Uwe Knüpfer
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Clintons Warnruf: Kurswechsel in Washington? - wie Meldungen entstehen



23/7/1992

 
Eine eher beiläufige Bemerkung des US-Präsidenten schlug Wellen. Bill Clinton, meldeten die Nachrichtenagenturen, schließe eine Neubelebung des Rüstungswettlaufs nicht aus. Es komme darauf an, was aus den demokratischen Reformen in Rußland werde.
Was war geschehen? Der US-Präsident hatte sich mit Politikern der Opposition im Kongreß getroffen. Eine Stunde lang sprach er mit Führern der republikanischen Partei über außenpolitische Krisenherde. Er versicherte, er habe alle Gefahren fest im Blick. Dann posierte man gemeinsam für die Pressefotografen. Ein Reporter warf dem Präsidenten die Frage zu, ob die Krise in Rußland Clintons Sparpläne über den Haufen werfen könnten. Clinton: „Wir werden sehen.“ Er fügte noch hinzu, ohne tiefe Schnitte in den Rüstungsetat könne er das US-Haushaltsdefizit nicht wirksam bekämpfen.
Der parlamentarische Kampf um Clintons ökonomisches Programm - Einsparungen, Steuererhöhungen, Investitionen in die Infrastruktur - steht vor seinem Höhepunkt. Das Weiße Haus peitscht Clintons Plan durch die Gesetzgebungsmühle - in der Hoffnung, ihn auf diese Weise möglichst unverändert beschlossen zu sehen. Die oppositionellen Republikaner wiederum versuchen, den Präsidenten mit einer Doppelstrategie zu bremsen.
Zum einen werfen sie Clinton vor, nicht radikal genug zu sparen und völlig überflüssigerweise neue Steuern zu verlangen. Zum anderen warnen sie, seine Abrüstungsvorschläge könnten die USA am Ende wehrlos dastehen lassen; in einer Welt voller Feinde und Verrückter.
Die Republikaner zeigen besorgt - von den Militärs im Pentagon hinterrücks fleißig munitioniert - auf den Irak, auf Bosnien, auf Haiti, vor allem auf die Probleme der Reformer um Boris Jelzin in Moskau und warnen, Clintons Plan könnte den Verteidigungsetat „aushöhlen“. Genau das, berichteten sie Reportern nach jener „Photo-Opportunity„, hätten sie dem Präsidenten auch ins Gesicht gesagt. Und der habe „die Lippen geschürzt, das Haupt gewiegt - er ist ein guter Zuhörer - und geantwortet: Möglicherweise müssen wir das überdenken.“ So Robert Michel, Sprecher der Republikaner im Repräsentantenhaus.
Doch bevor die Rüstungs-„Falken“ aus diesen überlieferten Präsidentenworten und -gesten Honig saugen konnten für ihren Kampf um jeden Dollar, beeilte sich Clinton-Sprecher Stephanopoulos festzustellen, die Etatvorschläge des Weißen Hauses seien maßvoll und würden nicht geändert. Der Präsident habe nichts anderes sagen wollen als: Man werde den Verteidigungsetat stets neuen Gefahren anzupassen haben.
Was in Washington Teil des Haushaltsgerangels war, schlug im Ausland ein wie eine Bombe. Agenturmeldungen ließen mancherorts den Eindruck entstehen, die Clinton-Regierung habe ihre Außen- und Verteidigungspolitik über Nacht revidiert. Dem Weißen Haus schien das gar nicht unlieb zu sein.
Denn alle, die Abrüstung inzwischen für einen natürlichen Vorgang halten, schienen plötzlich aufgewacht. Clinton muß im eigenen Land um Verständnis und Unterstützung dafür werben, daß er drauf und dran ist, sich nicht nur um den Aufschwung in Amerika zu bemühen, sondern auch um den in Rußland. Anfang April will er sich mit Jelzin in Vancouver treffen. Anschließend soll ein Gipfeltreffen der wichtigsten Industrienationen (G7) stattfinden. Clinton wird im Kongreß Geld locker machen müssen für Rußland. Das ist ein schwieriges Geschäft. Es verlangt mancherlei trickreiche Wendung.

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