Clinton hielt seine Rede einen Tag, nachdem er einen neuerlichen Erfolg aktiver US-Außenpolitik verkünden konnte: das Inkrafttreten eines baldigen Waffenstillstandes in Bosnien. Und er wählte als Ort für die Verkündung seiner Botschaft die Tagung einer Organisation, die 1941 gegründet wurde, kurz vor dem Eintritt der USA in den Zweiten Weltkrieg. Das parteiübergreifende Wirken des "Freedom House" hat es dem damaligen Präsidenten Roosevelt und dessen Nachfolger Truman ermöglicht, Zustimmung auf dem Kapitol und in der US-Öffentlichkeit erst für die Kriegsrüstung, später für die Schaffung von Marshallplan und Nato zu finden.
Eine Art von Zustimmung, die Clinton gegenwärtig schmerzlich vermißt.
Aktiver Internationalismus, beschwor Clinton seine Landsleute, habe den USA ein halbes Jahrhundert beispiellosen Wohlstands und Friedens beschert. Er warnte eindringlich davor, nun , nach dem Ende des Kalten Krieges, in Isolationismus zurückzufallen. Es sei zwar verständlich, sagte der Präsident, daß viele Amerikaner nun glaubten, sich auf die Lösung ihrer Probleme "daheim", im eigenen Land konzentrieren zu können, aber es sei "falsch".
Energisch wandte sich Clinton gegen beabsichtigte, "verantwortungslose" Kürzungen im Haushalt des State Department und gegen die auf dem Kapitol betriebene Schließung der Sender "Freies Europa", "Radio Liberty" und der Voice of America. Clinton bekannte sich zur aktiven Mitgliedschaft der USA in internationalen Organisationen wie der UN und der Nato. Es sei unhaltbar, daß die USA gegenüber den Vereinten Nationen einen Beitragsrückstand von mehr als einer Mrd Dollar haben. Clinton: "Wir müssen unseren fairen Anteil tragen."
Eine Mehrheit vor allem republikanischer Volksvertreter auf dem Capitol Hill sieht das derzeit ganz anders. Besonders die Weltorganisation ist dort unpopulär wie nie, und auch nach Sinn und Zweck der Nato wird immer lauter gefragt.
Clintons Demokratische Partei verlor bei den Kongreßwahlen 1994 die Mehrheit in beiden Häusern des Kongresses.
Erfolgreiche US-Außenpolitik habe immer versucht, internationale Koalitionen unter US-Führung zu bilden, erläuterte Clinton; vom Zweiten Weltkrieg bis zum Golfkrieg bis zur Wiedereinsetzung Präsident Aristides in Haiti. Die USA müßten Führungskraft zeigen, aber sie könnten die Probleme der Welt nicht im Alleingang lösen: "In der Welt, in der wir leben, ist Unilateralismus keine Option."
Manchmal seien außenpolitische Initiativen zunächst unpopulär, aber dennoch notwendig, erklärte Clinton und führte als Beispiel die US-Bürgschaftshilfe für Mexiko an. Clinton mußte Milliarden von Dollar ohne Unterstützung aus dem Kongreß bereitstellen, um einen Finanzkollaps des Nachbarlandes zu vermeiden. Inzwischen habe sich Mexikos Wirtschaftslage so gut stabilisiert, sagte Clinton, daß ein Teil des Kredites vorzeitig zurückgezahlt werde. Aber zum Zeitpunkt des "Bailout" seien Umfragen zufolge 80 % der US-Bürger gegen die Entscheidung ihres Präsidenten gewesen. Auch die Haiti-Invasion war anfänglich unpopulär.
Aktuell benötigt Clinton die Unterstützung der Abgeordneten und Senatoren für die geplante Entsendung von Nato-Truppen nach Bosnien. "Wenn die USA nicht vorangehen, wird der Job nicht getan." Clinton versprach, die USA würden "jede Unze unseres Einflusses" geltend machen, dem vereinbarten Waffenstillstand einen Friedensschluß folgen zu lassen.
Von Belfast bis Jerusalem, von Prag bis Puerto Rico habe sich erwiesen: Amerikanische Führungskraft sei unerläßlich. Dabei fehle der Außenpolitik nach der Auflösung der Blöcke ein fester, vorgegebener Rahmen. Im Zeitalter nach dem Kalten Krieg verlange sie oft einen Prozeß des "Trial and Error", begründete Clinton indirekt, weshalb seine Regierung so lange brauchte, in Bosnien aktiv voranzugehen.