Fahnen, Krisensitzungen, Patriot-Raketen, ein Präsident der starken Worte - Amerika erlebte scheinbar eine Neuauflage jener Ereignisse, die vor achtzehn Monaten zum Golfkrieg führten. Doch anders als damals blieb nicht ein Triumphgefühl zurück, sondern ein schaler Geschmack. Die meisten Amerikaner haben den Eindruck: Es ging nicht um die "neue Weltordnung", es ging schlichtweg um Wahlkampf. Der Truppenaufmarsch gegen den Irak wurde unterdessen wieder abgeblasen.
Seit Ende letzten Jahres schon beschäftigt die US-Politik nur eine Frage wirklich: Wer wird im November die Wahl zum Präsidenten gewinnen? Außenpolitische Themen spielten dabei bisher keine Rolle. "Wenn sein Kühlschrank halb leer ist, interessiert sich kein Amerikaner für Außenpolitik," erklärte ein Experte, warum allein drei Themen bisher den Dauerwahlkampf regieren: Jobs, Jobs und noch einmal Jobs.
Eher verschämt reiste Präsident George Bush nach Japan, Rio und München, trat dort nicht als Weltenlenker auf, sondern als Handelsreisender für amerikanische Autos und sonstige Exportartikel. Es nutzte ihm wenig. Konstanten Umfrageergebnissen zufolge trauen ihm die Wähler ökonomisch weniger Kraft zum Wandel zu als seinem Herausforderer Clinton.
Nur auf einem Feld führt Bush vor Clinton im Urteil der Befragten: Das ist die Außenpolitik.
So haben die Wahlkampfplaner des Präsidenten ihm einen Kurswechsel empfohlen: mit dem Pfund zu wuchern, das er hat. Mit seiner Erfahrung als Außenpolitiker, mit seinem Image als Sieger im Kalten Krieg und Bändiger Saddams.
Es geht im November nicht nur um "Change", um Wandel, heißt Bushs neue Botschaft, sondern auch um "Trust", um Vertrauen. Nur er habe das Stehvermögen und die Erfahrung, internationale Krisen zu meistern und Herausforderern der Neuen Weltordung wie Saddam Hussein die Stirn zu bieten. Nur er, sagt Bush. Nicht Clinton - fügen die Schergen des Präsidenten hinzu.
Bill Clinton, der Präsidentschaftskandidat der Demokraten, versucht unterdessen, außenpolitisch Tritt zu fassen. Aber eher still und vorsichtig. Er fühle keine Verpflichtung, Bush zu jedem Thema zu widersprechen, sagt er. Schon, um Saddam nicht zu erlauben, amerikanische Uneinigkeiten auszunutzen.
Dennoch: Auf zwei Feldern demonstrierte Clinton, daß er anders handeln würde als der amtierende Präsident: Er würde Flüchtlinge aus Haiti aufnehmen (Bush schickt sie zurück), und er würde ein militärisches Eingreifen der UN in Jugoslawien "nicht ausschließen". Warum nicht die Stellungen serbischer Freischärler in den Bergen um Sarajewo bombardieren, fragte Clinton.
"Unbesonnen" schalt das umgehend derPräsidentensprecher, Marlin Fitzwater. Da könne man sehen, daß Clinton, der Mann aus Hope, Arkansas, von wirklich komplizierten Themen eben nichts verstehe.
Das Clinton-Camp reagierte mit einer breiten Attacke. Der ehemalige Präsident Carter wurde ins Bild gerückt und zeigte sich erschreckt, daß Bush daran denke, mitten im gefährlichen Fahrwasser seinen bewährten Außenminister Baker abzuberufen - nur damit der wieder für ihn den Wahlkampf organisieren kann. Und Clintons Kandidat für das Amt des Vizepräsidenten, Gore, fragte spitz: "Wenn Mr. Bush und Vizepräsident Dan Quayle solche Wunderknaben in Sachen Außenpolitik sind, wie ist es dann möglich, daß Saddam Hussein der ganzen Welt die Nase dreht?"
Clinton selber beließ es bei dem Hinweis, daß nicht wenige europäische Politiker und auch Bushs eigener Verteidigungsminister zu Jugoslawien schon ähnliches gesagt haben wie er. Im übrigen, machte er klar, werde er sich auf außenpolitische "Streitereien" nicht einlassen: "Bei all dem Gerede über Außenpolitik sollte man wissen: Unser Einfluß im Ausland ist begrenzt, solange wir im eigenen Land nicht wieder stark sind."
Sprich, Clinton will sich weiter als der Mann empfehlen, der Amerikas Kühlschränke besser füllen kann als Bush.
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