Uwe Knüpfer
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Bush und Somalia: „lame duck“ will fliegen

10/7/1992

 
Nach seiner Wahlniederlage beschrieben Mitarbeiter den Präsidenten als deprimiert. Mehrfach klagte George Bush, die öbergangszeit bis zur Amtseinführung seines Nachfolgers Clinton sei viel zu lang. Doch in dieser Woche telefonierte der US-Präsident wieder mit Staatsmännern in aller Welt, er übernahm die Führung in einer Hilfsaktion für Somalia, er schickte golfkriegerprobte Marines erneut in den Kampf - als wolle er beweisen, daß auch „lahme Enten“ fliegen können.
Lahme Enten - lame ducks - nennen die Amerikaner auf ihre respektlos-direkte Art Amtsinhaber, deren Tage gezählt sind. Die Aufmerksamkeit der US-Presse gehört dem, dem die Zukunft gehört. Bush war eigentlich schon abgeschrieben, und er wußte es. Mit bitterem Humor beklagte er sich noch vor wenigen Tagen über „diese großartigen, verantwortungsvollen Aufgaben, die mir geblieben sind - die Hunde spazieren zu führen und einen Truthahn entgegenzunehmen.“ Den Truthahn spendiert die amerikanische Geflügellobby alljährlich dem Bewohner des Weißen Hauses, um die Nation zu ermahnen, am Thanksgiving-Feiertag auch ja die richtige Sorte Fleisch zu essen.
Nun sind Truthähne und Hunde vergessen, George Bush ist wieder in seinem Element. Wie vor zwei Jahren im Vorfeld des Golfkrieges sammelte der Präsident telefonisch Verbündete, wieder für eine Militäraktion, wieder auf einem anderen Kontinent, aber diesmal in rein humanitärer Absicht. Er ließ eine Anprache an das amerikanische Volk ankündigen und gleich drei „größere Reden“ über Außenpolitik und Politik im allgemeinen.
George Bush ist offenkundig nicht bereit, sich lautlos von der politischen Bühne zurückzuziehen. Es ist, als wolle der Präsident der undankbaren Nation ein letztes mal zeigen, was sie an ihm hatte und weiterhin hätte haben können: einen entschlossenenen, kraftvollen Führer mit Blick für die Nöte der Menschen. Einen, der weiß, wie man pfeifen muß, damit die Puppen tanzen - von Europa bis Afrika. Er drohte Europa wirkungsvoll mit einem Handelskrieg, er will das Nordamerikanische Freihandelsabkommen mit Mexiko und Kanada noch feierlich unterschreiben, und er reagierte auf den Druck des UN-Generalsekretärs, etwas für Somalia zu tun, indem er die Initiative an sich riß. „Es ist wichtig, die Leute daran zu erinnern, was wir denken, welche Methoden sich bewährt haben,“ sagte ein Bush-Mitarbeiter in aller Bescheidenheit.
Im eigenen Land wird Bush dafür nicht nur Beifall gezollt. Nachfolger Clinton allerdings enthält sich kritischer Worte - obwohl es ihn doch kaum ruhig lassen kann, was für ein unausgebrütetes Ei ihm sein Vorgänger mit dem Militärengagement in Somalia ins Nest legt. Clintons geplante Jubelfeier zur Amtseinführung gäbe ein schlechtes Bild ab, wenn gleichzeitig tote US-Soldaten in Leinen-Säcken aus Somalia zurückkehren sollten.
Ein Pentagon-Sprecher hat Bushs Hoffnung, die US-Soldten könnten ihre Mission schon vor der Amtsübergabe erledigt haben, geradeheraus als „lächerlich“ bezeichnet. Die New York Times hält dem Noch-Präsidenten vor, aus der Hüfte zu schießen. Niemand wisse so genau, welche Gefahren in Somalia auf die US-Soldaten lauern, was genau ihr Auftrag sein wird und wann er vollendet sein kann. Die schnelle Entsendung von Marines sei möglicherweise nichts anderes als „protziges“ Imponiergehabe, wo Behutsamkeit und Nachdenken angebracht wäre - wildes Flügelschlagen einer „lahmen Ente“, und das in einem Porzellanladen.

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