Saddam Hussein hat einen Nachfolger: Slobodan Milosevic. Worin, so wird in Washington gefragt, unterscheidet sich Saddams öberfall auf Kuweit von den serbischen öberfällen erst auf Slowenen und Kroaten, jetzt auf Muslims in Bosnien-Herzegowina? In nichts, so die mitgelieferte Antwort, außer in der Reaktion der internationalen Staatengemeinschaft.
In Washington wächst der Druck auf die Regierung, mehr zu tun als ein paar Flugverbindungen zu kappen. Milosevic brauche einen ernsthaften Schlag auf die Finger.
Die offizielle Regierungshaltung heißt seit langem: Der Jugoslawien-Konflikt ist Angelegenheit der Europäer. Vitale amerikanische Interessen seien nicht berührt, anders als im Golfkonflikt. Dort ging es um ôlreserven und um die Anhäufung von Massenvernichtungswaffen in der Hand eines unberechenbaren Regimes.
Doch Amerikas Bild von den Serben hat sich im Laufe der Jugoslawien-Krise um 180 Grad gedreht. Anfangs überwogen Sympathie für die Serben, das Gefühl, Jugoslawien müsse zusammenbleiben wie einst die USA, als die Südstaaten abfallen wollten, - und Mißtrauen gegenüber dem Vorpreschen ausgerechnet der Deutschen.
Unter dem Eindruck immer neuer, immer gleicher Fernsehbilder gequälter, ermordeter, vertriebener Zivilisten aus Gegenden, die serbisch werden sollen, schwand der Glaube an die Erhaltbarkeit Jugoslawiens, an die Verläßlichkeit von Milosevic. Auch wenn es vielen Amerikanern schwerfiel zuzugeben, daß die Deutschen, daß Kohl und Genscher dies schon früher klar erkannt haben.
Aus diesem Sinneswandel erwuchs die Politik des ÆEuropa, geh Du voranØ. Die EG zog ihre Botschafter aus Belgrad zurück, die USA zogen nach. Europa setzte auf Uno-Blauhelme, auf diplomatischen Druck, auf wirtschaftliche Sanktionen oder Sanktiönchen. Die USA zogen mit.
Doch allmählich wächst die Unruhe in Washington, gepaart auch mit Häme. Europa agiert, so hält man hier fest, und nichts geschieht, nichts wendet sich zum Besseren auf dem Balkan. So mehren sich die Stimmen, die sagen, Milosevic brauche eine Lektion wie vor einem Jahr Saddam. Der Aktion Wüstensturm müsse eine Aktion Balkansturm folgen. Die Serben, heißt es, verstehen nur die Sprache der Gewalt.
Doch wer soll die Truppen schicken? Die USA stecken mitten im Wahlkampf. Noch immer ärgern sich die steuerzahlenden Wähler über die Kosten des Golfkriegs. Außerdem: Milsosevic mag Saddam gleichen, die serbischen Truppen scheinen ungleich fanatischer als die irakischen Soldaten. Der Balkan könnte für fremde Eingreiftruppen zu einem gefährlichen Sumpf werden, warnen Regierungskreise, ähnlich wie einst Vietnam.
Vorerst ziehen die USA, noch nicht offiziell, aber unter der Hand, folgende Lehren aus dem Verlauf der Jugoslawien-Krise: Erstens, diplomatische Gesten und symbolische Boykotthandlungen reichen nicht aus. Ein echtes Embargo muß her, um Serbien wirtschaftlich die Luft abzudrehen. Zweitens: Wie schön wäre es, gäbe es internationale Eingreiftruppen, die andere Mächte bezahlen und, wenn’s denn sein muß, auch kommandieren, nicht die USA.
Bisher hat Washington die Bemühungen der Europäer um eine eigene Sicherheitsidentität, die Geburt einer Euro-Truppe, offiziell zwar mit Sympathie, ansonsten aber mit äußerstem Mißtrauen beäugelt. éhnliches gilt für die Idee, die Uno so zu reformieren, daß unter ihrem Kommando kämpfende Truppen Krisen beenden können wie die in Kuweit oder Jugoslawien. Dank "Saddam Milosevic" fragen hier viele jetzt ganz anders: Warum gibt es solche Truppen nicht längst?
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