1986 hat die US-Regierung dem Khomeini-Regime in Teheran Waffen verkauft, um Anti-Kommunisten in Nicaragua heimlich zu unterstützen. Stichwort: die Iran-Contra-Affäre. Man hielt das für den größten Skandal der Ronald-Reagan-Jahre. Doch nun plötzlich sieht es so aus, als sei dessen Enttarnung weithin gewollt gewesen - um Ronald Reagan schlimmeres, nämlich eine Amtsenthebung zu ersparen. Am Freitag mußte der frühere US-Verteidigungsminister Caspar Weinberger als Angeklagter vor Gericht erscheinen.
Ginge es nach dem Willen der Regierung, wäre die Geschichte längst vergessen. Schließlich wurden schon vor Jahren Mitarbeiter des Weißen Hauses aufgrund von "Irangate" rechtskräftig verurteilt, allen voran der Offizier Oliver ("Ollie") North. Er wurde für schuldig befunden, 1986 Geld aus Waffenverkäufen an den Iran nach Nicaragua geschmuggelt zu haben, zugunsten der Contra-Guerillas, die dort gegen die linksradikale Sandinisten-Regierung kämpften. Der Kongreß hatte der Regierung den Geldhahn dafür zugedreht.
Was damals Schlagzeilen machte, könnte sich nun dank unermüdlichen Bohrens eines Staatsanwalts als gigantisches Ablenkungsmanöver erweisen. Der Verdacht: Die süffige Geschichte von North und den Contras wurde bewußt genutzt, um die Aufmerksamkeit von anderen, früheren Waffenlieferungen an die Mullahs abzulenken.
Weinberger war immer gegen jede Art von Geschäften mit dem Khomeini-Regim. Das ist belegt. Deshalb hält er es auch für einen Akt später Rache, jetzt vor den Kadi zitiert zu werden. Die Anklage gegen ihn ist nicht von Pappe. Es geht um Meineid in zwei Fällen. Sollte Weinberger für schuldig befunden werden, droht ihm eine mehrjährige Gefängnisstrafe.
Die Anklage wirft dem heute 74jährigen keineswegs vor, aktiv an den Geschäften beteiligt gewesen zu sein. Aber sie ist der öberzeugung, Weinberger habe Dokumente bewußt zurückgehalten, aus denen hervorgeht, wie die Regierung Reagan die ôffentlichkeit getäuscht hat.
Es wurden nämlich schon 1985 amerikanische Raketen an den Iran verkauft, heimlich, auf dem Umweg über Israel. Nicht um antikommunistische Rebellen in Mittelamerika bei Laune zu halten, sondern um Geiseln im Libanon freizubekommen. Diese Geschäfte liefen nicht nur der offiziellen Politik Ronald Reagans völlig zuwider, sie verstießen auch gegen amerikanische Gesetze. Sie fanden aber, das förderten Untersuchungen der Iran-Contra-Affäre allmählich zutage, auf Anweisung des Präsidenten statt.
Reagans Berater, so vermutet die Anklagebehörde jetzt, fürchteten 1986, Reagan könne ein Impeachment drohen, eine Anklage, wie sie Richard Nixon 1974 wegen "Watergate" zum Rücktritt zwang. Deshalb, das ist der Kern der neuen Beschuldigungen, kam ihnen die Enttarnung der Ollie-North-Aktionen in Mittelamerika gerade recht. Die ôffentlichkeit war beschäftigt. Und die falsche Behauptung, Reagan habe von den Iran-Deals erst 1986 erfahren, half dem Präsidenten bis zum friedlichen Ende seiner Amtszeit über die Runden.˙ Weinberger hat mehrfach, auch unter Eid, ausgesagt, er wisse nichts von einem solchen Vertuschungsmanöver, und er habe alle Akten aus jener Zeit offenbart, auch habe er kein Tagebuch geführt.˙ Doch in der Kongreßbibliothek fanden sich 1700 handschriftliche Notizen Weinbergers, Tagebuchblätter. Bisher hatte außer Weinberger niemand Zugang zu diesen Notizen. Erst vor kurzem gestattete er der Anklage auf deren Druck, einen Teil davon durchzusehen.
Nun ist der zuständige Staatsanwalt davon überzeugt, Weinberger erwischt zu haben. Des Ex-Ministers eigene Notizen, so die Anklage, widerlegen Weinbergers Schwüre.
Dem Vernehmen nach hat die Anklage versucht, Weinberger den Prozeß zu ersparen. Wenn er bereit gewesen wäre, das ganze Ausmaß der Vertuschung zu offenbaren, einschließlich der Schuld des früheren Präsidenten. Weinberger soll das zurückgewiesen haben. Er und Reagan waren zwar verschiedener Meinung darüber, ob man mit Terroristen Geschäfte machen darf - aber sie sind dennoch alte Freunde.
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