In Landstrichen wie Orange County, Kalifornien, ist die Seele der Republikaner zuhause. Hier blühte in den achtziger Jahren die Elektronik- und Waffenindustrie der Vereinigten Staaten, hier leben gutverdienende, meist weiße Familien in großzügigen Häusern, hier fuhren Ronald Reagan und George Bush ihre sichersten Mehrheiten ein. Am Wochenende forderte die einflußreiche Zeitung der Region, der Orange County Register, George Bush auf, das Handtuch zu werfen. Es steht schlecht um das Seelenleben der Republikaner.˙ In zwei Wochen treffen sich die Delegierten der Republikanischen Partei in Houston, um ihren Präsidentschaftskandidaten zu küren. So wie die Dinge stehen, wird es George Bush sein. Er hat die parteiinternen Vorwahlen zwar anfangs mit Mühen, am Ende aber doch erwartet sicher gewonnnen. Vor nicht allzu langer Zeit sah es so aus, als könnte dem amtierenden Präsidenten niemand eine zweite Amtszeit streitig machen, als würden die Republikaner ihr Abonnement auf das Weiße Haus im November souverän erneuern.
Inzwischen hat sich das Blatt gewendet. Der Präsidentschaftskandidat der Demokraten, Bill Clinton, liegt in den Meinungsumfragen um zwanzig bis dreißig Prozentpunkte vor Bush. Clinton wird bejubelt, wohin er kommt. Auch Bush-Auftritte ernten Applaus, aber meist wirkt der nicht mehr als höflich. Und das Publikum ist ausgewählt.
Der Präsident gibt Pressekonferenzen, er trifft sich fotogen mit anderen Führern der Welt, er sagt seinen Urlaub ab, bereist stattdessen das Hinterland: Es scheint ihm alles nichts zu helfen. In der letzten Woche tourte Bush durch Orange County. Was folgte, war die offene Aufforderung zum Rückzug aus der Politik.
Vor dem Parteitag werde er sich nicht in den Wahlkampf hinablassen, hatte Bush noch vor wenigen Wochen gesagt, ganz Staatsmann, nicht Kandidat. Inzwischen gilt das längst nicht mehr. Bush versprach, keinen Negativ-Wahlkampf gegen Clinton zu führen. Inzwischen greift er ihn offen an, seine Leute verschicken "Hintergrund"-Papiere, in denen Clinton als "Slick Willie" erscheint oder als "Bimbo" - als aalglatt und untreu.
Das Clinton-Camp kontert, solche Ausfälle seinen Ausdruck der Verzweifelung und Panik, die im Weißen Haus herrsche. Die Demokraten haben sich vorgenommen, den Republikanern während dieses Wahlkampfes keine Schlagzeile allein zu überlassen. Als "gescheiterten Gouverneur eines kleinen Staates" etikettierte Bush den Herausforderer. Prompt trat der, süffisant lächelnd, vor die Mikrophone und nannte Bush den "gescheiterten Präsidenten eines großen Landes".
Clintons Strategie scheint aufzugehen, die ehemals demokratischen Wähler zurückzugewinnen, die in den achtziger Jahren zu Reagan und Bush übergelaufen sind. In Kalifonien, dem Kernland der "Reagan-Revolution", führt er nicht minder deutlich als bundesweit. Selbst in Orange County liegt er vor Bush. Und sogar in Staaten wie Arizona, wo seit 1948 kein demokratischer Präsidentschaftskandidat mehr ein Bein auf den Boden gebracht hat.
Die Republikaner suchen, so sie nicht innerlich schon aufgegeben haben, verzweifelt nach einem Mittel, das Ruder doch noch herumreißen zu können. "Wäre Clinton ein Idiot", so ein führender Parteimann, könnte man damit leben, daß er die Wahl gewinnt. Nach einer Wahlperiode, so diese Theorie, wäre der Spuk vorüber, und die Wähler würden reumütig zu den Republikanern zurückkehren: "Aber leider ist Clinton kein Idiot."
Sollte Bush seinen Vizepräsidenten Quayle hinauswerfen und rechtzeitig zum Parteitag durch einen attraktiveren Kandidaten ersetzen? Das war eine Woche lang in Washington eine heiß diskutierte Frage. Sie lenkte nur vom eigentlichen Thema ab. "Bush ist das Problem," ließ sich ein Berater des Präsidenten vernehmen - freilich unter dem Versprechen, anonym zu bleiben: "Wir haben schlichtweg keinen Chef."
Für die veröffentlichte Meinung in den USA steht fest, daß der amtierende Präsident nur eine feste Überzeugung hat: Daß er und kein anderer Präsident sein sollte.
Selbst den treuesten unter Bushs Parteigängern ist das nicht mehr genug. Konservative Republikaner verübeln Bush, daß er sein Wahlkampfversprechen gebrochen und die Steuern erhöht hat. Sie verübeln ihm, daß er nicht so klar und entschieden zu den rechten Werten steht wie sein Vorgänger Reagan. Vor allem aber verübeln sie ihm, daß er mehr und mehr aussieht wie ein Verlierer, oder, wie die Washington Post schrieb, wie "Yesterday's Man".
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