte General Mackenzie?
Dennoch fordert Clinton Bush jetzt täglich auf zu unternehmen, "was immer notwendig ist, das Abschlachten von Zivilisten zu stoppen." Wenn die Geschichte des Holocaust die Welt irgendetwas gelehrt habe, so Clinton, "dann, wie teuer es uns zu stehen kommt, angesichts von Völkermord still und paralisiert zu sein." Der demokratische Senator Joseph Lieberman verlangte eine Sondersitzung des UN-Sicherheitsrates.
Der stellvertretende US-Außenminister Eagleburger dagegen dringt nur, das allerdings in scharfen Worten, auf rasche und gründliche Überprüfung aller Gerüchte über Verbrechen an Zivilisten. Dabei wußte der Sprecher des US-Außenministeriums, Boucher, noch Anfang der Woche von "eigenen Berichten", aus denen definitiv hervorgehe, daß die Serben Konzentrationslager für Kroaten und Moslems unterhalten. Boucher: "Wir erhalten fortlaufend Berichte über Quälerien und Morde in diesen serbischen Lagern." Tags darauf konnte ein anderer Sprecher des Außenministeriums die Existenz genau solcher Berichte "nicht bestätigen".
In der Zwischenzeit hatte Präsident Bush in einem Fernsehinterview von seinen Lehren aus Zweitem Weltkrieg und Vietnamkrieg gesprochen: Erstens dürfe man den Militärs nicht die Hände binden, zweitens müsse stets man am Anfang bedenken, was die Folgen eines Kriegseintritts sein könnten. Er denke nicht daran, einen einzigen amerikanischen Soldaten einem unkalkulierbaren Risiko auszusetzen.
Bush reagierte damit indirekt auf Vorwürfe im Zusammenhang mit der Irak-Krise, er spiele mit Kriegsplänen, nur um seine Wiederwahl im November zu sichern. Jetzt werfen ihm die Demokraten, aber auch einzelne republikanische Politikervor, gegenüber dem Serben-Führer Milosevic "weiche Knie" zu zeigen. Der Kongreß-Abgeordnete Tom Lantos, ein Demokrat, rief in Erinnerung: "Während in den Gaskammern Unschuldige verbrannten, konnten wir auch sagen, wenn auch wenig ehrenhaft: Genau wissen wir es nicht."
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