Uwe Knüpfer
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Clinton und die Wahl zwischen sauren Äpfeln

19/7/1992

 
Cyrus Vance und Warren Christopher sind gute alte Bekannte. Zur Zeit der Carter-Regierung war Vance Außenminister und Christopher sein Stellvertreter. Jetzt ist Christopher Außenminister und Vance Bittsteller.
Im Gespann mit dem britischen Lord Owen bekniet Vance derzeit die neue US-Regierung und die amerikanische Öffentlichkeit, sich hinter jenen Friedensplan für Bosnien zu stellen, den die beiden als Unterhändler der Vereinten Nationen und der Europäischen Gemeinschaft ausgehandelt haben. Sie stoßen auf respektvolle Skepsis.
Christopher hat seinem alten Chef Anfang der Woche in New York die kalte Schulter gezeigt. Seither versucht Vance sein Glück auf dem Umweg über die Fernsehkanäle, über den direkten Appell an Amerikas Wähler.
Er will, daß die USA dem Friedensplan, der Bosnien in zehn weitgehend autonome Provinzen zerschneidet, durch ihre Zustimmung Gewicht geben. Owen geht sogar so weit, den USA vorsorglich die Schuld zu geben, falls sich auch diese Friedenshoffnung wieder zerstäuben sollte. Der Führer der bosnischen Moslems, Alija Izetbegovic, stimme dem Plan nur deshalb nicht zu, weil er sich Hoffnungen auf amerikanische Hilfe mache, sagte Owen: „Izetbegovic setzt sich nicht an den Tisch, solange die Moslems glauben, daß militärische Hilfe auf dem Weg ist; seien es Waffenlieferungen oder eine Intervention von außen.“
Über beides wird in Washington in der Tat seit langem diskutiert, und die bosnischen Moslems wissen es.
Schließlich hat Bill Clinton im Wahlkampf verlangt, den Serben gegenüber Härte zu zeigen. Während die Bush-Regierung eine Bombardierung serbischer Stellungen zwar erwogen, aber verworfen hat, steht Clinton nun unter dem Druck, seinen starken Worten auch Bomber folgen zu lassen.
 Clinton hat Bush auch in der Verurteilung des von Serben verübten Völkermords übertroffen. Nun wird er prompt gefragt, wie sein Außenministerium dem Serbenführer Karadzic ein US-Visum ausstellen konnte - wo der doch in den USA als Kriegsverbrecher gilt. Statt auf der Anklagebank sitzt Karadzic am Verhandlungstisch. (Mehr noch: Der Vance/Owen-Plan gesteht den bosnischen Serben große Teile jener Landgewinne zu, die sie nur dank militärischer Gewalt und brutaler Vertreibung erzielen konnten.)
Für Clinton ist die Situation heikel. Er leidet ohnehin unter dem Vorwurf, nach der Wahl von einigen forschen Versprechungen abgerückt zu sein. Nun bemüht er sich, dem kein weiteres Beispiel folgen zu lassen. Andererseits arbeitet er an einem ehrgeizigen innenpolitischen Aktionsprogramm. Neue außenpolitische Abenteuer kann er nicht brauchen.
Eigentlich käme ihm also der neue Friedensplan ganz gerufen, weil der Plan - ob und wie auch immer er Wirklichkeit wird - zumindest eines bringt: Zeitgewinn. Leider nur hat es schon allzuviele Friedenspläne für den Balkan gegeben. Es dürfte schwer sein, in den USA jemanden zu finden, der auf den Vance-Owen-Plan auch nur einen müden Dollar setzt. Geschweige denn Menschenleben. Genau das aber verlangen Vance und Owen von der Clinton-Regierung. Damit die Moslems sehen, daß Clinton es ernst meint und mit Waffenlieferungen oder US-Bombern wirklich nicht zu rechnen ist, verlangen die Unterhändler, daß die USA Soldaten zur Verfügung stellen; als Teil der UN-Friedenstruppe.
  Diese Idee nun aber ist in den USA vollends unpopulär. Kein Wunder, daß von der alten Freundschaft zwischen Vance und Christopher derzeit wenig zu spüren ist.
Doch was ist die Alternative? US-Militäraktionen aus der Luft würden die UN-Friedenstruppen auf dem Boden gefährden. Zudem sind die Europäer derzeit strikt dagegen. Auf dem Kapitol wächst die Zahl der Abgeordneten und Senatoren, die das Waffenembargo gegenüber Bosnien aufheben wollen. Damit die Moslems sich besser selbst verteidigen können. Es wäre ein Ausweg, bei dem Clinton sein Gesicht wahren und sich zugleich aus dem Balkan heraushalten könnte.
Besonnenere Politiker warnen davor. Sie fürchten, dies würde Waffenlieferungen der Russen an die Serben nach sich ziehen. Nicht ein Ende des Krieges wäre die Folge, sondern eine Verlängerung und womöglich eine Ausweitung.
Clinton hat die Wahl, in welchen Apfel er beißen will. Doch es sieht so aus, als seien alle Äpfel sauer.

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