Uwe Knüpfer
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Angriff auf Irak: Amtswechsel mit Kanonendonner

15/7/1992

 
„Wir haben den Finger am Abzug,“ hatte Präsidentensprecher Marlin Fitzwater gewarnt, Richtung Saddam Hussein: Die USA und ihre Verbündeten seien jederzeit zu einem Militärschlag gegen den Irak bereit. Am Mittwochabend mitteleuropäischer Zeit zogen die Alliierten den Abzug durch, fast auf den Tag genau zwei Jahre nach Beginn des Golfkriegs, eine Woche vor dem Präsidentenwechsel in Washington.
Kaum waren rund hundert Bomber der Alliierten in der Luft, versicherte der irakische Botschafter bei der Uno, seine Regierung sei nun bereit, den zentralen Forderungen des Sicherheitsrates zu entsprechen. Doch schon am Montag hatte US-Präsident Bush entschieden, im Einverständnis mit seinem Nachfolger Clinton und nach Absprache mit der britischen und französischen Regierung, Saddam brauche eine neue Lektion. Zuvor war ein Ultimatum der Verbündeten ohne Reaktion Iraks verstrichen. Eigentlich sollte der Angriff am Dienstag stattfinden. Nur wegen schlechtem Wetter über dem Irak wurde der Zeitpunkt verschoben, sagte Fitzwater.
Seit Wochen hatten die USA auf Versuche des Irak hingewiesen, UN-Auflagen zu unterlaufen:
- Der Irak verschiebe Raketenwerfer, womöglich in der Absicht, alliierte Patrouillenflugzeuge abzuschießen.
- Mehrfach betraten irakische Soldaten Gelände im Südirak, das die Vereinten Nationen für die Zukunft Kuweit zuerkannt haben; Geheimdienstberichten zufolge transportierten sie Waffen und Material ab.
- Auch die UN-Inspektionsteams hatten erneut Probleme, im Irak ihrer Arbeit nachzugehen. Darüber wäre es schon im Sommer fast zu einer militärischen Konfrontation gekommen, hätte Saddam nicht nachgegeben.
- Am 27. Dezember, verlautete aus dem Clinton-Hauptquartier in Little Rock, sei ein USƒMilitärflugzeug über dem Irak mit einer Rakete beschossen worden. Die Rakete habe ihr Ziel verfehlt, hieß es zur Erklärung, daß der Angriff erst spät ans Tageslicht kam. Erst bei der Auswertung von Videomaterial sei man auf die Raketenspur gestoßen.
Derartige Berichte sollten den Rechtsstandpunkt der Allierten untermauern, wonach ein Militärschlag gegen Saddam Hussein auch ohne erneuten UN-Beschluß möglich ist - weil der Irak die Waffenstillstandsvereinbarungen notorisch unterläuft.
Bush packt im Weißen Haus seine Koffer, aber er wollte es dem irakischen Diktator nicht erlauben, diesen Vorgang mit Triumphgeheul zu begleiten. In Washington hat sich seit langem die Erkenntnis breit gemacht, daß der Sieg im Golfkrieg vor zwei Jahren auf tönernen Füßen steht, solange Saddam an der Macht bleibt. Das sieht Clinton offenkundig genauso wie Bush.
Schon im Sommer 1992 bereitete das Pentagon Pläne für einen Militärschlag vor, der weit über eine Demonstration alliierter Stärke hinausgehen könnte. Ziel, hieß es damals aus Quellen im Außenministerium, müsse sein, Iraks Diktator so entscheidend zu schwächen, daß in Bagdad ein Regierungswechsel möglich wird.
Die Militärs gaben sich überzeugt, diesmal nachholen zu können, was ihnen im Golfkrieg nicht gelungen ist: Kommandozentralen und Raketenstellungen des Irak gezielt und wirksam auszuschalten. Dank ihrer Lufthoheit über Irak haben die Alliierten diesmal präzisere Informationen über mögliche Ziele für ihre Cruise Missiles, „Tomahawks“ und die „smart bombs“ der „Stealth“-Bomber als vor zwei Jahren. Der Angriff am Mittwoch sollte das demonstrieren und die Sicherheit der alliierten Patrouillenflüge wiederherstellen.
Mehr allerdings war schon deshalb nicht möglich, weil die arabischen Golfkriegsverbündeten Türkei und égypten zu einer Beteiliung an einem neuen Krieg nicht bereit waren. Deshalb mußte sich der Angriff auch auf Ziele im Südirak beschränken. Bush-Sprecher Fitzwater warnte Saddam nach vollendetem Angriff allerdings, weitere Schläge seien jederzeit möglich. Die USA haben zusätzliche Soladaten Richtung Kuweit in Marsch gesetzt.
 Das Pentagon hatte über die Bewegungen des Flugzeugträgers Kitty Hawk, der im Golf kreuzt, eine Nachrichtensperre verhängt. Lange Zeit, nachdem die Flugzeuge gestartet waren, gab es aus offiziellen Quellen in Washington keinerlei Kommentar. Die Weltöffentlichkeit durfte, wie Saddam, rätseln, was die Ziele der Maschinen waren. Erst als die Mission beendet war, kam die Bestätigung.
Politisches Ziel der Aktion war: Verunsicherung Saddams, psychologische Schwächung seiner Position im eigenen Land, Stärkung der irakischen Opposition, Stärkung auch der Autorität der UN und der USA und ihres abschiednehmenden Präsidenten.
Bill Clinton hat keinen Zweifel daran gelassen, daß er die Irak-Politik seines Vorgänger billigt. Clintons Sprecher Stephanopoulos machte am Mitttwoch aber auch klar, daß die Verantwortung für den Angriff allein beim amtierenden Präsidenten lag.
Clinton muß daran interessiert sein, die Dauerkrise am Golf möglichst rasch beendet zu sehen, schon um die dort stationierten US-Truppen endlich abziehen zu können. Der Weg über einen Deal mit Saddam dorthin scheint ihm verwehrt. Denn dann sähe es in den USA so aus, als hätte Clinton Bushs Sieg verschenkt, und der neue Präsident wäre mit einem Zeichen der Weichlichkeit in seine Amtszeit gestartet. So etwas ist in den USA nicht populär.
Bush hinterläßt Clinton ohnehin mehr außenpolitische Brandherde, als dem lieb sein kann. Clinton ist angetreten, sich zu allererst um die Innenpolitik zu kümmern. Stattdessen wird er, kaum daß er am 20. Januar den Amtseid wird abgelegt haben, sich nicht nur mit Saddam beschäftigen müssen, sondern auch mit Bosnien, mit der Frage, wie es in Somalia weitergehen soll und was aus den stockenden Nahost-Friedensgesprächen wird.


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