Uwe Knüpfer
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Angst gehört zum Menschsein. Angstmachen offenbar zum Politikbetrieb.

4/4/1992

 
Angst haben wir Menschen zunächst und vor allem, ja fast immer vor dem Unbekannten, vor dem Fremden. Wer Angst machen will, tut sich am leichtesten, mit dem Finger auf Fremde zu zeigen. Auf Zigeuner, auf Moslems, auf "Welschmänner", auf Juden, auf Gelbe, auf Schwarze: Seht her, die apokalyptischen Reiter nahen! Fürchtet Euch!
"Asyl" heißt das Schlagwort der aktuellen Angstdebatte. Hinter der "Asylantenflut" von heute werden schon die Heerscharen geortet, die morgen ihre Krals und Slums verlassen könnten, zwischen Wladiwostok und Kalutta, und dahin drängen, wo die Fleischtöpfe sind. Zu uns.
Für viele scheint ausgemacht, daß diese Gefahr gebannt werden muß. "Das Boot ist voll", heißt ihr Kampfruf.
Was tun, um nicht panisch zu werden? Lesen! Nämlich:
Beate Winkler, Zukunftsangst Einwanderung, Beck‘sche Reihe, 1992, 117 Seiten, 14,80 DM, ein Taschenbuch, oder
Deutsche im Ausland, Fremde in Deutschland, Migration in Geschichte und Gegenwart, Verlag C.H. Beck, 1992, 542 Seiten, 68 DM, gebunden.˙Die erste Botschaft beider Bücher ist: Immer sind Menschen gewandert, ausgewandert, haben ihre Heimat verlassen, auf der Flucht vor Krieg, Not, Katastrophen, Unterdrückung. Es waren regelmäßig die mobileren, die mutigsten, die das Angestammte hinter sich ließen, um ein neues Leben in der Fremde zu beginnen. Das gilt für die Deutschen - "Flandrer", "Teutonen" oder "Sachsen" -, die einst nach Osten zogen oder, später, nach Amerika, millionenfach, ebenso wie für die vietnamesischen "boat people" heutiger Tage.
   Die zweite Botschaft: Noch nie ist ein Staat zugrundegegangen, weil viele Ausländer in ihm Bürger werden wollten. Im Gegenteil: Gerade wo Kulturen aufeinandertrafen, Völker sich friedlich mischten, gedieh der Wohlstand vergleichsweise prächtig. Das war im römischen Weltreich so, das galt für Amerika - und auch die Geschichte des Wirtschaftswunderlands Bundesrepublik ist eine Geschichte der Integration von Alteingessenen und Neuen, erst aus dem Osten, dann aus dem Süden, jetzt wieder aus dem Osten.
 Beate Winkler will auf die Schnelle noch eine "ganzheitliche" Wanderungs- und Minderheitenpolitik entwerfen. Das ist gut gemeint und wirkt doch, als schriebe Dr. Lieschen Müller über Politik. Macht aber nichts. Denn wer die Fakten aufnimmt, die ihm beide Bücher bieten - knapp und zugespitzt im einen, liebevoll ausgebreitet in dem anderen, für den haben die apokalyptischen Reiter "Asylantenflut" und "neue Völkerwanderung" menschliche Gesichter bekommen. Er wird künftig weniger leicht einzuschüchtern sein, hat also viel gewonnen.

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