Uwe Knüpfer
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Bush wird übel beim Gedanken an Perot - Die Schonzeit für den Milliardär aus Texas ist vorüber


23/6/1992

 
Wochenlang konnte H. Ross Perot sagen, was er wollte. Er konnte auch schweigen, wozu er wollte - dem Milliardär aus Texas flogen die Herzen der Wähler zu: Endlich ein Mann, der geradeaus denkt, der Ædenen in Washington’ Zunder gibt, der die großen Probleme des Landes so löst, wie er seinen Reichtum erworben hat, zupackend nämlich und mit Fortune. Dachten sie. Doch allmählich wächst die Skepsis. Einer aktuellen Umfrage zufolge hat sich die Zahl der Amerikaner, die ein negatives Bild von Perot haben, seit März verdoppelt.
Noch immer führt Perot allerdings vor Präsident Bush und dem demokratischen Gouverneur Clinton. Noch immer stehen die selbsternannten Perot-Aktivisten vor den Supermärkten, um Unterschriften zu sammeln. (Nur wenn seine Fans es schaffen, ihn in allen 50 US-Staaten auf die Wahlzettel zu bringen - dafür sind jeweils Tausende, manchmal Zehntausende von Unterschriften nötig - will Perot tatsächlich in den Wahlkampf ziehen, auf eigene Kosten. Das hat er im Frühjahr leicht heraus versprochen.)
Noch ist Perot gar kein Kandidat, aber er tritt längst so auf wie einer. Auch wenn er kein Programm hat. Perot glaubt, die Wähler wollten nicht Papiere lesen, sondern Personen sehen. Genau das ist es, was ihm nun Probleme bereitet.
Denn in Ermangelung konkreter Aussagen zu konkreten Themen hat sich die Presse auf die Erforschung der Frage verlegt: Was für ein Mensch ist dieser Ross Perot?
Wie ein Puzzle setzt sich seither vor den Augen der irritierten ôffentlichkeit das Bild eines Mannes zusammen, der an Ruck-Zuck-Lösungen glaubt und vor allem daran, daß er selbst so ziemlich alles besser machen kann als so ziemlich jeder andere. Eines Mannes auch mit einer Neigung zu Verschwörungstheorien.
(Eingemischt in politische Händel hat sich Perot, der vermeintliche Außenseiter, seit langem gern. Im Weißen Haus war er seit Nixons Zeiten gern gesehen. Wenn die Regierung Geld brauchte für zweifelhafte Geschäfte mit dunklen Figuren - nichts lag näher als ein Anruf bei Perot. Ob es galt, Dokumente über verschollene US-Soldaten anzukaufen, ob es galt, einen Handel mit Entführern einzustielen, Perot half gerne aus.)
Nichts treibt den Selfmademan aus Texas seit zwanzig Jahren so um, wie der Glaube, in Vietnam würden noch immer amerikanische Soldaten festgehalten. Seit der damalige Vizepräsident George Bush ihm 1986 bedeutete, das Weiße Haus glaube nicht an Perots Theorien, hält Perot Bush für einen Versager. "Diese Welt ist voller Löwen, Tiger und Kaninchen," will er damals zu Bush gesagt haben, "und Sie sind ein Kaninchen!"
Viele vermuten in dieser Begegnung den eigentlichen Grund für Perots Einzug in den Wahlkampf: Bush zu zeigen, was Sache ist.
Die Washington Post enthüllte am Wochenende, daß Perot kurz nach diesem Gespräch Detektive auf Bush und dessen Söhne angesetzt hat; in der Hoffnung, finanzielle Verstrickungen zu enttarnen, die Bush 1988 den Wahlsieg hätten kosten können. (Offenbar hat Perot damals vergeblich versucht, die Ergebnisse dieser Schnüffelaktionen in der Presse unterzubringen.
Perot neigt auch dazu, Journalisten zu bedrohen, die ihn allzu bohrend befragen oder Artikel schreiben, die nicht dem Bild entsprechen, das sich der Milliardär gerne von sich selber macht. Mehrere Fälle sind belegt.)
Monatelang hat das Weiße Haus den Perotismus im Lande ignoriert, in der Hoffnung, es handele sich um eine flüchtige Erscheinung. Doch jetzt ist das Bush-Lager zum Angriff übergegangen.
"Man stelle sich vor, dieser Mann hat das FBI und die CIA unter sich. Wer wird dann als nächster ausgeforscht?," fragte sich und die Nation am Montag der Vizepräsident Dan Quayle. Bush-Sprecher Marlin Fitzwater fand die Enthüllungen über Perot "schockierend und erschreckend", Ausdruck eines "bizarren Verhaltens". Und der Präsident selber ließ sich zu der Bemerkung herab, ihm werde "übel", wenn es wahr ist, daß Perot sogar seine, Bushs, Söhne ausspionieren ließ.
Perots Mitarbeiter geben sich alle Mühe, die Enthüllungen herunterzuspielen. Das Ganze sei eine Taktik des Bush-Stabes, sagen sie. Angstmache sei deren einziges Wahlkampfrezept. Dem Wähler einzureden, der andere Kandidat habe einen zweifelhaften Charakter. 1988 ist der damalige demokratische Präsidentschaftskandidat Dukakis im Schlammwahlkampf untergegangen. Und auch Bill Clinton hatte in den Vorwahlen mit der angeblichen "Charakterfrage" zu kämpfen.
Wie Perot mit den Enthüllungen seiner Vergangenheit umgeht, werde darüber entscheiden, ob er im November, wenn es zu den Wahlurnen geht, tatsächlich eine Chance hat, sagen die Experten.
Perot selber versucht es mit Humor: "Morgen werden sie jemanden präsentieren, der behauptet, ich hätte mich mit Außerirdischen getroffen."

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