Im Verhältnis vier zu eins hat George Bush Bill Clinton ausgestochen, in der letzten Nacht des republikanischen Parteitags. Jedenfalls nach der Zahl der Luftballons. über 200000 Ballons schwebten von der Decke des Astrodomes in Houston, als der Präsident der USA seine Rede beendete. Die Rede seines Lebens, wie es vorher geheißen hatte. Die Rede, die darüber entscheiden könnte, ob George Bush eine Chance hat, im November wiedergewählt zu werden. Die Demokraten hatten es im Juli in New York nur auf 50000 Luftballons gebracht.
Es war eine kraftvolle Rede, eine Rede voller Selbstvertrauen, gespickt mit Witz. Eine Rede, wie sie die amerikanischen Wähler von George Bush lange vermißt haben. Ein Delegierter aus Illinois: "Das war genau das, was ich hatte hören wollen."
Der Präsident brachte zunächst seine außenpolitischen Taten in Erinnerung. Den Fall der Berliner Mauer rechnete er sich an, die Friedensgespräche zwischen Arabern und Israelis, die Befreiung aller Geiseln im Libanon. Daß Saddam Hussein trotz Golfkrieg noch immer im Amt ist, überspielte er geschickt, indem er von einem Tyrannen sprach, der nun im eigenen Land eingemauert sei wie in einem Gefängnis.
Und er hielt dagegen, was sein Gegner von den Demokraten aufzuweisen habe an Erfahrung in Sicherheitsdingen: Bill Clinton sei "der Chef der Nationalgarde von Arkansas", einer, der "auf seinen Nägeln kaut", wenn es ernst wird, der "ins Rutschen kommt, sobald der Boden schlüpfrig wird." U-S-A, U-S-A, erschallten die Rufe des Fußvolks, patriotische Gefühle durchwehten die Halle.
Die Parteitagsregie hatte nichts dem Zufall überlassen. Selbst handgemalte Schilder waren vorgefertigt, Sprüche wurden eingeübt, über Funkgeräte kam das Kommando an die Jubler im Saal, wenn es Zeit war zu skandieren: "Four more years!" - Vier Jahre mehr!
Sehnlich erwartet wurde von Bush, daß er sagt, wie er die Nation aus ihrem wirtschaftlichen Jammertal zu führen gedenkt. Indem er Amerika "sicherer und stärker" macht, versprach er, indem er die Steuern senkt und den Bürgern die Möglichkeit gibt, zehn vh ihrer Abgaben für den Abbau der Staatsschulden festzulegen.
Erwartet wurde auch, daß der Präsident nicht weiter immer nur andere - den demokratisch kontrollierten Kongreß, die Presse, das Ausland, die vielen Rechtsanwälte im Land - für die Misere verantwortlich macht, in der sich Amerika wähnt. Ja, er habe einen Fehler gemacht, entsprach Bush auch dieser Erwartung. Einen Fehler, indem er 1990 einer "demokratischen Steuererhöhung" zustimmte, obwohl er doch im Wahlkampf versprochen hatte: "No more taxes!"
Den Fehler einräumend, bat Bush sogleich um Vertrauen. Wem, fragte er die Wähler, könnten sie wohl eher vertrauen: Jemandem, der einmal einen Fehler gemacht hat und ihn bereut, oder jemandem, "der 128 mal Steuern und Abgaben erhöht hat und jedes mal seinen Spaß daran hatte"? Damit war, natürlich, Bill Clinton gemeint, in seiner Eigenschaft als Gouverneur von Arkansas. Arkansas hat eine der niedrigsten Steuerquoten der USA, nach zwölf Jahren Clinton-Regierung. Aber wer achtet im Wahlkampf schon auf Details?
Clintons Wirtschaftsprogramm brandmarkte Bush kurzum als "Elvis-Economics". Einzelheiten schenkte er sich. Sollte sich Amerika auf Clintons Pläne einlassen, müsse es demnächst im "Heartbreak Hotel" absteigen, prophezeite der Präsident. Der Saat tobte. Clinton bezeichnet sich als Elvis-Presley-Fan.
Clinton war, im Geiste, allgegenwärtig während dieses Parteikongresses. Vizepräsident Quayle kopierte bis in Details die Rede und den erfolgreichen Vorstellungsfilm des demokratischen Präsidentschaftskandidaten, als er sich seinerseits seinen Delegierten vorstellte - als einer, der auch ganz anders sei, als sein öffentliches Image vorgaukelt. Der Film zeigte Dan Quayle als Kleinkind auf Rollschuhen, hinfallend, wieder aufstehend, hinfallend, wieder aufstehend. In seiner Rede machte Quayle, Sohn einer Verlegerfamilie, geltend, auch er stamme - wie Clinton - aus mittelständischen Verhältnissen. Wie Clinton und dessen Vize-Kandidat Gore verwies er auf tragische Ereignisse - seine Schwiegermutter starb an Krebs -, die den Zusammenhalt der Familie doch nur gestärkt hätten. Von den Demokraten entlieh er gar den Slogan: "It„s time for them to go" - Es ist Zeit für sie zu verschwinden. Die Demokraten meinten damit ihn und Bush. Quayle meinte den demokratisch kontrollierten Kongreß.
Wechsel ja, war die immer und immer wiederholte Formel der Republikaner, aber nicht im Weißen Haus, sondern im Kongreß. Wählt die Demokraten ab, diese spendierfreudigen Bürokraten, und eine republikanische Mehrheit hinein, und Präsident Bush kann daheim so erfolgreich sein wie zuletzt im Ausland!
Wechsel, warnte der frühere Präsident Gerald Ford, 1976 abgewählt und durch den Demokraten Jimmy Carter ersetzt, Wechsel könne auch heißen: 13 vH Inflation, 17 vh Hypothekenzinsen. Wechsel könne auch heißen: "eine vierjährige Katastrophe". Was die Regierungsjahre Carters in den Augen vieler Wähler waren.
Amerika, nahm Bush den Faden auf, "braucht keinen Carter II". Es könne nun wählen: zwischen dem Sonnenuntergang mit den Demokraten und dem Sonnenaufgang. Den werde es erleben, wenn er, George Bush, im Januar zurückkehren kann ins Weiße Haus, für eine zweite Amtsperiode.
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