Uwe Knüpfer
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Bosnien: der Präsident erlaubt sich ein Lächeln

5/10/1995

 
Die Pressekonferenz war nicht angekündigt. Sie überraschte sogar jene amerikanischen Reporter, deren Job es ist, den US-Präsidenten möglichst nie aus den Augen zu lassen. Am Donnerstag, kurz vor Mittag, erschien Bill Clinton um "Briefing Room" des Weißen Hauses und und gab eine kurze, nüchterne Erklärung ab. Nichts weniger kündigte er an als das mögliche, baldige Ende des Krieges in Bosnien.

Es war ein Triumph für Clinton. Besser: Es wird  ein Triumph sein, wenn sich Serben, Kroaten und bosnische Moslems an ihre Zusagen halten und ab Dienstag nächster Woche alle Kampfhandlungen einstellen. Clinton selber sprach davon, ganz Vorsicht, es komme darauf an, was die Kriegsparteien "tun, nicht, was sie sagen." Aber für eine kurze Sekunde huschte dennoch ein zufriedenes Lächeln über sein sonst beherrschtes Pokergesicht.

Grund genug dafür hat der US-Präsident. Der Krieg in Bosnien, das war bisher der dunkelste Fleck auf Clintons außenpolitischer Weste. Nun scheint "Bosnien" allen Ernstes sein größter Erfolg zu werden. Monatelang gefielen sich US-Abgeordnete und Senatoren - beider Parteien - darin, die Regeirung mit peinlichen Fragen zum Fortgang der Dinge auf dem Balkan zu löchern. Und Anträge zu stellen, die nichts anderes zum Sinn hatten, als die eigene Regierung international bloßzustellen. Etwa den, das Waffenembargo gegen Bosnien einseitig aufzuheben. Clinton hat dagegen sein Veto eingelegt.

Klammheimlich aber hat die US-Regierung in der Zwischenzeit dafür gesorgt, daß die bosnischen Moslems allmählich in die Lage kamen, sich verteidigen zu können, mit militärischer Hilfe aus dem benachbarten Kroatien. Offiziell dürfen die Amerikaner nicht zugeben, daß sie dabei die Finger im Spiel hatten. Aber wie sie das nicht zugeben, das spricht Bände. Etwa, wenn US-Verteidigungsminister Perry die "Professionalität" der kroatisch-bosnischen Truppen in aller Unschuld lobt - wo er doch kritisch fragen müßte, woher diese Profis ihre Waffen haben und wer sie trainiert hat.

Die Erfolge bosnischer und kroatischer Truppen haben im Akkord mit dem Nato-Bombardement serbischer Stellungen den Weg freigemacht für Richard Holbrookes Verhandlungsmission. Clintons Unterhändler für den Balkan hat den Auftrag, jetzt oder nie Frieden zu schaffen. Doch in den letzten Tagen kam ihm ausgerechnet der Erfolg der bosnisch-kroatischen Truppen dabei in die Quere. Als bosnische Regierungstruppen gar entgegen ihren Zusagen serbische Stellungen bei Sarajewo beschossen, schien die Gerfahr groß, Holbrookes Mission könnte zusammmenbrechen. Von einem Waffenstillstand schien er sich mehr und mehr zu entfernen. Seine Neider begannen schon zu feixen. "Die Zeit rennt davon," gab noch am Mittwoch ein UN-Diplomat Reportern zu Protokoll; anonym natürlich: Clintons Wundermann schien auch nur mit Wasser zu kochen.

Zu diesem Zeitpunkt war Holbrooke einmal mehr zwischen Belgrad, Zagreb und Sarajewo unterwegs. Die bosnische Regierung hatte einem US-Vorschlag für einen Waffenstillstand im Prinzip zugestimmt, aber wichtige Bedingunen gestellt; freien Zugang nach Sarajewo, Wiederherstellung der Gas- und Stromversorgung, Zugang nach Gorazde. In Belgrad konferierte Holbrooke darüber sechseinhalb Stunden lang mit Serbiens Präsident Milosevic. Dann war er wieder in Sarajewo. Von dort aus flog er in die kroatische Hausptstadt, Zagreb. Und dort, endlich, bestätigte er Reportern, die ihm unermüdlich an den Fersen kleben: "Ja, es gibt einen Waffenstillstand."

Er tat es vor der US-Botschaft. Holbrooke hatte von dort aus mit dem Weißen Haus telefoniert.  Wenig später gab Clinton seine Presseerklärung ab und kündigte an, nun komme die Zeit, "die érmel aufzukrempeln und für den Frieden zu arbeiten."

Er selbst muß die Arbeit damit beginenn, die US-Öffentlichkeit für den Einsatz amerikanischer Truppen bei der Einhaltung eines nun möglichen Friedensvertrages zu gewinnen. Und die Abgeordneten für die Bereitstellung von Finanzhilfen zum Wiederaufbau bosnischer Städte.

Leicht wird das nicht werden. Vielleicht wird es leichter, mag Clinton sich gedacht haben, wenn die vorbereitenden Friedensverhandlungen in den USA stattfinden, wie es nun geschehen soll. Jedenfalls steigert das die Aufmerksamkeit der amerikanischen Presse.


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